Sonntag, 19. Dezember 2021
EXPLORERS
EXPLORERS
Phil Walker-Harding entführt uns in EXPLORERS (Ravensburger) in eine unentdeckte Welt der schwebenden Felsen, durchaus belebt mit Dörfern, Tieren, alten Tempeln, aber nicht so ganz einfach zu erschließen.
Jeder hat einen eigenen Puzzlerahmen dieser Landschaften vor sich, der aber identisch mit vier von acht Landschaftsplättchen bestückt wird. Der Rahmen enthält noch drei Wertungstafeln, die Auskunft geben über Ernährungspunkte, Dorf- und Edelstein-Wertungen.
Alle wählen ein Startdorf, vom dem aus sie über drei verschiedene Geländeformationen und Wassergebiete spezielle Felder zu erreichen versuchen. Dabei sind die Wertungen im Blick, so gilt es Edelsteine anzukreuzen, Ernährungsfelder und neue Dörfer. Schlüssel sind hilfreich, um an Tempel zu kommen, die, früh erschlossen, viele Punkte bringen. Die Vorteile von Pferden, in Form einer zusätzlichen Bewegung, und Landkarten, die flexiblere Eintragungen zulassen, nutzt man zusätzlich gern.
EXPLORERS gehört in die Reihe der Flip&Write Spiele. Für die Eintragungen entscheidend sind Erkundungskarten, die meist zwei Geländetypen zeigen. Sieben von den acht Karten sind jede Runde im Spiel. EXPLORERS verläuft dabei über vier Runden.
Wer am Aufdecken ist, wählt eine von beiden Geländearten und setzt drei Kreuze in dieses Gelände. Alle anderen Spieler dürfen ebenfalls drei Kreuze machen, sie müssen aber das andere Gelände wählen. Wollen sie das nicht, dürfen sie nur zwei Kreuze in die Geländeart, die der aktive Spieler gewählt hat, setzen. Etwas mehr Auswahl hat man bei zwei Karten, die Geländeduos zeigen, wo die Kreuze in beide Geländeformen gesetzt werden dürfen.
Sind alle sieben Karten aufgedeckt, endet die Runde mit einer kurzen Zwischenwertung, bei der Siegpunkte für gesammelten Proviant und die Edelsteine vergeben werden.
In der Schlusswertung zählen noch alle angeschlossenen Dörfer. Je nach Erschießung derselben kann ein Dorf viele Punkte bringen. Zwischendurch werden Punkte für aufgeschlossene Tempel vergeben. Der jeweils erste Spieler bei den vier Tempeln bekommt zwölf Punkte. In Vollbesetzung zu viert erhält der Letzte nur noch sechs Punkte. Mit Expertenvariante und zusätzlichen Auftragsplättchen sorgt Phil Walker-Harding für Abwechslung in den Folgerunden. Wer möchte, erforscht diese neue Welt auch alleine.
Die einfachen Regeln machen EXPLORERS zu einem guten Familienspiel, das vor allem durch die hohe Varianz überzeugt. Jeder kreuzt zwar so vor sich hin, aber die Wettläufe um die Tempelwertungen bringen schon etwas Interaktion ins Spiel. Die Spielgeschichte, die die Einleitung am Anfang erzählt, kommt aber überhaupt nicht rüber. Die rudimentäre Pixelgrafik mag funktional sein, Atmosphäre liefert sie nicht. Für meinen Geschmack hätten die Planteile ein bisschen größer ausfallen können, der breiten Schriftstärke der abwischbaren Filzstifte angepasst. Ich kann verstehen, dass man alles tut, damit die Stifte nicht austrocknen, aber irgendwie muss man die Kappen abziehen können. Hier braucht man teilweise eine Kombizange.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: EXPLORERS
Autor: Phil Walker-Harding
Grafik: Sabrina Miramon
Verlag: Ravensburger
Spieler: 1-4
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 19 Euro
Spiel 75/2021
Mittwoch, 15. Dezember 2021
WAU WAU
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
WAU WAU - das Buchstabenspiel
Thomas FITZTHUM, 50-jähriger Allrounder aus dem fränkischen Ansbach, bezeichnet sich selbst als Landart Künstler, ist Musiker, Kabarettist, Cartoonist und seit zwei Jahren auch Spieleerfinder. FITZTHUM versteht es, auf sich aufmerksam zu machen, mit einer Art Paukenschlag ist er ins Guinness Buch der Rekorde gekommen: April letzten Jahres hat er den akustischen Rekord an Schlaginstrumenten mit 113,5 Dezibel gebrochen. Nun bellt er, um in der Spieleszene wahrgenommen zu werden: Mit WAU WAU tritt er auf ROMMÉ-Basis in Konkurrenz zu SCRABBLE und Co.
Sein preiswertes Buchstabenspiel kommt in einer Metallschachtel daher, in der ein Zählblock, ein Stift und über 100 große Buchstabenkarten verpackt sind, von denen jeder der bis zu acht Spieler fünf auf die Hand erhält, der Rest wird in ROMMÉ-Manier - Zugstapel mit einer aufgedeckten Karte - bereitgehalten. Das Spielziel ist simpel, der Weg zum Ziel durchaus variantenreich. Es gilt als erster seine Karten loszuwerden. Das klappt einmal dadurch, dass man mit den Handkarten ein Wort bildet, das dann offen ausgelegt wird. Auf die ausliegende offene Karte neben dem Zugstapel können passend, steigend oder fallend, Buchstabenkarten in der Reihenfolge des Alphabets gelegt werden. Die dort ausliegende Karte darf auch aufgenommen werden, um mit ihr ein Wort zu bilden. Ebenso können schon ausliegende Worte verlängert werden, so wird aus dem „Hund“ vielleicht noch „Schund“. Wer nichts machen kann, muss eine Karte nachziehen. Er hat auch die Möglichkeit, ausliegende Worte umzulegen, so kann „Schund“ und „All“ zu „Schall“ und „und“ werden. Wer absehbar fertig wird, kündigt das mit einem überzeugenden „Wau“ an und schließt das mit dem Spieltitel ab. Wer das vergisst, muss eine Karte nachziehen. Es gewinnt der Spieler, der beim Ab- und Anlegen die meisten Punkte ergattert hat. Gewertet wird ganz einfach: Alle Vokale bringen einen Punkt, die Umlaute und die meisten Konsonanten zwei und die schweren Buchstaben XYZ drei Punkte. Diese werden sofort bei der Ablage notiert. Für schon ausliegende Worte kann doppelt kassiert werden, wenn die Zahl der angelegten Buchstaben, die der ausliegenden übertrifft, sonst zählen nur die gelegten Karten. Buchstaben, welche die Spieler am Ende noch auf der Hand halten, werden in Abzug gebracht.
Auch wenn Erwachsenenrunden über das alberne „Wau“ stöhnen, das Wortspiel des Ansbacher Autors hat seinen Reiz. Fitzthums Variationen klassische Motive kommt gerade bei älteren Spielern gut an, je mehr dabei mitspielen, umso besser läuft das Spiel. Für Vor- und Grundschulkinder gibt es einfache Varianten wie das ABC MEMORY, für das der Autor sich aus rechtlichen Gründen schnell einen anderen Namen ausdenken sollte. Seine Karten sind so angelegt, dass sie einen dreifachen Buchstabensatz enthalten, die auf MEMO-Basis ausgelegt werden. Spielziel für die Kinder ist es, vorwärts oder rückwärts als erster ein fertiges Alphabet vor sich liegen zu haben. Zu zweit ließen sich aber auch einfach nur Buchstabenpaare finden. Fitzthums Grundidee lässt unendlich viele Variationen zu. Auf seiner Homepage verweist der Autor auf POKER, ROULETTE, PUZZLE, SCHAFKOPF, BLACK JACK etc. Wow!
Titel: WAU WAU
Verlag: Gartenverlag Ansbach
Autor: Thomas Fitzthum
Graphik: Thomas Fitzthum
Spieleranzahl: 2 - 8
Alter: ab 7 Jahren
Dauer: ca. 30 - 45 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 09/2009 R 223/2021 Rezension erschien 2009 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autoren
Der 63jährige Ansbacher Land-Art-Künstler, Musiker und Autor Thomas Fitzthum ist ein kreatives Multitalent. WAU WAU, das er im von ihm gegründeten Gartenverlag ab 2008 vertrieb, blieb aber sein einziges Spiel.
Seit 2011 wird das Spiel von der Diakonie Neuendettelsau hergestellt und vertrieben, bereits seit 2009 unterstützen Studierende der Hochschule Ansbach das Spiel.
2008 wurde Fitzthums Spiel vom Studienkreis "spielen und lernen" in der Fachzeitschrift "Lernen mit Spielen" zu den 10 besten Lernspielen für Kinder ab 6 Jahren gewählt.
Auf BGG gibt es keine Wertungen zu dem Spiel.
Dienstag, 14. Dezember 2021
TOSTI
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Karten mit Durchblick
Rens Althuizen war gerade einmal neun Jahre alt, als er 2008 im niederländischen Helmond eine Frühstücksidee hatte. Die TOSTIS, die holländischen Sandwiches, kommen bei den Althuizens immer auf den Frühstückstisch, unten eine Toastscheibe und oben eine Scheibe, dazwischen Schinken und Käse, abgerundet durch Tomatenscheiben und Zwiebelringe. Warum daraus kein Spiel entwickeln, sagte sich der kleine Rens, nichts hochkarätig Taktisches, wie die Holzspiele seines Vaters, ganz einfach, vom Kind für Kinder sollte sein Spiel werden.
Mit kräftiger Unterstützung seines Vaters Martijn entstand aus der Idee wenig später ein fertiges Spiel, das sich besonders durch die transparenten Karten vom sonstigen Umfeld abhebt. Herausgekommen ist TOSTI!, ein einfaches Kartenspiel für zwei bis vier Kinder ab vier Jahren. 40 Karten mit den Ingredienzien für das Sandwich stehen in einer Plastikbox bereit: 12 Toastscheiben und jeweils sechs Zutatenkarten, vier Blankokarten - ein durchsichtiges Nichts -bringt Pfeffer auf die Tostis.
Reihum wird die vorderste Karte aus der Plastikbox gezogen, mit der versucht wird, der Zielvorgabe mit drei oder zwei fertigen Sandwiches näherzukommen. Klar, dass die Kinder nicht mit der Tomatenscheibe beginnen dürfen, es soll schon eine sinnvolle Stapelreihenfolge eingehalten werden. Ganz unten eine Toastscheibe, darüber in beliebiger Reihenfolge Schinken und Käse, darüber dann Tomaten und Zwiebeln, zum Abschluss muss erneut eine Toastscheibe gefunden werden. Die Kinder dürfen gleichzeitig an ihren Tostis arbeiten, trotzdem passen häufiger die Karten nicht. Wer dann großzügig den anderen aushilft, wird ebenso generös belohnt, indem er ein oder zwei weitere Karten ziehen darf. Sofort Schluss ist allerdings, wenn eine Blankokarte gezogen wird.
Die Transparenz der Karten lässt ansatzweise vor allem beim Spiel zu zweit Planung zu, verhindert aber das Erkennen der Blankokarten. Nach gut zehn Minuten ertönt meist der TOSTI-Ruf, der eine Spielrunde beendet, wenn vor einem Kind die zwei oder drei fertigen Sandwiches ausliegen. Die Grundidee des kleinen Rens ist wirklich ganz einfach, pfiffig wird das Spiel erst durch die vorausschauende Planung, die durch die durchsichtigen Karten möglich wird. Regellücken sollten großzügig ausgelegt werden. So können nach der deutschen Regel auch bei einer verschenkten Toastscheibe zusätzlich Karten gezogen werden, was in der holländischen und englischen Fassung ausdrücklich untersagt wird. Lässt man es zu, beschleunigt dies das Spiel beträchtlich. Auch wenn schwer einzuschätzen ist, wieviel Unterstützung Vater Martin bei der Umsetzung des fertigen Spiels noch geleistet hat, Rens Althuizen kann stolz auf seinen Spieleerstling sein. Bringen wir doch ein Toast auf ihn aus – mit Orangensaft versteht sich.
Titel: TOSTI!
Verlag: SPLLN
Autoren: Martijn Althuizen, Rens Althuizen
Graphik: Marius Althuizen
Spieleranzahl: 2 - 4
Alter: ab 4 Jahren
Dauer: ca. 10 Min.
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 08/2009 R 222/2021 Rezension erschien 2009 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zu den Autoren
Für Rens blieb es das einzige Spiel in seiner bisherigen Autorenkarriere. Er ist ja aber erst 22 Jahre alt.
Sein Vater liebte die kleinen taktischen Spiele. BGG verzeichnet immerhin 18 Spieleveröffentlichungen von ihm. Leider ist er 2020 verstorben.
TOSTI! wird auf BGG mit einem Rating von 6,5 geführt (Stand 27.11.21).
Montag, 13. Dezember 2021
TOKUGAWA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Wenn Tizian und Viktor Spiele entwickeln: TOKUGAWA
2006 zeichnete das Deutsche Kinderhilfswerk im Rahmen einer Aktion „100 Ideen für kinderfreundliche Spielorte in Deutschland“ unter anderem kleine Jungen für die Erfindung eines Brettspiels aus. Der achtjährige Tizian Blumenthal und der elfjährige Viktor Gilhaus hatten sich mit japanischer Geschichte beschäftigt und in dem Spiel SAMURAI zwei Spieler um die Herrschaft Japans kämpfen lassen. Das Kinderhilfswerk hat die Umsetzung des Spielprojekts mit 5000 € unterstützt, wobei der Berliner Autor Günter Cornett die Weiterentwicklung professionell betreut hat. Herausgekommen ist nun mit TOKUGAWA eine Weiterentwicklung, die sich aber an den Grundideen der beiden jungen Autoren orientiert.
Die TOKUGAWA sind eine japanische Shogun-Dynastie. Offiziell waren sie Untergebene des Kaisers, tatsächlich aber die unumschränkten Herrscher Japans. Für japanische Verhältnisse herrschten sie lange, weit über 200 Jahre bis ins 19. Jahrhundert hinein. 1603 verlegte der erste Herrscher der Dynastie Tokugawa Ieyasu den Regierungssitz von Kyoto nach Yedo, dem heutigen Tokio. Zwar blieb Kyoto als Kaiserresidenz offizielle Hauptstadt Japans, doch das tatsächliche Machtzentrum verlagerte sich nach Yedo.
Im Spiel der beiden Jungen findet ein Machtkampf zwischen den beiden Metropolen Yedo und Kyoto statt. Ausgestattet mit zuerst fünf Bogenschützen, zwei Lanzenträgern und einem Schwertkämpfer werden die Provinzen Japans besetzt. Wer an der Reihe ist, hat drei Aktionen zur Verfügung. Er darf Einnahmen kassieren, pro Kämpfer in einer Provinz ein Koku, der japanischen Reiswährung, Gärten in dieser Provinz erhöhen die Einnahmen, wobei diese aber begrenzt sind. Koku brauchen die Kontrahenten, um zum Beispiel neue Samurais einzusetzen, jeder Bogenschütze (Kampfwert 0) kostet ein Koku, der Lanzenträger (Kampfwert 1) zwei und ein Schwertkämpfer (Kampfwert 2) fünf Koku. Als dritte Aktionsmöglichkeit bleibt neben dem Rekrutieren neuer Samurais deren Bewegung. Einheiten dürfen sich beliebig weit über eigene besetzte Felder fortbewegen, sofern dies in identischem Gelände geschieht. Bewegung kosten nichts, sind aber zum Teil wetter- und geländeabhängig, was ausgewürfelt wird. Auch Schiffstransporte sind möglich, können aber vom Sturm unterbunden werden. Wer schlecht würfelt, verbraucht bei der Bewegung Aktionen, ohne voranzukommen. TOKUGAWA ist ein Kampfspiel, in dem Sinne folgen die beiden jungen Autoren dem klassischen RISIKO-Klischee, Hauen und Stechen muss sein und Würfeln spielt dabei eine große Rolle. Es wäre interessant zu sehen, welche Ideen zwei entsprechend alte Mädchen entwickelt hätten. Die vierte Aktionsmöglichkeit ist der Angriff, der infolge einer Bewegung stattfindet. Landet ein Spieler mit seinem Samurai neben einem vom Gegner besetzten Feld, greift er ihn bei Zahlung eines Koku an. Zuvor darf er noch prüfen, ob ihn weitere eigene Einheiten unterstützen können, die sich in Nachbarschaft zur angreifenden Einheit befinden. Der Angegriffene darf natürlich auch eigene Einheiten zur Unterstützung bewegen, das kostet allerdings ein Koku pro Einheit.
Die Kampfabwicklung selbst verläuft relativ aufwändig. Zuerst muss der Angreifer mit zwei Kampfwürfeln antreten, weil die Hilfe unterstützende Einheiten nur darin besteht, das Wurfergebnis völlig annullieren zu dürfen. Das gilt auch für den Verteidiger. Zum Wurfergebnis werden die Stärkepunkte der Einheit, die angreift, nicht der, die unterstützt, dazu addiert. Schlechtes Wetter wirkt sich nur durch Punktabzug beim Angreifer aus, der Verteidiger kann eventuell noch auf Stärkepunkte der Gebäude oder Mauern vertrauen. War der Angriff erfolglos, muss der Angreifer sich auf sein Ausgangsfeld zurückziehen, im anderen Fall muss sich der Verteidiger ein freies Nachbarfeld suchen. Findet er das nicht, wird dieser Einheit vom Spielplan genommen. Außerdem wird sie als geschwächt gekennzeichnet, was sich in Folgekämpfen auswirken kann. Unterstützer des Siegers werden mit zwei Koku aus der Provinz belohnt. Die jeweiligen Hauptstädte, die es zu erobern gilt, werden als „unbewegliche Einheiten“ betrachtet, die eine Stärke von zwei besitzen. Unterliegt die Hauptstadt das erste Mal, verliert sie einen Stärkepunkt, beim zweiten Mal ist das Spiel entschieden.
Die Kampfbeschreibung hat angedeutet, dass es noch eine fünfte Aktionsmöglichkeit geben muss, das ist das Bauen. Dadurch kommen Schiffe ins Spiel, Gärten können angelegt werden, Burgen, Tempel und Mauern gebaut und eine Schmiede zur Kampfwertsteigerung errichtet werden. Auch die Siegbedingungen sind zusätzlich modifiziert, hier grüßt erneut RISIKO. Es liegen nämlich immer drei Auftragskarten aus, da müssen zum Beispiel Straßen besetzt werden oder sämtliche Städte einer Provinz. Sobald ein Spieler drei solcher Aufträge erfüllt, endet das Spiel. Es gewinnt der mit den meisten Siegpunkten. Diese Punkte gibt es für die meisten Samurai, Bauten und das meiste Geld, auch für die Auftragskarten werden zusätzliche Siegpunkte abgerechnet.
Tizian Blumenthal und Viktor Gilhaus haben mit Cornetts Hilfe ein recht vielschichtiges Kampfduell entwickelt, das sich auf der Landkarte Japans abspielt. Hier müssen schon echte Strategen am Werk sein, wenn sie alles im Blick behalten wollen, was sich auf dem Spielbrett tut. Der Schutz der eigenen Hauptstadt muss in Angriff genommen werden, aber entsprechend auch an die Schwächung des Gegners gedacht werden. Der Schiffbau ist von entscheidender Bedeutung, lässt er doch überraschende Bewegungen zu, das macht YEDO als Hafenstadt im übrigen angreifbarer als Kyoto. Die Erfüllung der Aufträge gilt es genau zu beobachten, um den eigenen Sieg voranzutreiben oder den des Gegenspielers zu verhindern. Wobei nicht die Absolvierung des dritten Auftrags entscheidend ist, sondern der Siegpunktstand zu diesem Zeitpunkt. Bei dieser Komplexität würde ich das Einstiegsalter für TOKUGAWA eher höher einordnen als das Alter der beiden Autoren zum ursprünglichen Zeitpunkt ihrer Spielentwicklung. Inzwischen sind sie 11 und 14 Jahre alt und können die taktischen Möglichkeiten ihres Spiels auch besser ausloten, also 12 Jahre sollten sie schon sein, die Spieler, die sich auf den Kampf der Samurai im Japan des 17. Jahrhunderts einlassen.
Die Schlacht auf dem Spielfeld ist übrigens auch eine Materialschlacht, die sich aus über 150 Holzteilchen ergibt. Vor dem ersten Spiel ist erstmal kräftig Klebearbeit angesagt. Das Ergebnis kann sich dann aber sehen lassen, nur der Spielplan ist etwas dünn geraten, dafür enthält er alle wesentlichen Kurzübersichten für Kosten, Kämpfe und Siegpunkte. Hier spürt man die kümmernde Hand des Profis, der die beiden jungen Autoren kräftig unterstützt hat. Für den ersten Einstieg sollten sie sich auch die Erläuterungen und Klarstellungen zur Spielanleitung und das Angriffsbeispiel von Cornetts Homepage herunterladen, weil damit viele Detailfragen, die Sie sich sicherlich nach der ersten Regellektüre stellen, gleich beantwortet werden, so dass sie problemloser loslegen können.
Titel: TOKUGAWA
Verlag: Bambus Spieleverlag
Autor: Tizian Blumenthal & Viktor Gilhaus
Graphik: Carsten Fuhrmann
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 12 Jahren
Dauer: ca. 60-90 Min.
Preis: ca. 50 Euro
Spiel 07/2009 R 221/2021 Rezension erschien 2009 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zu den Autoren
Die Vorgeschichte zu dem Spiel mit den beiden jungen Autoren habe ich in der Rezension beschrieben.
TOKUGAWA wird auf BGG mit einem Rating von 6,8 geführt (Stand 27.11.21).
Sonntag, 12. Dezember 2021
ISOLA
SAMMELSURIUM
Ravensburger Traveller-Serie: ISOLA
Neben der Casino-Serie war die Traveller-Reihe in den 70er Jahren besonders beliebt. Sie erschien in zwei Schachtelformaten, zuerst als flache Ausgabe (202x202x28 mm; 1972 und 1973) und als etwas kleinere dickere Schachtel (190x190x36 mm; 1973-1978). Diese Schachtelform setzte sich durch und diente auch der Veröffentlichung weiterer Titel. Zur Serie gezählt werden aber nur Titel mit dem Logo „traveller serie“. Die Spiele in der Reihe waren fast durchweg Spiele für zwei Personen, meist taktische Spiele mit geringem Glücksanteil.
In der Reihe veröffentlichte Alex Randolph die meisten Spiele, zum Teil wie auch in der Casino-Serie unter dem Pseudonym L.W. Bones (PEGGINO). Daneben erschienen Klassikerausgaben wie REVERSI, GO und GOBANG, TANGRAM, SOGO und 3x16, das alte NÜMMERCHEN.
Herausragend sind für mich die Randolph-Spiele WÖRTERKLAUER, BANDA und HEPTA. Immer wieder gut ist RACKO, das es aber auch in vielen anderen Ausgaben von Ravensburger gibt.
ISOLA
Der Autor Bernd Kienitz hat es nur ganz isoliert zu einer einzigen Spieleveröffentlichung geschafft. Sein ISOLA erschien 1972 zuerst in der Traveller-Reihe und wurde dann 1980 noch einmal in einer etwas größeren Schachtel von Ravensburger verlegt.
ISOLA ist das typische Zweipersonen Taktikspiel, das genau in die Traveller-Reihe passt. Zu Spielbeginn werden 46 gelbe Holzspielsteine auf ein 6x8 Raster gelegt. Zwei Felder bleiben frei, dort stehen die Spielfiguren der beiden Kontrahenten.
Die Spieler bewegen sich überwiegend auf den gelben Steinen, dort können sie sich in jede beliebige Richtung wie der König im Schach um jeweils ein Feld bewegen. Die beiden grünen Ausgangsfelder können ebenfalls besetzt werden. Entscheidend in ISOLA ist, dass nach der Bewegung ein gelber Stein vom Spielfeld entfernt wird, dadurch soll der Gegner letztlich isoliert und bewegungsunfähig werden. Derjenige, der das zuerst schafft, gewinnt das Spiel.
ISOLA lässt sich auch umgekehrt spielen, indem alle mit einem leeren Spielfeld starten, auf das nach jedem Zug ein Spielstein gelegt werden muss. Wer zum Schluss kein freies Feld mehr für seine eigene Figur findet, verliert diese Variante.
Die 80er-Fassung von ISOLA war deutlich aufwändiger produziert. Die gelben Steine, diesmal aus Plastik, wurden nur lose in ein Gitterraster gelegt und konnten nach unten rausgedrückt werden. Die Löcher führten die Isolation deutlicher vor Augen.
ISOLA besitzt Tiefe und gehört zu den guten Strategiespielen der Traveller-Reihe. Für Grundschulkinder ist es auch heute noch gut geeignet, um sie an dieses Genre heranzuführen. BGG führt ISOLA auf Rang 773 bei den abstrakten Spielen mit einem Rating von 5,7 (Stand 26.11.21).
Titel: ISOLA
Autor: Bernd Kienitz
Grafik: o.A.
Verlag: Ravensburger
Spielerzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 20 DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 50 – S50/2021
Samstag, 11. Dezember 2021
TOP TEN
TOP TEN
Unter die TOP TEN hat es Aurèlien Picolet mit seinem Vornamen nie gebracht, dabei heißt er doch „der Goldene“. In Frankreich stand er bei den beliebtesten Vornamen immerhin mal auf Platz 25, seit Anfang des neuen Jahrtausens befindet er sich auf dem Sinkflug und nahm zuletzt (2019) Platz 238 ein. In Deutschland sieht es nicht viel anders aus, 2007 lag „Aurèlien“ auf Platz 55, im Augenblich auf Platz 222.
Keine Angst, in Picolets erstem Spiel TOP TEN müssen wir nicht die zehn beliebtesten Mädchen- und Jungenvornamen in Deutschland, wer das mag, spielt SMART 10 von Piatnik. TOP TEN ist viel raffinierter, denn es spielt bewusst mit den Erfahrungswelten und Einschätzungskompetenzen aller Mitspieler. Picolet hat sein Spiel kooperativ angelegt, das nur gewonnen wird, wenn das Team nicht zu häufig in die Kacke gegriffen hat. Dieses Changieren mit Pokerjetons zwischen Glitzereinhorn und braunen Häufchen, das auch das Cover widerspiegelt, ist nicht jederfraus Sache, das hätte auch erwachsener geregelt werden können.
Nun aber endlich zum Spiel. Der Runden-Käpten bekommt eine Karte mit mehreren Situationsalternativen. Dort heißt es beispielsweise: „Du bist im Zoo mit deinen Kindern. Nenne ein Tier, das ihr seht, von ‚super langweilig‘ bis ‚du kriegst sie nicht weg davon‘“. Dann bekommen alle eine zufällige Zahlenkarte zwischen eins bis zehn zugeteilt und geben entsprechen ihrer Zahl eine Antwort. Mit meiner „2“ würde ich vielleicht „Regenwurm“ sagen, dann höre ich noch „Antilope“, „Giraffe“ und „Panda“.
Der Käpten muss nun die richtige Reihenfolge erraten, die Extremwerte sind meist leicht zu erkennen, schwieriger wird es in der Mitte zwischen den afrikanischen Huftieren. Ich tippe nach meinem Wurm zuerst auf die Antilope und bekomme eine „5“ gezeigt, dann auf die Giraffe mit einer „6“. Der Panda mit der „8“ war ja schon als interessanter vermutet worden. Mache ich einen Fehler, wird eines unserer Einhornplättchen auf die Häufchenseite gedreht.
Wir spielen nach Regel fünf Runden, mehr Sinn macht, dass alle einmal Käpten sein müssen. Die Häufchen-Plättchen sind letztlich völlig egal, viel interessanter sind die Spielrunden, die zum Teil auch mehr als solche Einschätzungen verlangen. Da kann ich auch ein Spukhaus betreten und muss das erste Geräusch, das ich höre, imitieren in einer Bandbreite von „wenig beängstigend“ bis „echt gruselig“. Wem das in Reihenfolge bringen zu einfach ist, der spielt die Expertenvariante, in der der Käptn die genaue Zahl erraten muss, außerdem darf das Team die Zahl des Kapitäns erraten. Wenn es das schafft, wird ein Häufchen zurückverwandelt. Eine gewisse Nähe zu PERFECT MATCH kann Top Ten nicht verleugnen, aber Warschs Idee ist hier schnörkelloser umgesetzt.
Spannend ist es immer dann, wenn mehrere Zahlen dicht beieinander liegen und die Nuancen eine Rolle spielen. Picolets TOP TEN schiebt sich ganz unauffällig in die Top 10 der besten Partyspiele.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: TOP TEN
Autor: Aurélien Picolet
Grafik: Aurélien Picolet
Verlag: Asmodee / Coctail Games
Spieler: 4-9
Alter: ab 12 Jahre
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 19 Euro
Spiel 74/2021
Freitag, 10. Dezember 2021
TIKI TOPPLE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
TIKI TOPPLE indianisch oder polynesisch?
Der Titel des neuen Spiels von Keith Meyers (u.a. DER KLEINE HOBBIT, SITTING DUCKS) lässt indianische Assoziationen zu. TIKI TOPPLE erinnert an Tippi und Totem und irgendwie geht es um die Spitze: „Top die Wette gilt!“ Die jeweilige persönliche Rundenwette erhält jeder der zwei bis vier Spieler anfangs in die Hand, ein gewünschter Zieleinlauf sozusagen, aus dem ein neunteiliger Totempfahl am Ende in der Spitze bestehen soll.
Die Totemteile, die Tikis, werden zu Beginn jeder Runde nach ihren Symbolen halb zufällig in die Totem-Rinne des Spielplans geschoben. Zur Veränderung der Ausgangslage erhalten die Spieler beim Spiel zu zweit neun Aktionskarten, sonst acht. Aus diesen Karten werden zwei zufällig entfernt, so dass nach sechs oder sieben Kartenrunden das Ergebnis der Wette feststeht.
Mit Hilfe der Karten können Tikis ein bis drei Felder vorwärtsbewegt werden, ein Zurückfallen um zwei Felder oder sogar bis zur Schlussposition ist ebenfalls möglich, zwei Tikis dürfen getauscht und das letzte gar entfernt werden. Ein Durchgang endet, wenn alle ihre Karten ausgespielt haben. Fälschlich steht in der Regel, dass ein vorzeitiges Ende möglich sei, wenn nur noch drei Tikis auf dem Plan seien, weil die Karten aber nur eine maximale Reduzierung auf fünf Tikis zulassen, bleibt diese Regelpassage unverständlich. Die Tippergebnisse werden sofort auf einer Wertungsleiste rund um die Tikis angezeigt. Wer seine Topwette erfüllt, erhält 9 Punkte, wer in den beiden Einlaufwetten richtig liegt, kann immer noch fünf oder zwei Punkte ergattern.
TIKI TOPPLE ist also im Grunde genommen nichts anderes als ein Wettspiel, bei dem die Einflussmöglichkeiten besonders in voller Besetzung gering sind. Keith Meyers sorgt zwar dafür, dass die Ungerechtigkeiten gerecht verteilt sind, also eigentlich sich keiner beklagen dürfte, trotzdem bleibt die Begeisterung aus. Das Vorspiel ist belanglos, der bestimmende Höhepunkt findet in den letzten beiden Runden statt, wobei die letzte Karte und damit der Spieler, der zuletzt ausspielt, die Entscheidung bringt. Wer meint, mit Psychologie käme er weiter, sieht sich auch meist getäuscht, denn im Täuschen und Tarnen waren und sind alle Tipi-Bewohner großartig. Irgendwie hintergangen fühlen sich dann nur noch die Totembauer, die die Tiki-Wiki-Karte, die für den Positionstausch sorgt, am Anfang verloren haben. An die neun Punkte kommen sie nicht mehr heran, ihre Gewinnchancen tendieren gegen null.
Der Begriff „Tiki“ ist passender Weise polysem: Die Tikis haben in Wirklichkeit nichts Indianisches an sich, sondern sind polynesische Holzfiguren. Viel schöner ist aber die zweite Bedeutung des Begriffs, steht doch „Tiki“ für die typische amerikanische Trivialkultur. Genauso trivial oder banal ist letztlich TIKI TOPPLE. Schmidt hat sich allerdings große Mühe mit dem Material gegeben, für einen roten Schein gibt es viel Holz, stabile Karten und einen ansprechenden Spielplan für das Spiel aus der Reihe „Easy Play“, in der immerhin Top-Spiele wie BIG POINTS und FINITO zu finden sind.
Titel: TIKI TOPPLE
Verlag: Schmidt Spiele
Autor: Keith Meyers
Graphik: Dennis Lohausen
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: ca. 20 Min.
Preis: ca. 11 Euro
Spiel 06/2009 R 220/2021 Rezension erschien 2009 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 4 von 10 Sternen,
das entspricht: Vielleicht nächsten Monat wieder
Zum Spiel und zum Autor
Keith Meyers ist seit Ende der 1980er Jahre in der Spielebranche tätig. Er hat nach eigenen Angaben mehr als drei Dutzend veröffentlichte Spiele entworfen, unterrichtet Spieledesign, hat ein Buch über Spieledesign und hält Vorträge über dieses Thema.
Er hat für The Game Works (kleiner Nischenhersteller von Spielen) und The Game Keeper (größte Kette unabhängiger Spieleläden) gearbeitet, die von Wizards of the Coast und dann von Hasbro gekauft wurden. Derzeit arbeitet er mit IELLO USA zusammen und betreibt mit Board Game Republic sein eigenes Spielehaus mit Bar und Restaurant in Denver.
Bekannt sind Spiele wie DER KLEINE HOBBIT (Klee 2001), SCHNELLDENKER (Amigo 2006) und SITTING DUCKS (Amigo 2006). Mit diesem Spiel landete er 2007 immerhin auf den 5. Platz beim Kartenspielpreis der Fairlplay.
TIKI TOPPLE wird auf BGG mit einem Rating von 6,5 geführt (Stand 27.11.21) und liegt auf Rang 739 bei den Familienspielen. Den Regelfehler, auf den die Rezension hinweist, hat Schmidt Spiele in einer Neuauflage ausgebügelt. „Leider hat sich bei der ersten Produktion von Tiki Topple ein Fehler eingeschlichen. Pro Spielerfarbe war die Tiki Topple-Karte zweimal vorhanden, während es nur eine Tiki Toast-Karte gab. Dadurch kann dann auch das Spiel nicht durch drei verbleibende Tikis beendet werden. Eigentlich müsste es genau umgekehrt sein, nämlich zwei Tiki Toast-Karten und nur eine Tiki Topple-Karte pro Spieler. Dadurch wird der Druck auf die untenstehenden Steine viel größer (es können bis zu 8 Tiki Toast-Karten zum Entfernen von Steinen im Spiel sein). Damit kann man auch nicht bis zum Spielende warten und dann mit einer Tiki Wiki-Karte locker den ersten Platz erreichen. Es tut uns leid, dass dieser Fehler passiert ist. Mit dem falschen Kartensatz macht das Spiel auch keinen Sinn und die Noten sind für das Spiel mit falschem Kartensatz absolut berechtigt. In allen neu ausgelieferten Spielen ist dieser Lapsus bereits behoben.“
Mit veränderter Regel hätte ich damals wohl eher sechs Sterne vergeben und nicht nur vier.
Donnerstag, 9. Dezember 2021
OHNE BEWÄHRUNG
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Länger in Haft für ein Spiel: OHNE BEWÄHRUNG
„Sie sind Teilnehmer in der Arbeitstherapie, Ihre Aufgabe ist das Bemalen von Holzprodukten. Da Sie sich nicht an die Farbvorgaben halten und lieber eigene Kreationen erschaffen, muss die Produktpalette neu überarbeitet werden. Denn wer will schon rosa Weihnachtsbäume kaufen? Sie werden vorerst von der Tätigkeit entbunden und ruhen sich zwei Runden aus.“
Was soll der SCH…? Natürlich könnte ich mir Abnehmer für rosa Weihnachtsbäume vorstellen! Es gibt ja sogar Abnehmer für so verrückte Spielideen wie die von der JVA Moers.
Uns Spielern wird so einiges zugemutet - oder besser - wir muten uns einiges zu. Ganz normal ist das nicht, wenn wir nur auf dem Spielbrett den Jakobsweg abwandern, unbedingt Follets Kathedrale nachbauen wollen oder pandemisch die Welt verseuchen. Da mag es dann auch Verrückte geben, die den Strafvollzug „hautnah erleben wollen“.
Katharina Willecke, Justizvollzugsbeamtin in Moers, sieht ihre Spielidee OHNE BEWÄHRUNG als Teil der Öffentlichkeitsarbeit der JVA, mit der der offene Strafvollzug vorgestellt werden soll. In gewisser Hinsicht ist das Spiel auch Teil der Arbeitstherapie der Inhaftierten, das gesamte Spielmaterial wird in Moers und zum Teil in der JVA Geldern gefertigt. So viel Holz inklusive der Verpackung bekommen Sie selten in einem Spiel geboten, auch der Spielplan ist auf Sperrholzbasis kaschiert, sogar die Pöppel und Siggi (s.u.) haben ihren eigenen Stil. Die graphische Gestaltung hat ein Insasse des offenen Vollzugs entworfen, er soll von dieser Idee so angetan gewesen sein, dass er sogar freiwillig in Geldern blieb, um das Spiel fertigzustellen.
Ich lade Sie zu einem Gefängnisrundgang ein. Das Schreiben des für Sie zuständigen Staatsanwalts liegt Ihnen vor: Strafantritt zum ersten des nächsten Monats - und schon ist es so weit: Sie stehen vor der Pforte der JVA Moers und sollen das Zugangshaus erreichen, um dort ihre Vollzugsziele genannt zu bekommen. Die müssen Sie erfüllen und zusätzlich noch Entlastungsvorbereitung Münzen (EvM) sammeln - einen solchen gewaltigen Begriff kann nur ein Beamter erfinden - und erneut durch die Pforte zu gelangen, diesmal aber in der anderen Richtung. Logisch, dass Sie sich an die Regeln halten wollen. Die erste Regel lautet: Würfel dich immer exakt durchs JVA-Gelände! Bringen Sie Geduld mit, manchmal viel Geduld. So kann es nämlich ganz schön dauern, bis die sechs Felder zum Zugangshaus erwürfelt sind. Irgendwann bekommen sie aber ihre drei bis fünf Ziele zugeteilt, die sie sinnvollerweise in eine Reihenfolge bringen, die Sie einzuhalten haben, komme, was wolle! So gehen Sie vielleicht erst zu ihrem Vollzugsbeamten, um dann im Speisesaal ihre Arbeitstherapie zu erledigen, abschließend kümmern Sie sich um ihre sportliche Ertüchtigung. Ein Wegeplan, der Sie durch das gesamte Gelände führt, der aber oft nicht eingehalten werden kann. Dafür sorgen Siggi, Vollzugskonferenzen und der Haftalltag. Meist sind das Ereignisfelder, die zum Erwerb zusätzlicher EVM‘s führen, aber auch Konsequenzen, wie die eingangs geschilderten, haben. Siggi ist ein Vollzugsbeamter, der für die Drogenkontrollen zuständig ist, auch er wird über Ereigniskarten aktiviert. „Achtung Siggi!“ heißt es dann und Sie müssen stets mit schlechtem Gewissen untertauchen. Siggi und Sie würfeln abwechselnd fünfmal. Schaffen Sie es, sich in einem Hauseingang zu verstecken - Sie erinnern sich, exakte Würfelergebnisse sind nötig! - waren Sie clean und Siggi lässt sie in Ruhe. Erwischt Sie Siggi, was wahrscheinlich ist, da er stets von der Spielfeld-Zentrale aus startet, müssen sie mit ihm zur Urinkontrolle aufs Revier. Auch diese wird würfeln vollzogen. Bei einer 1 - 3 haben sie Glück und dürfen Ihren Weg von Sigis Kammer aus fortsetzen. Falls Sie sich schuldig gewürfelt haben, wird es bitter: Sie kommen in die geschlossene Abteilung, verlieren drei EvM‘s und müssen dann erst einmal zur Suchtberatung, bevor sie an ihre weiteren Ziele denken dürfen.
So schnell wird es also nichts mit der Entlassung aus der JVA Moers, stellen sie sich auf mindestens 90 Minuten Irrungen und Wirrungen ein, die Ihnen den Alltag und den Frust näherbringen, den sie immer wieder erleben, wenn Sie würfelnd von einem Zielhaus stehen. Raus gehts übrigens etwas schneller, sofern sie zusätzliche EvM‘s zur Verfügung haben, die in Wegepunkte umgesetzt werden können. Gute Idee, die Sie sich wahrscheinlich auch schon für frühere Ziele gewünscht hätten.
Endlich raus, werden Sie dann sagen und aufatmen, den Würfel in die Ecke schmeißen und verfluchen. Ob Sie länger in Haft für ein weiteres Spiel bleiben wollen, müssen Sie entscheiden. Ich mag dann doch mehr Ausbruchspiele á la CARTAGENA, bei denen ich das Gefängnis schneller hinter mir lasse.
Titel: OHNE BEWÄHRUNG
Verlag: JVA Moers-Kapellen
Autorin: Katharina Willecke
Graphik:
Spieleranzahl: 2-6
Alter: ab 14 Jahren
Dauer: 90 Min.
Preis: ca. 30 Euro
Spiel 14/2008 R 219/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 3 von 10 Sternen,
das entspricht: Vielleicht nächsten Monat wieder
Mittwoch, 8. Dezember 2021
Surakarta
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Edition SOS Kinderdörfer - Spiele aus aller Welt
Ein stolzes Vorhaben: 20 Spiele aus aller Welt sollen in der Edition SOS Kinderdörfer erscheinen. Fast ein kulturgeschichtlicher Rundgang, den sich Grubbe Media in Kooperation mit SOS Kinderdörfern vorgenommen hat, ein kleiner realer Spaziergang durch einige Highlights aus Gloneggers DAS SPIELEBUCH. Für die Reihe haben Kinder aus aller Welt ihre Lieblingsspiele vorgeschlagen und der Münchner Verlag setzt diese Vorschläge in Etappen um. Die Edition startet mit acht Spielen aus Indonesien, Japan, Kenia, Korea, Mexiko, Rumänien, Sierra Leone und Tahiti.
Gerhard Grubbe zeichnet zusammen mit Björn Hölle verantwortlich für den neuen Verlag. Hölle (HEXENTANZ u.a.) bringt als Spieleautor und Kommunikationsdesigner den nötigen spielerischen Hintergrund für die Entwicklung der Reihe mit. Eigentlich wollte Hölle ein großes Brettspiel rund um die SOS Kinderdörfer entwickeln, übrig blieb die Idee, das Netzwerk der Kinderdörfer mit einer Spielesammlung aus den jeweiligen Ländern zu verbinden.
Ein einheitliches Schachtelformal, zwischen Mitbringspiel und mittleren Familienspiel angesiedelt, ein buntes kindorientiertes Design, kleine Spielpläne und funktionales Spielmaterial, Regeln mit Tipps und Tricks und Hinweisen auch für Varianten zeichnen alle bisher erschienenen Spiele aus. Außerdem enthält jedes Spiel Hinweise auf die soziale Lage der Kinder in den Ländern, aus denen die spiele kommen, manchmal ergänzt durch Geschichten aus einem SOS Kinderdorf. Für 15€ kann man die Spiele erwerben und spendet damit gleichzeitig einen Euro für die SOS Kinderdörfer.
Bekanntes und Unbekanntes enthält die Startedition. So sind viele Klassiker unter den ersten Spielen, zum Beispiel SURAKARTA, ein Muschelduell aus Indonesien. Dort wird es heute immer noch mit Muscheln im Sand gespielt, auf Java steht dieses Muschelduell Synonym für das Spiel und heißt auch so. Der besondere Pfiff von SURAKARTA ergibt sich aus der Schlagregel. Die Spielsteine werden nicht wie im DAME- Spiel übersprungen, sondern müssen genau getroffen werden, wobei der schlagende Stein vorher einen Bogen über einen der acht Spielplankreise geschlagen haben muss. Diese besonderen Spielzüge zeichnet SURAKARTA aus.
Langfristige Vorausplanungen sind schwierig, auch die Konzentration auf das Spielfeld mit seinen Optionen fällt stärker aus als in anderen Spielen, da man auch rücklings über die Kreise geschlagen werden kann. SURAKARTA ist ein durchaus anspruchsvolles Strategiespiel¸ das Ravensburger im Rahmen seiner Casino-Serie schon einmal 1972 herausbrachte.
Bedauerlich ist, dass Grubbe Media sich nicht auch vom Material an die Ursprünge anlehnt, echte Muscheln wären einfach passender gewesen als runde Holzsteine.
Titel: SURAKARTA
Verlag: Grubbe Media – Edition SOS KINDERDÖRFER
Autor:
Graphik:
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: 20 Min.
Preis: ca. 15 Euro
Spiel 3/2010 R 217/2021 Rezension erschien 2010 unter www.spiel-und-autor.de
Dienstag, 7. Dezember 2021
CULEBRA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Edition SOS Kinderdörfer - Spiele aus aller Welt: CULEBRA
Ein stolzes Vorhaben: 20 Spiele aus aller Welt sollen in der Edition SOS Kinderdörfer erscheinen. Fast ein kulturgeschichtlicher Rundgang, den sich Grubbe Media in Kooperation mit SOS Kinderdörfern vorgenommen hat, ein kleiner realer Spaziergang durch einige Highlights aus Gloneggers DAS SPIELEBUCH. Für die Reihe haben Kinder aus aller Welt ihre Lieblingsspiele vorgeschlagen und der Münchner Verlag setzt diese Vorschläge in Etappen um. Die Edition startet mit acht Spielen aus Indonesien, Japan, Kenia, Korea, Mexiko, Rumänien , Sierra Leone und Tahiti.
Gerhard Grubbe zeichnet zusammen mit Björn Hölle verantwortlich für den neuen Verlag. Hölle (HEXENTANZ u.a.) bringt als Spieleautor und Kommunikationsdesigner den nötigen spielerischen Hintergrund für die Entwicklung der Reihe mit. Eigentlich wollte Hölle ein großes Brettspiel rund um die SOS Kinderdörfer entwickeln, übrig blieb die Idee, das Netzwerk der Kinderdörfer mit einer Spielesammlung aus den jeweiligen Ländern zu verbinden.
Ein einheitliches Schachtelformal, zwischen Mitbringspiel und mittleren Familienspiel angesiedelt, ein buntes kindorientiertes Design, kleine Spielpläne und funktionales Spielmaterial, Regeln mit Tipps und Tricks und Hinweisen auch für Varianten zeichnen alle bisher erschienenen Spiele aus. Außerdem enthält jedes Spiel Hinweise auf die soziale Lage der Kinder in den Ländern, aus denen die spiele kommen, manchmal ergänzt durch Geschichten aus einem SOS Kinderdorf. Für 15€ kann man die Spiele erwerben und spendet damit gleichzeitig einen Euro für die SOS Kinderdörfer.
Bekanntes und Unbekanntes enthält die Startedition. So sind viele Klassiker unter den ersten Spielen, zum Beispiel der mexikanische Schlangenkampf CULEBRA. In dieser strategischen Herausforderung belauern sich zwei Spieler mit auf dem Spielplan stehenden Steinen wie zwei kämpfende Schlangen. CULEBRA gehört zur Familie der DAME-Spiele.
Der längliche Spielplan wird zwischen den Spielen aufgeklappt. Jeder erhält 23 Spielfiguren, Holzsteine, die als schmale Kegel daherkommen und wie Zwergenmützen aussehen. Alle Figuren kommen auf die Schnittpunkte des Gitterfeldes, das über zwei Schlangen gelegt ist. Nur drei Felder bleiben frei. Die Spieler ziehen abwechselnd auf freie Punkte. Wird ein gegnerischer Stein übersprungen, kommt er wie bei DAME aus dem Spiel. Auch Kettensprünge sind möglich. Es besteht Sprungzwang.
CULEBRA endet, wenn ein Spieler alle seine Figuren verloren hat oder nur noch so wenig auf dem Spielplan stehen, dass bei drei aufeinanderfolgenden Zügen sich keine Schlagmöglichkeit ergibt. Der Spieler, der die meisten Steine erbeuten konnte, gewinnt in diesem Fall.
Titel: CULEBRA
Verlag: Grubbe Media – Edition SOS KINDERDÖRFER
Autor:
Graphik:
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: 20 Min.
Preis: ca. 15 Euro
Spiel 1/2010 R 217/2021 Rezension erschien 2010 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Montag, 6. Dezember 2021
WORM UP!
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Ein „Luxusgut“
Dunkler Trenchcoat, beiger Hut, eine Zeitung wie ein Taktstock in beiden Händen blickt ein distinguiert lächelnder älterer Herr vor venezianischen Hintergrund. Es ist schon eine Rarität, dass ein Spieleautor auf dem Spielecover zu sehen ist. Die Verbeugung gilt in diesem Fall dem vor fünf Jahren verstorbenen Alex Randolph, der auf ein Wurmgewimmel blickt, das er leider nur in einer Plastikfassung erleben durfte. Abacus widmet WORM UP!, die Wiederauflage von Würmeln (Blatz 1994), dem „Urtypus des Spieleerfinders“.
Da haben wir nicht nur den Urtypus eines Autors, auch die Spielmechanik von WORM UP! hat archetypischer Elemente, die prägend für die Folgezeit waren. Einmal ist da der Verzicht auf ein Spielbrett, die freie Bewegung im Raum. WORM UP! ist ein Wettlauf von Würmern, die aus sieben Holzsegmenten zusammengesetzt sind, die sich schlängelnd fortbewegen, zielgerichtet auf ein vorgegebenes Einlaufband hin, aber auch störend, in die Bewegungsbahnen der anderen hineinkriechend, um diese zu Umwegen zu zwingen. Das zweite typische Randolph-Element würden wir heute als HOLS DER GEIER-Effekt beschreiben. Gemeint ist, dass verdeckte Legen von Zahlenkärtchen, das effektlos bleibt, wenn mehrere Spieler identische Karten legen. In WÜRMELN hat das Randolph noch durch Einstellen eines sechsseitigen Spezialwürfels umgesetzt, nun sind es fünf kleine Pappkärtchen, die Bewegungsweiten von vier bis sieben Wurmsegmenten möglich machen. Das übliche psychologische Spielchen, bei dem ich denke, dass die anderen denken, dass ich Plättchen x nehmen werde, macht den besonderen Reiz des Spiels aus. Das in die Quere kommen, auch die Möglichkeit den Zielbereich zu verändern, sind zusätzliche Aspekte, die zeigen, dass 15 Jahre nach der Erstveröffentlichung diese Idee von Randolph nichts von ihrem Reiz eingebüßt hat. Nichts großes, aber trotzdem immer noch ein unterhaltsames Spiel und eine schöne Reminiszenz an den Altmeister aus Venedig.
Dass dieses kleine Spiel eine Hommage an Randolph ist, wird nicht nur durch das Bild auf dem Cover deutlich, auf der Innenseite der Schachtel finden wir ein bekanntes Randolph-Zitat wieder, das symptomatisch für seine Auffassung vom Kulturgut Spiel ist: „Ich glaube, dass dies der Keim alles wahrhaft Menschlichen ist, und damit auch der Keim der höchsten menschlichen Bestrebungen, vor allem jener, die ich zu den wertvollsten zähle, weil sie keinen Zweck außer sich selbst haben. Sie sind selbst ihr Zweck: Poesie, Kunst, Musik, das Erzählen von Geschichten, reine Mathematik, reine Wissenschaft, Philosophie - alles Luxusgüter des Geistes. Luxus ist etwas, das uns entzückt, das wir besitzen möchten, aber worauf wir auch sehr gut verzichten können. Ohne praktischen Wert auch nicht notwendig zum Überleben. Und Brettspiele? Auch Brettspiele sind Luxusgüter, natürlich eher unbedeutend und nebensächlich, aber im Sinne ihrer Nicht-Nützlichkeit vielleicht die reinsten.“
Haben sie ihre Freude an diesem Luxusgut, lassen Sie die Würmer los!
Titel: WORM UP!
Verlag: Abacus
Autor: Alex Randolph
Graphik: Gabriela Silveira
Spieleranzahl: 3-5
Alter: ab 7 Jahren
Dauer: 15 Min.
Preis: ca. 12 Euro
Spiel 5/2009 R 216/2021 Rezension erschien 2009 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Alex Randolph war der Kosmopolit unter den Spieleautoren. 1922 in Böhmen geboren. Seine Mutter stammte aus Colorado, sein Vater war Russe. Schon als Kind lebte er mehrere Jahre in Venedig, bevor er als Zehnjähriger in ein Schweizer Internat geschickt wurde. Ein Jahr vor dem Zweiten Weltkrieg ging die Familie zurück in die USA. Während des Krieges arbeitete er am Entschlüsseln feindlicher Codes.
Nach dem Krieg lebte er als Werbetexter und Romancier in Boston, bevor er 1961 mit Pentomino-Steinen sein erstes Spiel veröffentlichte. Randolph siedelte dann nach Wien um, spielte dort im Café Hawelka TWIXT mit Herbert Feuerstein, das bald als 3M-Spiel in einer edlen Buchschuberausgabe erschien und ihm einen mehrjährigen Aufenthalt in Japan finanzierte. Mitte der 70er Jahre fand der Spieleautor nach Venedig zurück, wo er 2004 starb.
Anfangs entwickelte er, inspiriert durch die Japanreise, hauptsächlich taktische Spiele für zwei, wie EVADE, BUFFALO und GEISTER. In den 80er Jahren erfand er erfolgreich viele Familienspiele wie SAGALAND, „Spiel des Jahres“ 1981, das er zusammen mit seinem engen Freund Michael Matschoss entwickelte, der sich inzwischen um sein spielerisches Erbe kümmert. Es blieb zwar sein einziges „Spiel des Jahres“, für GUTE FREUNDE (1989) gewann er den ersten Sonderpreis „Kinderspiel“, was er mit LEINEN LOS! 1997 noch einmal wiederholte. INKOGNITO (1988) und VENICE CONNECTION (1996) bescherten ihm den Sonderpreis „Schönes Spiel“.
WÜRMELN erschien nach der Blatz-Ausgabe noch mehrmals in Deutschland. 1996 kam eine Fassung mit kleinen Kamelen und Karawanen-Schlangen als KAMELTREIBER bei MB heraus. Mit schönen Holzteilen setzte Abacus Randolphs Idee 2008 als WORM UP! noch einmal um.
In den 90er Jahren arbeitete Randolph eng mit Johann Rüttinger zusammen. Posthum veröffentlichten Rüttinger und Kathi Kappler 2012 das lesenswerte Buch Randolphs „Die Sonnenseite. Fragmente aus dem Leben eines Spieleerfinders“.
In seinem 68. Lebensjahr wird der Philosoph unter den Spieleautoren mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet, außerdem erhält er 1992 einen Sonderpreis für sein Lebenswerk beim Deutschen Spielepreis. Randolph gilt neben Sid Sackson als einer der ersten Spieleautoren, der seine Leidenschaft zum Beruf gemacht hat. Er hat schon in den 70er Jahren dafür gesorgt, dass Autorennamen auf den Schachteln auftauchten. Das Bild zeigt Randolph während der Preisverleihung mit dem Göttinger SPATZ 1990.
Sonntag, 5. Dezember 2021
WÖRTERKLAUER
SAMMELSURIUM
Ravensburger Traveller-Serie: WÖRTERKLAUER
Neben der Casino-Serie war die Traveller-Reihe in den 70er Jahren besonders beliebt. Sie erschien in zwei Schachtelformaten, zuerst als flache Ausgabe (202x202x28 mm; 1972 und 1973) und als etwas kleinere dickere Schachtel (190x190x36 mm; 1973-1978). Diese Schachtelform setzte sich durch und diente auch der Veröffentlichung weiterer Titel. Zur Serie gezählt werden aber nur Titel mit dem Logo „traveller serie“. Die Spiele in der Reihe waren fast durchweg Spiele für zwei Personen, meist taktische Spiele mit geringem Glücksanteil.
In der Reihe veröffentlichte Alex Randolph die meisten Spiele, zum Teil wie auch in der Casino-Serie unter dem Pseudonym L.W. Bones (PEGGINO). Daneben erschienen Klassikerausgaben wie REVERSI, GO und GOBANG, TANGRAM, SOGO und 3x16, das alte NÜMMERCHEN.
Herausragend sind für mich die Randolph-Spiele WÖRTERKLAUER, BANDA und HEPTA. Immer wieder gut ist RACKO, das es aber auch in vielen anderen Ausgaben von Ravensburger gibt.
WÖRTERKLAUER
Von Randolphs Spiel WÖRTERKLAUER existieren in der Traveller Serie zwei Ausgaben, eine blaue von 1975 und eine braune von 1978, auf die ich mich hier beziehe. In diese Ausgabe hat eine Sanduhr Einzug gehalten, die das Spiel anspruchsvoller werden lässt.
Randolphs Spiel fußt auf den Kreuzwort-Rätseln. Das Spannende an seiner Idee, im Duell muss immer der nachziehende Spieler besser sein als sein Kontrahent. Die 100 Buchstaben sind deshalb auf der einen Seite rot, auf der anderen grün. Wer beginnt, zieht sieben Buchstabenkärtchen aus einem Säckchen, legt dann ein Wort in seiner Farbe. Sein Gegner zieht nur fünf Buchstaben und muss damit mindestens ein neues Wort legen, wobei er auch das vorhandene oder später die vorhandenen verändern darf. Die Buchstaben eines geklauten Wortes werden umgedreht. Nach jedem Zug wird geprüft, von welcher Farbe mehr Steine auf dem Brett sind. Schafft es der aktive Spieler nicht, die Mehrheit zu erreichen, hat er verloren. Man gewinnt auch, wenn man in den 9x8 Kreuzwortraster es schafft, 27 eigene Steine zu platzieren.
Die Sanduhr lässt den Spielern drei Minuten Überlegungszeit, wer schneller ist, kann Chips bis zu einer Maximalzeit von fünf Minuten erwerben. Wer es in der vorgegebenen Zeit nicht schafft, seinen Zug zu beenden hat automatisch verloren. Dass nach der Startsituation die nachzuziehenden Buchstaben erwürfelt werden, gefällt nicht jedem. Wer immer nur wenige Plättchen bekommt, hat es schwer die Dominanz zu erreichen.
WÖRTERKLAUER ergibt durch das ständige Überbietenmüssen trotzdem ein spannendes Hin und Her, das schon sieben Jahre später als JAGO bei Spear eine Neuauflage erlebte, die die Jury „Spiel des Jahres“ mit einer Auszeichnung auf ihrer Auswahlliste würdigte.
Zuletzt ist WÖRTERKLAUER 2015 bei Steffen Spiele erschienen mit Regelvarianten, die Steffen Mühlhäuer ergänzt hat.
Titel: WÖRTERKLAUER
Autor: Alex Randolph
Grafik: o.A.
Verlag: Ravensburger
Spielerzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 10-30 Minuten
Preis: ca. 20 DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 49 – S49/2021
Samstag, 4. Dezember 2021
FIGURE IT
Randolph Revival: FIGURE IT
1975 hat Alex Randolph, der geniale amerikanische Spieleerfinder, der in Venedig lebte und die dortige Autorenszene nachhaltig geprägt hat, DOMEMO, den Vorläufer von FIGURE IT, noch unter dem Pseudonym P. Halvah veröffentlicht. Das anspruchsvolle Deduktionsspiel erschien damals bei Ravensburger in der Mitbring-Serie und ging dort etwas unter. Inzwischen hat es viele Neuauflagen erlebt. Beispielsweise 2009 in Japan, wo es unter den nominierten der Japan Boardgame Prize Voters‘ Selection auftauchte. Als CODE MINE erschien es zehn Jahre später in Korea. Fox Mind brachte es im gleichen Jahr als FIGURE IT heraus, das ist die Fassung, an der sich HUCH! orientiert.
Was ist so besonders an Randolphs Idee, dass sie 46 Jahre überleben konnte? Wie immer bei ihm sind es einfache Regeln und etwas, was die Spieler herausfordert. Hier sind es für die Spieler nicht einsehbare Zahlenplättchen, die vor ihnen stehen und von allen anderen gesehen werden. Deren Zahlencode gilt es mit klugen Fragen zu entschlüsseln. Wichtig ist für alle, das Wissen über die Zahlenverteilung der 28 großen Zahlensteine. Letztlich ist diese ganz einfach zu behalten, denn jede Zahl gibt Auskunft über ihre Häufigkeit, so gibt es beispielsweise die „3“ exakt nur dreimal.
Je nach Spielerzahl kann der verdeckt vor einem stehende Code vier bis sieben Zahlensteine ausmachen. Neben diesen Steinen liegen meist einige offen aus, der Rest, vier oder sieben Steine, verschwindet in der Versenkung.
Wer an der Reihe ist, fragt seinen linken Nachbarn nach einer Zahl zwischen eins und sieben. Hat er diese in seinem Code, muss der Befragte den Stein kippen, sodass die Zahl zu sehen ist. Sollte er mehr Zahlen davon besitzen, muss das nicht mitgeteilt werden, es wird nur ein Plättchen umgedreht. Bei zwei oder drei Spielern, darf bei einer korrekt gesuchten Zahl einmal weitergefragt werden. Bei höherer Spielerzahl kommt der nächste an die Reihe. In dieser Konstellation hat man ja auch nur vier oder fünf Steine vor sich stehen.
Wer zuerst seinen Code knacken kann, gewinnt FIGURE IT nach etwa einer Viertelstunde. Da immer Steine gar nicht zu sehen sind, ist es auch etwas Glück, das man mit seinen Vermutungen haben muss. Wichtig ist, dass man bei höheren Zahlenwerten immer mit einkalkuliert, dass man doch zwei Steine dieser Sorte vor sich stehen haben könnte.
DOMEMO / FIGURE IT ist immer noch spannend, hat aber seine eigentlich geniale Umsetzung in CODE 777 (Jumbo) gefunden, das 1986 zu den Auswahllistenspielen der Jury „Spiel des Jahres“ gehörte. Wer Deduktionsspiele mag, kann aber unbesorgt hier zugreifen, zumal die Umsetzung mit dem Stoffbeutel gut gelungen ist. Im Grunde genommen kann man mit ihm auf die Schachtel verzichten, die notwendige Steinverteilung bei den jeweiligen Spielerzahlen ist dort aufgedruckt, eine sehr praktische Lösung.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: FIGURE IT
Autor: Alex Randolph
Grafik: Alain Dion
Verlag: HUCH!
Spieler: 2-5
Alter: ab 6 Jahre
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 73/2021
Freitag, 3. Dezember 2021
SCHWARZER KATER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Hütchenspiel mit Katz und Maus: SCHWARZER KATER
„Spielen ist Reisen. Für die Dauer des Spiels verlassen wir den Tisch, an dem wir sitzen, das Zimmer, das Haus. Wir betreten ein anderes Land. Die Uhren gehen anders, die Schwerkraft ist aufgehoben, es herrschen eigene Gesetze. Je besser das Spiel umso aufregender die Reise. Mit Geschick und Geduld, mit Frechheit und guten Nerven und mit dem Glück auf unserer Seite erreichen wir das Ziel vielleicht als Erster - Ende der Reise. Wir kehren zurück an unseren Tisch, erschöpft und erholt zugleich, wie das so ist nach einer Reise. Etwas Neues ist uns begegnet. Manchmal sogar sind wir uns selbst neu begegnet.“
Der hier einlädt zu spielerischen Reisen, der Ansprüche stellt ans Niveau von Spielen, verfasst auf seiner Homepage damit ein Leitbild, das an randolphsche Formulierungen erinnert. Wer den Autor kennt - leider sind es noch viel zu wenig, die dies tun – weiß, dass er mit seinen Ideen und der Umsetzung derselben diesem Anspruch gerecht wird. Die Rede ist von Steffen Mühlhäuser, bekannt unter seinem Verlagsnamen Steffen Spiele. Er überzeugt seit 1999 mit kleinen taktischen Schmankerln, klar designed, hochwertig produziert, anregende Einladungen zu Reisen im Mühlhäusers Spielwelten.
Bisher hatte er als Zielgruppe eher erwachsene Spieler vor Augen gehabt. Mit seinem neuen Spiel SCHWARZER KATER hat der aber einen Selbstläufer für Kindergeburtstage erfunden. SCHWARZER KATER besitzt, Mühlhäuser typisch, keinen Spielplan, sondern viel Holzmaterial, das auf dem Fußboden oder am Spieltisch für ein Spielabenteuer vorbereitet wird. Da sind einmal acht Mäusefiguren, die auf eine große Spielerzahl hinweisen. Neben den Mäuserollen ist noch eine Katzenrolle zu vergeben, die die zentrale Aufgabe übernimmt. Der Katzenspieler arrangiert unter fünf Holzverstecken die Spielaufgabe. Er zeigt den Mäusen, wo er ein großes und kleines Käsestück, einen Speckwürfel und ein Stückchen Schokolade und schließlich sich selbst versteckt. Das dann einsetzende Verwirrspiel lehnt sich an das klassische Hütchenspiel der Trickbetrüger auf den Bahnhofsvorplätzen an. Mühlhäusers SCHWARZER KATER verschiebt mindestens zwei Hütchen und stellt danach den Mäusespielern eine Frage. Gesucht wird zum Beispiel die aktuelle Position des großen Käsestücks. Die Mäusespieler platzieren ihre Tierchen vor dem Versteck, unter dem sie den Käse vermuten. Wer richtig rät, erhält zur Belohnung einen Käsewürfel, wer von dem versteckten Kater erwischt wird, muss zwei Würfel abgeben. Eine zweite Runde verläuft nach identischem Schema. Richtig spannend wird die dritte Runde, in der die Geschwindigkeit entscheidet, hier wird dann kräftig gepunktet. Stehen zum Beispiel drei Mäuse vor dem richtigen Versteck, gibt es gleich drei Käsestücke für die erste, zwei für die zweite und noch eins für die letzte Maus. Wer nach den drei Runden den meisten Käse gesammelt hat, gewinnt je nach Spielerzahl nach 10 - 20 Minuten. Da die Katzenrolle sehr gefragt ist, sind Wiederholungsrunden garantiert.
Das vorzügliche Regelwert bietet weitere Varianten und eine schöne Einstimmung mittels der „Kleine(n) Katerschule“. Hervorragendes Spiel, schönes Material, dessen Faszination nicht nur Kinder auf Geburtstagen erliegen, auch Erwachsene spielen gern mit Mühlhäusers Kater Hütchen.
Titel: SCHWARZER KATER
Verlag: Steffen Spiele
Autor: Stefen Mühlhäuser
Graphik: Bernhard Kümmelmann
Spieleranzahl: 2-9
Alter: ab 4 Jahren
Dauer: 10 Min.
Preis: ca. 17 Euro
Spiel 4/2009 R 214/2021 Rezension erschien 2009 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
2003 trat der jetzt 65jährige Steffen Mühlhäuser erstmalig in Essen auf der Spiel auf und zeigte seine wunderbaren Ideen. Sein Hunsrücker Kleinverlag mit der schönen Adresse Krastel, Zum Spielplatz 1, ist seitdem nicht mehr aus der Kleinverlagsszene wegzudenken. Vorher verdiente er mit der Bären-Presse mit handgedruckten Bilderbüchern und Hampelmännern sein Geld.
Mühlhäuser bedient mit seinen Holzspielen konsequent eine Nische, die sich nicht nur auf taktische Zweipersonenspiele reduzieren lässt. Für die großen Verlage lohnt der Markt der abstrakten Taktikspiele kaum. Deshalb können Verlage wie Steffen-Spiele und Gerhards überleben. Steffen-Spiele behauptet sich inzwischen fast 20 Jahre auf dem Markt mit wachsender Fangemeinde im In- und Ausland.
Steffen Mühlhäuser ist mit Leib und Seele Autor und Verleger, der den Publikumskontakt sucht. Sein Verlag ruht zwar inzwischen auf vielen Standbeinen, die wichtigste Rolle spielt der Einzelhandel, wichtig sind aber auch der eigene Internetverkauf, der Großhandel, die großen Messen, der Verkauf von Lizenzen und - von Anfang an eine Herzensangelegenheit für ihn – der Besuch vieler kleiner Märkte. Dafür hat er einen eigenen Stand gebaut, mit dem er vor Corona durch die ganze Bundesrepublik auf Kunsthandwerkermärkten und Musikfestivals tingelte. „Wenn ich da Erfolg habe, dann ist das für mich ein großes Kompliment. Das sind meist Menschen, die sind gar nicht gekommen, um ein Spiel zu kaufen, sondern Ketten oder Töpferware und dann bleiben sie bei mir am Spieltisch sitzen.“ Auf solchen Märkten testet Mühlhäuser auch seine Prototypen.
Ursprünglich waren Steffen-Spiele Veröffentlichungsforum für die Ideen des Autors und Verlegers. Seit 2007 erscheinen Gastautoren im Programm, da taucht sehr früh schon Reiner Knizia (TIKU, 2008) auf, auch Bruno Faidutti (SOLUNA, 2012), Niek Neuwahl (SEDICI, 2011) oder Jaques Zeimet (FINDEVIER, 2010) haben Ideen bei Mühlhäuser veröffentlicht. „Mir gehen die Ideen nicht aus, mir werden aber so viel gute angeboten.“ In der Regel soll es schon jedes Jahr ein Spiel von Mühlhäuser geben, dazu können ein oder zwei weitere Spiele von anderen Autoren ins Programm kommen.
Sein Kinderspiel SCHWARZER KATER wird auf BGG viel zu schwach mit einer 4,9 bewertet (Stand 12.11.21). Die Kinderjury würdigte 2009 das Spiel, es landete auf der Empfehlungsliste.
Das Foto zeigt Mühlhäuser 2005 in Essen.
Donnerstag, 2. Dezember 2021
REISEFIEBER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Weltreise mit Reader‘s Digest
Das REISEFIEBER gepackt hat die Reader‘s Digest-Redaktion, die geschickter als Westermann, eine Spielredaktion eines bekannten Verlages und einen nicht ganz unbekannten Spieleautor mit der Umsetzung beauftragt hat. Die Produktion lag damit im Berliner Hand bei Schmidt Spiele und Hartmut Kommerell.
Noch deutlich größer dimensioniert ist die mit kleinen Kreisen überzogene Weltkarte in REISEFIEBER. Wie die WELTREISE von Westermann ist REISEFIEBER letztlich als Quizspiel angelegt. Die Bewegung der Spielfiguren geschieht aber realer auf der Weltkarte und wirkt sich von der Spielstrategie und der damit verbundenen Spielspannung positiver aus. Die Reisenden erhalten zwischen sieben und 20 Zielkarten je nach Spielerzahl. Auch der Startort wird zufällig vermittelt. Von hier aus muss die Reise über alle Kontinente angetreten werden. Entsprechend der Ziele sollte die Tour logistischen Planüberlegungen folgen, dafür gibt es unterschiedliche Reisemöglichkeiten mit Tickets für Bus, Schiff und Flugzeug, die neben einer normalen Würfelaktion Zusatzbewegungen ermöglichen.
REISEFIEBER ist dadurch zwar ein echtes Laufspiel, letztlich aber auch stark würfelabhängig wie die WELTREISE. Meist wird gewürfelt und die Fortbewegung auf dem Lande, mit dem Bus, auf dem Wasser, mit dem Schiff und in beiden Regionen mit dem Flugzeug über die entsprechenden Feldpunkte vollzogen. Vor und nach dem Wurf dürfen die Tickets eingesetzt werden, von denen jeder am Anfang sich vier aussuchen darf. Sobald ein Ziel erreicht wird, kommen die Quizkarten ins Spiel, die jeweils drei Antwortvorgaben enthalten. Das Pfiffige daran ist, dass die Karte nicht von dem Spieler beantwortet werden muss, der das Ziel erreicht hat, sondern dass die Frage an die Mitspieler gerichtet wird. Für die Beantwortung der Fragen gibt es drei Antwortkärtchen. Bei richtiger Antwort darf ein neues Ticket genommen werden. Auch der Fragende kann ein Ticket gewinnen, wenn er auf die richtige Antwort tippt, müssen alle anderen sie auch richtig haben. Wenn er eine falsche Antwort wählt, erhält er ein Ticket, wenn ebenfalls ein weiterer Spieler diese falsche Lösung getippt hat. Das Spiel endet, sobald ein Spieler in seinem letzten Zielort angekommen ist.
Die Qualität der Quizfragen ist gut, entspricht mindestens dem Niveau der Diercke-Fragen. Hinzu kommt, dass ein Extrastapel von Ereigniskarten, von dem bei einem gewürfelten Fragezeichen gezogen werden muss, eine Reihe von Schätzfragen enthält. Diese Karten können zusätzlich Boni, aber auch Nachteile bringen, manche verlangen kommunikative Leistung, wie einen Kurzvortrag über ein Reiseziel. Das Spielmaterial entspricht dem hohen Diercke-Niveau, führt aber bei dreifach höherer Kartenzahl und größerem Spielplan zu einem doppelt so hohen Preis. REISEFIEBER packt trotzdem die Mitreisenden deutlich mehr als die WELTREISE, die mit der Atlasvariante dafür den Geographieunterricht bereichert.
Titel: REISEFIEBER
Verlag: Reader’s Digest
Autor: Hartmut Kommerell
Graphik: o.A.
Spieleranzahl: 2-6
Alter: ab 12 Jahren
Dauer: 60 Min.
Preis: ca. 60 Euro
Spiel 3/2009 R 213/2021 Rezension erschien 2009 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 55jährige Hartmut Kommerell, der in Berlin lebt und arbeitet, ist spezialisiert auf taktische Schmankerl für zwei Spieler. Kommerell hat rund 40 Spiele veröffentlicht.
DIE SEIDENSTRASSE war 1998 sein erstes großes Spiel. Kommerell engagiert sich über das Spieleerfinden hinaus sehr für die SAZ. Seit 2015 arbeitet er im Vorstand der Autorenzunft mit und ist seit 2017 deren erster Vorsitzender.
Im Bild sehen wir ihn 2005 auf dem Spieleautorentreffen in Göttingen.
Sein Reisespiel wird auf BGG mit einer 5,7 bewertet, allerdings haben nur 7 User eine Wertung abgegeben (Stand 23.11.21).
Mittwoch, 1. Dezember 2021
ON Q
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Pärchenbildung mit Halbedelsteinen: ON Q
In den 90er Jahren erwarteten Käufer von Spielen des Hiku Verlages hochwertige Umsetzungen von Klassikern in Holz. So startete Hiku erfolgreich mit der KALAHA-Variante BAO. Inzwischen ist das Holz durch Leder ersetzt worden, das Spielmaterial sind aber nach wie vor kleine Halbedelsteine. Die runden Leder-Spielpläne eignen sich mittels Randkordel auch perfekt zum Transport der Spielsteine, zusammengezogen wird ein Spiel im Sack daraus, das neue Markenzeichen des Hiku Verlages. Wer will kann die Spiele sich auch in würfelförmigen Holzkästchen verpacken lassen, das rettet die klein gefaltete Spielregel vorm Zerknittern.
Susanne Hiegemann sind bei allen von ihr veröffentlichten Spielideen die natürlichen Materialien wichtig, die in Deutschland verarbeitet werden. Sie setzt auf einfache Spielregeln und erreicht dadurch einen schnellen Spielzugang zu einem meist abstrakten taktischen Spiel, wobei sich die Spannung aus der Qualität der Spielideen ergibt. Spiele, die überall ohne Spieltisch gespielt werden können. Es gibt kein Transportproblem, es gibt kein Platzproblem beim Spielen und eine zweiminütige Regellektüre reicht meist aus, um loszulegen.
Ein typisches Zweipersonenspiel dieser Reihe ist das 2007 veröffentlichte ON Q von Peer Sylvester. Stellen sie sich einen kreisförmigen Spielplan vor, der in zehn gleich große Segmente geteilt ist. Mit im Spiel sind 20 Halbedelsteine, je fünf in vier Farben. Eine Linienbegrenzung ist farblich verstärkt hervorgehoben, eine Grenzlinie zwischen den Kreissegmenten, die als Q-Linie bezeichnet wird.
Mit Spielbeginn werden die Spielsteine ins Spiel gebracht. Bei 20 Steinen und zehn Feldern ist klar, dass in jedes Feld zwei beliebige Steine gelegt werden müssen. Das geschieht abwechselnd. Sind alle Felder belegt, vertauscht der Spieler, der die letzten beiden Steine gelegt hat, zwei Steine. Er muss sich dabei an folgende Regel halten: Getauscht werden dürfen nur Steine von benachbarten oder gegenüberliegenden Feldern. Platzieren und Tauschen bereiten den Abbau der Steine vor, der ebenfalls scheinbar ganz einfach abläuft. Vom Spielplan genommen werden dürfen stets die beiden Steine, die sich auf dem ersten besetzten Feld rechts oder links von der Q-Linie befinden. Im Anschluss darf entweder das folgende Feld ebenfalls noch geleert werden oder, wie oben beschrieben, ein Steintausch vorgenommen werden.
Wozu das Ganze? Der Autor verlangt für den Spielsieg die Ablage der Steine in Form einer Steinschlange, genommene Steine dürfen beliebig an eines der beiden Enden gelegt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Steine mindestens einen farbgleichen Nachbarstein bekommen. In der Endabrechnung werden Steine, bei denen dies nicht gelingt, negativ gewertet alle anderen positiv. Der Spieler mit der höchsten Punktzahl gewinnt.
Vorausschauendes Denken ist die wesentliche Anforderung, die ON Q an die Kontrahenten stellt. Wer nur an sich denkt, spielt meist auch seinem Gegenspieler in die Hände, deshalb müssen die Anlageoptionen des Gegners mit beachtet werden. Wer durch Doppelaufnahmen von Steinen im Vorsprung liegt, kann sich allerdings auch bei einer Schlussabrechnung von zwölf zu acht Steinen locker drei Minuspunkte erlauben. Regelveränderungen drängen sich deshalb geradezu auf. Wir werten die Minussteine inzwischen doppelt. Für die Aufbausituationen bietet sich eine zügige zufällige Verteilung an, wobei der eine aufbaut und der andere entscheiden darf, ob er beginnt oder nachzieht.
Wer ein kleines anspruchsvolles Spiel sucht, das in zehn Minuten vorüber ist, das man aber gleich noch einmal spielen mag, der ist mit ON Q gut bedient. Achten Sie beim Kauf aber auf gute Unterscheidbarkeit der Farben der Halbedelsteine, das ist für dieses Spiel besonders wichtig.
Titel: ON Q
Verlag: Hiku-Spiele
Autor: Peer Sylvester
Graphik: o.A.
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: 10 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 13/2008 R 213/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der Berliner Spieleerfinder Peer Sylvester hat lauf BGG schon fast 40 Spiele veröffentlicht, darunter beim Berliner Bambus Verlag auch eine Reihe von Spielebüchern, von denen mir JAM DUDEL (2005) besonders gut gefällt.
Sylvesters erstes Spiel ist das selbst publizierte DIE HERREN ALLER LÄNDER, das 2004 erschien. Für Hiku hat der Autor neben ON Q noch MONOCHROM (2006) und LEFT & RIGHT (2008) entwickelt.
Zu seinen bekanntesten Spielen gehört WIR SIND DAS VOLK, das er zusammen mit Richard Sivél entwickelt hat.
Sylvester ist außerdem sehr aktiv im Beeple Bloggernetzwerk. Er veröffentlicht auf spielbar.com Podcasts und Rezensionen und schreibt viele Artikel, die über den Tellerrand der Brettspielblase blicken lassen.
Das Bild zeigt Sylvester in seiner Anfangszeit als Autor auf dem Spieleautorentreffen in Göttingen 2005.
ON Q wird auf BGG mit einer Wertung von 6,0 geführt, allerdings nur auf der Basis von einer Wertung.
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