Sonntag, 21. Januar 2018
TIEFE TASCHEN
„Demokratie bedeutet nicht, dass alle zufrieden sind…“, so lautet der Untertitel zu Fabian Zimmermanns JUNTA-Variante TIEFE TASCHEN. Wie wahr, im Augenblick dürften die Unzufriedenen eine klare demokratische Mehrheit haben. Die Berliner Schaubühne übertrumpft die Spielsatire des jungen Autors. Da knicken CSU-Politiker vor der Chemie- und Autolobby ein, da verhindern private Krankenkassen mit Unterstützung der Union die Bürgerversicherung. An Parlamentsreform ist überhaupt nicht zu denken, ist doch dieses größte nationale Parlament der Welt eine herrliche Versorgungseinrichtung für Parteimitglieder. Eigentlich dürften nur 598 Abgeordnete im alten Reichstag sitzen, nach der Wahl im September 2017 sind es aber 709. Da greifen die Parteien ganz tief in die Taschen des Staates, sprich in unsere. Der Bund der Steuerzahler rechnet mit rund 300 Millionen zusätzlichen Kosten für die nächsten vier Jahre.
Zimmermanns Spiel ist ein Abbild korrupter Politik. Mindestens vier, maximal acht bestechungsfreudige Politiker müssen beteiligt sein. Jeder beginnt mit einem Startvermögen von neun Millionen, fünf identischen Aktionskarten, zwei Bestechungsmarkern und einer Schnüffler-Figur. Ein Spieler übernimmt die Rolle des Präsidenten, der vom Geldkartenstapel eine der Spielerzahl entsprechende Anzahl von Geldkarten aufdeckt. Im unteren Drittel dieses Stapels ist nach spezieller Vorgabe eine Karte Staatsbankrott eingeschoben, die das Spielende herbeiführt.
Der aktuelle Boss verteilt die aufgedeckten Gelder nach Gusto. Will er sein Amt behalten, muss er sich Freunde schaffen, denn nach der Verteilung agieren alle gleichzeitig. Sie dürfen mit ihren fünf Aktionskarten das Angebot akzeptieren, es ablehnen, Erpressungsversuche starten und diese abwehren, schließlich könne sie auch noch in die Staatskasse greifen. Zusätzlich zu den Aktionskarten dürfen Schnüffler und Bestechungsmarker vor Kontrahenten platziert werden. Dabei kann mit Geld um Zustimmung oder Ablehnung geworben werden.
In der anschließenden Phase werden losgehend mit dem Präsidenten die Aktionskarten umgedreht, gleichzeitig wird überprüft, ob Bestechungsbedingungen eingehalten wurden. Der Präsident bleibt im Amt, wenn er mindestens ebenso viele Zustimmungen wie Ablehnungen erhalten hat. Damit bleibt es auch bei der vorgesehenen Geldverteilung. Findet er keine Mehrheit, wird er aus dem Amt gejagt und bleibt diese Runde ohne Einnahmen. Derjenige, der als erster gegen ihn gestimmt hat, wird sein Nachfolger und verteilt das Geld neu. Bekommt er ebenfalls keine Mehrheit, reduziert sich die Zahl der an der Verteilung Beteiligten weiter, bis der neue Präsident im Amt bestätigt wird. Nach einer schnellen halben Stunde steht meist der Bestechungskönig fest.
Die Kurzbeschreibung spiegelt bei weitem nicht die knisternde Spannung nach der Verteilungsrunde wider. Fünf Aktionen sind eben mehr als Zustimmung oder Ablehnung zu einem Geldangebot. Da können Erpressungen mit Hilfe des Schnüfflers angedeutet werden, was Abwehrreaktionen hervorruft, die vielleicht unnötig sind, da nur geblufft wurde. Beim Griff in die Staatskasse kommt nur der Erste zum Zug, alle anderen gehen leer aus. Aber spielen die vor einem sitzenden Spieler auch diese Aktion? Da gilt es viel abzuwägen und es geht meist um mehr als die Präsidentenrolle. Wir kennen die Machtkämpfe aus der Bananenrepublik von Eric Goldberg & Co., die in JUNTA seit fast 40 Jahren korrumpieren und sogar vor Attentaten nicht zurückschrecken. JUNTA ist viel komplexer als TIEFE TASCHEN, dauert auch länger. Die abgespeckte Fassung von Fabian Zimmermann bietet kurzweiliges Vergnügen für kommunikationsfreudige Runden, die den ein oder anderen Puff vertragen.
Die Umsetzung ist für ein Kleinverlagsspiel, das über Startnext finanziert wurde, sehr ordentlich. Geldkarten in der Qualität das alten FORMEL 1-Spiels von ASS, klare Übersichten, praktisches Material mit guter Ikonographie überzeugen. Was mir allerdings nicht gefällt, ist die grünliche Verhunzung meiner obligatorischen Spielerfarbe. Die Bestechungsmarker sind als Rohlinge noch wunderbar sonnig, mit den aufgeklebten Markern wechseln sie aber ins Grünliche, was einfach nur schrecklich aussieht. Leider spiegelt sich das auch auf den entsprechenden Rückseiten der Aktionskarten wider, das ist dann nur noch ein Kanzlerin-Kostüm. Wie lange sie sich noch im Amt halten wird, werden die nächsten Wochen zeigen. Da zucken die von der Leyen, Klöckner und Kramp-Karrenbauer wahrscheinlich schon mit Ablehnungsmarkern in ihren Fäusten.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: Tiefe Taschen
Autor: Fabian Zimmermann
Grafik/Design: Christian Opperer
Verlag: Fobs Games
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 4 - 8 Spieler
Spielzeit: ca. 20 - 50 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 6/2018
Trackbacks
Trackback-URL für diesen Eintrag
Keine Trackbacks
Kommentare
Ansicht der Kommentare:
(Linear | Verschachtelt)
Die Kommentarfunktion wurde vom Besitzer dieses Blogs in diesem Eintrag deaktiviert.