Meine Zeit im Osten endete im August 1958. Eigentlich war ich von einem Geburtstagsausflug in den Tierpark Berlin (Ost) ausgegangen. Gesehen habe ich dann aber nur den Bahnhof Zoo in Westberlin, an dem wir ausstiegen, nach einer kurzen S-Bahnfahrt von Bahnhof Friedrichstraße aus. Dort eröffneten mir meine Eltern, dass wir nicht mehr nach Thüringen zurückkehren würden. Erinnern kann ich mich nicht mehr daran, angeblich sei ich in Tränen ausgebrochen, hätte meiner Briefmarkensammlung hinterhergejammert und wollte gar nicht in den goldenen Westen. Vor 1961 verlief die „Flucht“ für Viele so undramatisch wie bei uns damals, die Viersektorenstadt Berlin war offen in beide Richtungen. Hundertausende, vor allem junge Menschen, verließen auf diesem Weg die DDR, bis der Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht, sein Versprechen brach, dass niemand die Absicht habe, eine Mauer zu errichten.
Der Neuanfang war nicht einfach für uns. Zwei Koffer hatten wir mit, natürlich ohne Briefmarkensammlung und Spiele. Von dem, was uns damals gehörte, sahen wir nichts mehr. Die Wohnung wurde versiegelt und letztlich alles versteigert, was nicht vorher in Stasihände gelangt war, wir waren als Republikflüchtlinge ja zu Staatsfeinden geworden.
Im Westen war damals noch Schuljahresstart nach Ostern, in der DDR im August. Das brachte mir mein erstes Kurzschuljahr, da ich ein halbes Jahr übersprang. Das wiederholte sich dann ganz offiziell Mitte der 60er Jahre als auch die meisten Bundesländer ihren Schulbeginn umstellten. Ohne es zu wollen, wurde meine Schulzeit bis zum Abitur dadurch schon in den 60ern auf 12 Jahre verkürzt.
Über einige Umwege gelangten wir in eine südniedersächsische Kleinstadt mit langer Brautradition, was sich später für Ferienjobs als günstig erwies. Das sonntägliche Spielen wurde immer noch gepflegt, beschränkte sich aber weitgehend auf Canasta und Rommé. Spiele der 60er Jahre lernte ich damals durch meine Mitgliedschaft in der Evangelischen Jungenschaft kennen. Die Gruppe hatte für damalige Verhältnisse eine ausgesucht gute Spielesammlung und die Gemeinde war so spendabel, dass jedes Jahr neue Spiele angeschafft werden konnten. Mich begeisterten ÖL FÜR UNS ALLE, STRATEGO, WILD LIFE und WILD WEST und wir spielten Fußball auf dem Tisch mit TIPP KICK und DER MITTELSTÜRMER BIST DU. Ravensburger dominierte zwar den Markt, aber Schmidt hatte Lizenzen von MONOPOLY, RISIKO und CLUEDO. Ich liebte die Würfelorgien von RISIKO, war aber auch als Monopolist unterwegs.
Bildtechnisch sind die alten Spiele alle in Bayern. Ich kenne aber einen ehemaligen Jury-Kollegen, der sich fast nur noch zwischen solchen alten Spiele-Schätzen bewegt. Andreas Mutschke hat seine Liebe zum Beruf gemacht, er handelt mit alten Spielen und er repariert sie sogar. Ein Blick auf seine Seite Vintique-Toys lohnt immer. Da er sich sehr gut auskennt, wird er sich sicher auch der Herausforderung von zehn Spielen in zehn Tagen stellen. Als Bild und Spiel für diese Phase wähle ich einen Flohmarktfund vom Wochenende. Stefan Gohlisch, deine Nominierung hat mich seit Jahren einmal wieder zu einem Flohmarkt geführt, was durchaus Erinnerungen geweckt hat, da die ersten Spiele meiner Spielesammlung ab den 70er Jahren fast nur von Flohmarkt am Hohen Ufer in Hannover stammten. PHILATELY von Schmidt ist zwar von 1973, passt aber zu den Spieletypen der 60er Jahre. Heute würden wir sagen Set-Collection mit Versteigerungselementen. Das Spiel ist gar nicht so schlecht und passt gut zu mir, da ich ja immer noch meiner Briefmarkensammlung in Thüringen nachtrauerte.