
Küstennah, unweit von Arle, dem Ort mit der St. Bonifatius-Kirche, in der Uwe Rosenbergs Vater getauft wurde, liegt DAS TIEFE LAND. Fruchtbares Weideland, auf dem die Schafe blöken. Eine grüne Idylle, toste nicht draußen auf der mörderischen Nordsee die nächste Sturmflut heran. Halten die Deiche? Oder haben sich die Züchter wieder einmal mehr um ihre Schafe als um den Deichbau gekümmert?
Was nach einem Rosenberg-Thema klingt, wird immerhin von ihm empfohlen. Ausgestattet mit dem Siegel der „Rosenberg Collection“ haben Claudia und Ralf Partenheimer ihren Spieleerstling bei Feuerland unterbringen können.
Vieles klingt bekannt. Worker Placement mit drei Bauern unterschiedlicher Stärke in überschaubaren fünf Aktionsbereichen, die zudem noch konkurrenzlos zu nutzen sind, da jeder diese Felder auf seinem eigenem Hofplan besitzt. Da können die Schafzüchter ihren Hof ausbauen, Zäune ziehen, damit kein Schaf wegläuft, diese wolligen Tiere kaufen oder verkaufen und sich um Baustoffe und den Deichbau kümmern.
Alle wissen, am Ende gibt es Siegpunkte für viele Schafe, viel Geld und für Hofausbauten. Die alternative Berechnung für die Deichausbauten machen die Schlussrunde und die Endbilanz besonders spannend. Dreimal kommt Hochwasser auf den schützenden Deich zu, jedes Mal wird überprüft, ob die Wassermengen den Deich überspülen. Hält der Damm, werden die mit Geld belohnt, die viel zum Deichbau beigetragen haben. Bricht er, bekommen alle, die wenig getan haben, Deichbruchmarken. Das kann unproblematisch sein, da diese Plättchen folgenlos bleiben, wenn am Ende bei der großen Sturmflut der Deich hält. Bricht er auch dann, verlieren alle Spieler für jeden Marker ein Schaf, was sogar Geld kostet, wenn die Schafe nicht ausreichen.
Wenn alle nur an Schafzucht und Weidenlogistik denken müssten, dann wäre DAS TIEFE LAND ein langweiliges Agrarspiel. Die Deichproblematik macht es zu einem psychologischen Pokerspiel bei der Deichbaubeteiligung. Das ergibt eine durchaus eigennützige Semikooperation, die ich in dieser Form noch nicht erlebt habe. Oft sind Beteiligungsschübe festzustellen. Wer bis zum ersten Hochwasser besonders aktiv war, wird sich dann erst einmal zurückhalten und Schafzucht betreiben. Werden früh schon Bruchmarken verteilt, ist das Risiko hoch, dass der Deich auch am Ende nicht hält. Ständig wechseln die Koalitionen und es bleibt meist bis zum Schluss spannend, ob nun der Deich hält oder nicht.
DAS TIEFE LAND wirkt vom Thema, das Feuerland sowohl grafisch als auch vom Material her atmosphärisch dicht umgesetzt hat. Allein Andrea Boekhoffs Titelgrafik liefert die passende Stimmung. 85 Holzschafe, Flutsteine und Deichteile, viele Zäune und schöne Bauernfiguren sorgen für das nötige Ambiente. Der Spielablauf wird gut strukturiert über eine Spielübersichtstafel, die jeder erhält, und über den Hof- und Spielplan. Nicht immer eingängig sind allerdings sämtliche Funktionen der Hofausbauten, dafür gibt es aber ein ausführliches vierseitiges Beiblatt.
Mich begeistert dieses Wechselspiel von Ebbe und Flut, Schaflogistik und Deichbau, stets mit Blick auf den Nachbarn. Gerades deshalb stören mich inhaltliche Brüche, die sich zwar spielmechanisch erklären lassen, aber unlogisch sind. Eigentlich hätten die Partenheimers aus der halben Kooperation für das Ende eine volle machen müssen. Denn wenn der Deich bricht, kommt das Wasser auch über die Schafherden der braven Deichbauer, da kann doch nicht mit Deichbruchmarkern bilanziert werden, der Blanke Hans wird überall wüten. Unlogisch erscheinen mir auch die sortenreinen Deichausbauten. Nur Holzabschnitte oder welche aus Lehm oder Stein werden nicht einmal kleine Sturmfluten an der Nordsee überstehen. Spielmechanisch macht das Sinn, spielthematisch nehme ich es letztlich in Kauf, weil DAS TIEFE LAND mir genügend Abwechslung im Worker Placement-Alltag bietet und die Partenheimers hier wirklich Neuland beschreiten.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: DAS TIEFE LAND
Autoren: Claudia und Ralf Partenheimer
Grafik/Design: Andrea Boekhoff
Verlag: Feuerland
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4
Spielzeit: 50 – 100 Min.
Preis: ca. 49 Euro
Spiel 69/2018