
Alte Schätze neu gehoben
Thorsten Gimmler ist federführender Redakteur für Schmidt Spiele in Berlin. Diese spannende Aufgabe durfte er sicherlich auch deshalb übernehmen, weil er schon seit Ende der 90er Jahre interessante Spiele als Autor veröffentlicht hat. 2017 erlebt er eine Renaissance seiner beiden erfolgreichsten Ideen. DER DIEB VON BAGDAD (Queen Games), der 2007 auf der Nominierungsliste von „Spiel des Jahres“ landete, liegt neu aufgelegt als 12 THIEVES vor. Zwei Jahre vorher erreichte er mit dem Kartenspiel GESCHENKT … IST NOCH ZU TEUER hinter JAMBO den zweiten Platz des Kartenspielpreises der Fairplay. Gleichzeitig wurde sein Spiel von der Jury „Spiel des Jahres“ empfohlen. 2006 war es bei unseren Nachbarn in Frankreich für den „As d’Or“ nominiert.
War GESCHENKT… IST NOCH ZU TEUER bei seiner Veröffentlichung von Amigo 2004 auf das Notwendigste reduziert, nämlich 33 schlichte Zahlenkarten mit den Werten „3“ bis „35“ und 55 rote Plastikchips, kommt SCHÖNE SCH#!?E grafisch aufgepeppter daher. Der Skizzenstil von Dennis Lohausen weckt bewusst Assoziationen. „Ah! Ein neues Greg-Spiel!“ ist der übliche Kommentar bei der Erstbegegnung mit Gimmlers Spiel. Amigo sucht bewusst diese Parallele, indem die SCHÖNE SCH#!?E mit „Aus dem Tagebuch eines Pechvogels“ obertitelt wird. Versteckte sich die Quintessenz der Spielidee vor 13 Jahren nur im Spieltitel, spiegeln die Skizzen-Cartoons in allen Bildern die ganze Tragik. Das hat was und belebt zusätzlich die immer noch geniale Grundidee des Autors, wenn zum Beispiel der einsame Robinson auf Karte 34 ausgerechnet von der Titanic gerettet wird.
Gimmler gelingt ähnlich wie einst Wolfgang Kramer mit 6 NIMMT! das Kunststück, aus minimalem Regelaufwand ein immer wieder spannendes Spiel zu zaubern. In jeder Runde werden die 33 Spielkarten auf 24 reduziert, sodass die drei bis sieben Spieler nie wissen, welche Karten vorhanden sind. Je nach Spielerzahl starten alle mit sieben bis elf Chips, deren Bestand sie tunlichst geheim halten.
In SCHÖNE SCH#!?E geht es darum, Unheil abzuwenden, das heißt, möglichst wenige Karten aufzunehmen. Jeder Punktwert einer Karte bringt am Ende exakt so viele Minuspunkte, es sei denn, die Spieler schaffen es, Kartenfolgen zu ergattern. Wer mit einer „27“ startet, dann aber alle Folgekarten bis zur „22“ bekommt, für den geht nur der niedrigste Wert in die Abrechnung. Positiv bilanziert werden alle noch vorhandenen Chips und die wechseln ständig ihre Besitzer. Denn die einzige Chance, Karten nicht aufnehmen zu müssen, besteht darin, ihnen einen Chip mit auf den Rundenweg zu geben. 30er Werte können so viele Runden wandern, sodass sich dann irgendwann die Aufnahme rechnet. Zumal man weiß, dass die Gegenspieler dann die nächsten Ablehnungsrunden nicht so lange durchstehen können.
Dieses Ablehnen und Anfüttern von Karten ist immer wieder spannend, zusätzlich bleibt ungewiss, ob die gewünschten Folgekarten überhaupt noch auftauchen. Lücken bringen so Bilanzen ganz schön durcheinander. Wenn im obigen Beispiel die „24“ fehlt, dann zählen nicht 22 Minuspunkte, sondern 47 für die Schlussabrechnung. Angestrebte positive Ergebnisse, die selten genug sind, werden so zunichte gemacht. Dieser kurzweilige Spielspaß ist nach wie vor ein idealer Türöffner für Wenigspieler, ein Kartenspiel, das zu den Kultspielen bei Amigo gehören dürfte.
Das alte GESCHENKT … IST NOCH ZU TEUER ist auch nach 13 Jahren international noch sehr beliebt. Auf der Liste der besten Familienspiele bei BGG steht es immerhin auf Platz 73 und liegt damit nur knapp hinter BOHNANZA. Die Neuauflage macht daher Sinn, zumal diese Umsetzung zu viel größerem Vergnügen beiträgt.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: SCHÖNE SCH#!?E
Autor: Thorsten Gimmler
Verlag: Amigo
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 3 - 7 Spieler
Spielzeit: ca. 20 Min.
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 60/2017