
Ist HEAVEN & ALE schon ein Abschiedsgeschenk, das sich Peter Eggert selbst gemacht hat? Widmet sich das Klosterspiel doch hauptsächlich dem Geschäft des Bierbrauens und damit dem eigentlichen Handwerk, das der Verleger Eggert einst erlernte. Der Spielemacher hat Anfang Juli verkündet, dass er und sein Partner Philipp El Alaou den Hamburger Verlag an Sophie Gravel von Plan B Games verkauft habe. Gravel gehörte bis 2016 F2Z Entertainment Inc., eine Firma, die 2002 von ihr in Kanada gegründet wurde und vor allem durch wichtige Marken wie PANDEMIE und WINTER DER TOTEN international Bedeutung besaß. Deshalb passte die Firma gut ins Portfolio des Branchenriesen Asmodee, der sie im letzten Jahr aufkaufte. Gravel investierte neu, gründete Plan B Games und kaufte eggertspiele. Ihr erstes Spiel war CENTURY: DIE GEWÜRZSTRASSE, dessen Vertrieb zu Beginn des Jahres Abacusspiele übernahm. Nach jetzigem Planungsstand soll der Schwerpunkt von eggertspiele im Kenner- und Expertenbereich erhalten bleiben. Zusätzlich arbeitet die Hamburger Redaktion den Kanadiern bei den Familienspielen zu. Der Vertrieb bleibt in den Händen von Pegasus Spiele. Dass Gravel damit einen Volltreffer gelandet hat, beweist AZUL, das in Hamburg vorbereitet wurde und ohne den Verkauf bei eggertspiele erschienen wäre. Das aktuelle Programm steht ganz im Zeichen der Kiesling-Games, der als Sologamer bei AZUL auftritt und als Teamplayer bei REWORLD mit Wolfgang Kramer und bei HEAVEN & ALE mit Andreas Schmidt.
Kiesling und Schmidt entführen in ein mittelalterliches Kloster, zu dessen Selbstversorgungsaufgaben auch das Bierbrauen gehörte. Besonders in Bayern entstanden damals namhafte Brauereien, deren Biere heute noch gebraut werden. Bekannt ist das Kloster Andechs, ich persönlich schätze das Curator aus dem Kloster Ettal. Gebraut mit Quellwasser aus den Ammergauer Alpen und den entsprechenden Anteilen von Braugerste, Hopfen und Hefe entsteht ein vollmundiges dunkles Starkbier. Für ein süffiges Bier in HEAVEN & ALE müssen die Brauer einiges investieren und geschickt Ressourcen und Braumeisterkompetenz voranbringen.
Soweit das ansprechende Thema, das im Spiel dann doch von gut ineinandergreifenden mechanischen Aspekten in den Hintergrund geschoben wird. Im Klostergarten und auf einem Laufplan mit Ressourcen-Plättchen läuft das vielschichtige Brauspiel ab. Auf dem Spielplan liegen die klassischen Rohstoffe für den Brauvorgang als Hex-Plättchen in unterschiedlicher Wertigkeit aus. Zusätzlich gibt es verschiedene Mönche, Wertungsscheiben- und Fassfelder. Über den Rundkurs wandern die Spielfiguren in beliebigen Sprüngen vorwärts. Das Plättchen vom Zielfeld wird aufgenommen, in der Regel bezahlt und dann auf dem eigenen Klosterplan platziert. Die Kosten orientieren sich dabei an der dunklen oder hellen Gartenseite. Die dunkle Seite steht für Gelderwerb und ist wegen ständiger Geldknappheit von großer Bedeutung, die helle Seite bringt Ressourcensteine auf einer Wertungsskala voran, was für die Abschlusswertung von Belang ist, deshalb ist die Platzierung dort doppelt so teuer.
Immer wenn die sechseckigen Plättchen einen Scheunenplatz im Garten umschließen, kommt es zu Wertungen, die Geld bringen, Rohstoffe voran wandern lassen und den eigenen Braumeister auf seinem langen Weg in die Fasskellerei vorwärts bringen. Hilfreich sind Sonderwertungen zu Rohstoffen und Mönchen, die ebenfalls Geld bzw. Rohstoffwanderungen bringen und außerdem in Kombination die Aktivierung von Privilegien zur Folge haben. Nach drei bis sechs Runden ist der Klostergarten fast voll und das Spiel vorüber. Im Duell passiert das recht schnell und dauert nur 45 bis 60 Minuten, in Vollbesetzung zu viert muss man eher mit 90 bis 120 Minuten rechnen.
Gewöhnungsbedürftig ist anfangs die Schlussbilanz. Die Position des Braumeisters ist mit einem Tauschverhältnis angegeben, das im besten Fall 1:1 auf Feld 20 und im schlechtesten 5:1 beträgt. Passend zu dieser Relation wird die Position der Rohstoff-Marker angeglichen. Der niedrigste Wert wird mit dem Siegpunktwert des Braumeisters multipliziert und ergibt die Siegpunkte, zu denen Fasswertungen hinzukommen, die während des Spiels beim Erreichen von Zwischenzielen zu gewinnen waren.
Diese scheinbar vielschichtige Schlusswertung kapiert bei der Spielerklärung kaum einer. Die Autoren hätten zugänglicher die EINFACH GENIAL-Regel gelten lassen können, dass der niedrigste Ressourcenwert gilt, der dann mit dem Braumeisterwert multipliziert wird. Das hält aber keinen Mitspieler bisher davon ab, nicht nach Wiederholungsrunden zu verlangen. Beim Aufbau des Klostergartens machen die Spieler in der ersten Runde in der Regel noch Fehler und das Timing können sie ebenfalls optimieren. Auch die scheinbare Geldknappheit lässt sich durchaus bekämpfen. Vor allem den Einsatz der Mönche muss man gut planen und auf Mehrfachwertungen setzen.
HEAVEN & ALE lebt von den ständigen Querelen mit den Partnern bei der Aufnahme der Plättchen. Die scheinbare Beliebigkeit bei der Zugweite ist doch stets ein Kampf um Positionen, da geht es manchmal um teure Plättchen oder die Billigheimer, deren Erwerb nicht nur bei knapper Kasse Sinn macht. Spätestens ab der zweiten Runde ist ein harter Kampf um die Wertungsfelder angesagt, da alle versuchen, möglichst neun, besser zehn Wertungen unterzubringen. Spielentscheidend ist oft die Position des Braumeisters. Wer es schafft, diesen auf Feld 20 zu bekommen, ist meist der Gewinner des Spiels. Garant dafür sind zwei oder drei billige Scheunenfelder, die mit Einer-Plättchen und Mönchen umschlossen werden. Anderseits braucht man zusätzlich hochwertig gebaute Scheunen, die viel Geld und große Rohstoffsprünge bringen.
HEAVEN & ALE ist taktisch ein Leckerbissen oder besser ein ganz rundes Gesöff. Optisch sagt die dunkle Grundtönung vielen Spielern nicht so zu. Auch der Klostergarten könnte stabiler sein, so richtig gefällig ist er nur auf seiner Rückseite, die das Glasbild des Covers aufgreift. Das Spiel macht in jeder Besetzung Spaß, gefällt mir aber besonders gut beim Brauer-Duell, das viel zügiger als die Vollbesetzung abläuft. Darauf lässt sich gut anstoßen!
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: HEAVEN & ALE
Autoren: Michael Kiesling und Andreas Schmidt
Verlag: eggertspiele (Plan B Games) / Vertrieb: Pegasus
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4 Spieler
Spielzeit: ca. 60 - 120 Min.
Preis: ca. 40 Euro
Spiel 78/2017