Der japanische Autor Masato Uesugi ist vielen Brettspielfreunden von
WELCOME TO THE DUNGEON bekannt, das iello vor drei Jahren nach Deutschland brachte, damals noch via Heidelberger.
VORPALS, Uesugis erstes Spiel, ist etwas älter und erschien im Eigenverlag 2010. Er griff damals wahrscheinlich als erster Apologet das Drafting-System von 7 WONDERS auf. VORPALS ist nichts anderes als der Vorläufer von PAPER TALES, das Matthias Nagy nach Deutschland geholt hat und jetzt zusammen mit Pegasus und seinem Verlag Frosted Games vertreibt. Die phantasievollen erzählerischen Komponenten, die Titel und Cover versprechen, steckten auch schon im Ursprungsspiel. Der Begriff „Vorpals“ stammt aus „Jabberwocky“, einem berühmten Unsinn-Gedicht von Lewis Caroll, das nur so von Wortschöpfungen strotzt. Dort tauchen ein „vorpal sword“ und ein „vorpal blade“ auf. In deutscher Übersetzung von Christian Enzensberger ist es übrigens ein „scharfgebifftes“ Schwert in dem Poem „Der Zipferlake“.
Warum ich mich so lange mit der Vorgeschichte aufhalte, werden Sie sich jetzt fragen? Da reicht der Blick auf den Geschichtenkönig von Christine Alcouffe, deren Coverentwurf zu den schönsten der letzten Jahre gehört. Da tauchen Zipferlake, Pluckerwank, Schnatterrind und Fliegelflagel leibhaftig auf, da will man eintauchen in das Spielgeschehen, auf das hier Appetit gemacht wird.
Ich gestehe gleich am Anfang, die erzählerische Spannung löst PAPER TALES nicht ein. Dafür entwickelt Uesugi durchaus Spielspannung über einhundert Spieljahre in vier Runden hinweg. Der Autor reduziert sein Drafting-Spiel auf den Aufbau eines rudimentären Königreiches, anfangs nur in einem 2x2-Raster mit Kriegern, Bauern, Arbeitern und mythischen Wesen. Nur wenige Gebäude finden Platz in dem Minireich, mindestens an Kasernen und Tavernen sollte man aber Interesse haben.
PAPER TALES lebt von der hohen Varianz der Einheitenkarten, deren Abstimmung, Stärke und Aufbaukraft der Reiche ausmachen. Ganz vorne müssen sich die kampfstärksten Einheiten einreihen, denn deren Stärke wird mit dem rechten und linken Nachbarn verglichen und bringt im Siegesfall drei Legendenpunkte. Dahinter stehen Figuren wie das „Kind des Waldes“, die für Ressourcen sorgen, die für den Bau der Gebäude gebraucht werden. Einhundert Spielejahre gehen nicht faltenfrei an unseren Untertanen vorbei. Nach jeder der vier Runden altern sie und nur in seltenen Fällen werden sie älter als 50 Jahre. Dieser Generationswechsel sorgt für viel Abwechslung, bremst Spieler mit guten Anfangsvoraussetzungen auch wieder aus.
Die immer wieder neue Spannung bei PAPER TALES ergibt sich aus dem einfachen Spielablauf und der reizvoller Kombinationen unterschiedlicher Karten. Militärische Stärke ist nicht alles, aber nur Niederlagen darf keiner einfahren. Sehr früh muss ein aufgewertetes Gebäude her, denn damit wächst das Königreich und eine zusätzliche Person findet Platz in der ersten Kampfreihe. Die Wahl der Gebäude, oft abhängig von den vorhandenen Ressourcen, prägt meist die jeweilige Spielstrategie. Stadt und Mine sorgen für Bergleute und Höhlengeister in der eigenen Auslage, zum Tempelbau reicht das auch stets.
Wenn ich mich begeistert zum Cover geäußert habe, dann relativiert sich das Ganze, wenn die Grafik gezoomt auf den Spielkarten zu sehen ist. Das ist dann doch ein sehr grober Pinselstrich, der nur bedingt gefällig rüberkommt. Ikonographisch, durch gute Spielhilfe unterstützt, sind Ablauf und Kartenbedeutungen schnell verinnerlicht. Ab drei Spielern stelle ich mich gern morgen wieder den einhundert Jahren in PAPER TALES, zu zweit reizt mich das höchstens im Januar wieder.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: PAPER TALES
Autor: Masato Uesugi
Grafik/Design: Christine Alcouffe
Verlag: Frosted Games / Pegasus Spiele
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2 - 5
Spielzeit: 30 – 45 Min.
Preis: ca. 29 Euro
Spiel 70/2018