Samstag, 23. Dezember 2017
LORENZO DER PRÄCHTIGE
Der vierzigjährige Simone Luciani aus Fermo an der adriatischen Küste zeichnet verantwortlich für wahrlich prächtige Spiele. An erster Stelle muss ich sein grandioses TZOLK’IN aus dem Jahre 2012 nennen, nicht weit dahinter rangiert MARCO POLO (2015). Als Designer der mailändischen Firma Cranio Creations darf er inzwischen eigene Spiele verlegen. LORENZO DER PRÄCHTIGE, das er zusammen mit Virginio Gigli und Flaminia Brasini 2016 veröffentlicht hat, gehört mit in die gehobene Kategorie historischer Spiele.
Florenz bietet aktuell wieder einmal den historischen Hintergrund für anspruchsvolle Brettspiele. Kämpfen in CALIMALA die Zunfthandwerker der Tuchgilde gegeneinander, sind es bei LORENZO die wahren Adelsfamilien, Medici &. Co, deren Konkurrenzkampf das Spielgeschehen prägt. Obwohl wir uns in den obersten politischen Kreisen bewegen, die Päpste und Königinnen hervorbrachten, geht es spielmechanisch verdammt demokratisch zu.
LORENZO DER PRÄCHTIGE ist ein klassisches Worker-Placement-Spiel, in dem zwei bis vier Akteure, vier Arbeiter zum Einsatz bringen. Das Besondere dabei ist, dass ganz egalitär alle Arbeiter über identische Stärke verfügen. Dazu werden zu Rundenbeginn drei Würfel geworfen, wobei das Ergebnis für jeweils drei farblich passende Familienmitglieder die Runde über gilt. Eine vierte Figur ist wohl der ungeliebte Cousin, er ist neutral und hat stets nur „0“ Würfelpunkte. Aufwertungen dieser Figur und auch der anderen sind mit Hilfe violetter Assistenten möglich, von denen jeder anfangs drei besitzt. Die Figuren setzen die Spieler zum Kartenerwerb und zum Ressourcengewinn ein, um in sechs Spielrunden tunlichst viele Sieg-, Militär- und Glaubenspunkte zu erreichen.
Entscheidend ist hauptsächlich der Kartenkauf, für den neben sich steigernden Würfelpunkten Geld, Rohstoffe und Militärpunkte nötig sind. Die sogenannten Entwicklungskarten warten in vier Türmen auf Käufer. Erworbene Karten kommen in eine eigene Auslage. Da gibt es grüne Landschaftskarten, die überwiegend Ressourcen, aber auch Militär- und weitere Punkte bringen, die durch Ernteaktionen aktiviert werden. Mit gelben Gebäuden können günstige Tauschaktionen für Sieg-, Kirchenpunkte und Gelderwerb in Gang gesetzt werden. Diese korrelieren häufig mit den restlichen beiden Kartenarten, die neben den eigenen Tableaus gesammelt werden. Da sind blaue Personen, die Soforteffekte und Siegpunkte am Ende bringen, wie die violetten Wagniskarten, für die die Spieler militärische Punkte investieren müssen.
Da die Wurfergebnisse für alle gelten, ist oft die Zahl der Assistenten entscheidend, bei welchen Karten man zugreifen kann. Niedrige Ergebnisse schränken die Optionen deutlich ein, da jeweils die beiden höchsten Karten Wurfeinsätze von „5“ und „7“ verlangen. Ohne violette Assistenz geht damit ganz oben gar nichts. Zusätzlich verstärkt die Gleichmacherei bei den Würfeln die Bedeutung der Spielreihenfolge, die man über Aktivitäten im Palazzo Vecchio verändern kann. Wer zuerst in einem Kartenturm zuschlägt, verteuert alle nachfolgenden Käufe um drei Münzen. Vergleichbare Konsequenzen gibt es auf Ernte- und Produktionsfeldern, die für die Erträge von grünen und gelben Karten wichtig sind. Auch die maximal vier Marktfelder sind unterschiedlich attraktiv, sodass hier ebenfalls die Reihenfolge Bedeutung besitzt. Ohne Einsatzchance bleibt man fast nie, geringere Boni gibt es immer im Ratspalast. Dort holt man sich die nötige Glaubensstärke, die nach jeweils zwei Runden auf dem Prüfstand steht. Wer die Zweifel der Kirche erweckt, wird exkommuniziert und mit erheblichen Bußen belegt, die man nicht wieder los wird. So kann schon nach der ersten Phase Schluss mit den identischen Wurfergebnissen sein, da ein Gebannter danach stets einen Würfelpunkt abziehen muss. Bei jedem Handicap ist zu überlegen, ob man nicht doch alles daran setzt, um sich der Kirche gefügig zu zeigen. Manche hartgesottenen Ketzer nehmen geduldig die Strafen auf sich und wandern trotzdem auf der Glaubensleiste voran. Mit 15 Glaubenspunkten winken ihnen 30 Siegpunkte in der Endwertung.
Einerseits gaukelt LORENZO Vielfalt vor, anderseits kämpfen alle ständig gegen Engpässe, auf die sie Antworten suchen. Da fehlen die violetten Assistenten, meist fehlt das Geld, oft bestimmte Rohstoffe. Die militärische Stärke muss vorangebracht werden, weil von ihr die Ablage mehrerer grüner Karten abhängig ist. Vielfach können die siegpunktträchtigen Wagniskarten nur mit vielen Militärpunkten eingekauft werden. Alles ist irgendwie wichtig und braucht daher Überlegungszeit. Im Endeffekt besitzt jeder nur 24 Aktionen, für die zwei Spieler maximal 60 Minuten brauchen. In Vollbesetzung zu viert können die zwei Stunden aber durchaus überschritten werden. Mit Grüblern am Tisch kann LORENZO 150 Minuten dauern. Zur Beschleunigung empfehle ich möglichst schon ab dem zweiten Spiel mit den Regelerweiterungen zu spielen. Vor allem die Anführerkarten bringen Effekte, die viele Engpässe aufheben und zur Not dazu dienen, der Exkommunikation zu entgehen.
Das Cover gefällt mir ausgesprochen gut. Ansprechend ist auch die Spielplanabdeckung für weniger als vier Spieler geregelt. Die Spielregel könnte optimiert werden, auch ikonographisch gibt es Verbesserungen. Trotzdem habe ich keine Spielrunde erlebt, die sich nicht noch einmal dem Wertungskampf von LORENZO aussetzen möchte. Die hohe Varianz der Kirchenstrafen, die unterschiedlichen Positionierungen attraktiver Karten erhöhen den Widerspielreiz. An TZOLK’IN reicht das Florenz-Spiel des italienischen Autorentrios zwar nicht heran, spielt aber durchaus in der MARCO POLO-Liga mit.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: LORENZO DER PRÄCHTIGE
Autoren: Virginio Gigli und Flaminia Brasini mit Simone Luciani
Verlag: Cranio Creations und Asmodee
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4 Spieler
Spielzeit: 60 -120 Min.
Preis: ca. 50 Euro
Spiel 80/2017
Kommentare
Ansicht der Kommentare:
(Linear | Verschachtelt)
Die Kommentarfunktion wurde vom Besitzer dieses Blogs in diesem Eintrag deaktiviert.
LORENZO DER PRÄCHTIGE, MAESTRO LEONARDO, EGIZIA und ganz neu COIMBRA solche hochkarätigen Spiele müssen es schon sein, wenn sich Virginio Gigli und Flaminia Brasini ans Spielerfinden machen. Irgendwo läuft es mindestens im Kenn
Aufgenommen: Mär 07, 09:46