
Schätzleisten wie im MASS ALLER DINGE tauchten meiner Meinung nach erstmalig in einem ganz frühen Rosenberg-Spiel auf. 1992 veröffentlichte er TIMES bei Salagames, ein Spiel, bei dem man ein historisches Ereignis weiter oder ganz eng einordnen konnte. Ganz frei von Maßstäben funktionierte dies auch in SCHÄTZEN SIE MAL von Reinhard Staupe.
Die österreichischen Autoren Steinwender und Puhl, die schon seit 2005 gemeinsam Spiele veröffentlichen, bemühen beim MASS ALLER DINGE weniger die Historie als alle möglichen abgedrehten Bereiche, die sich irgendwie für Schätzungen eignen. Da kommen so verrückte Fragen wie die zur Waschmaschine heraus. Schon seit dem 17. Jahrhundert wird sie ständig weiterentwickelt, wie viele Patente sind nur in den USA zwischen 1790 und 1975 registriert worden?
Die Fragekarte verweist schon auf die Dimensionen, in denen wir uns hier bewegen. Skaliert ist sie zwischen 0 und 20.000. In der Mitte liegt eine entsprechend farblich abgestufte Skala aus, auf die die Spieler der Reihe nach ihre Schätzleisten ablegen, da gibt es ganz lange, die fast 15 Zentimeter der 44 Zentimeter langen Leiste abdecken. Im mittleren Bereich sind es noch 11 Zentimeter, die kleinste Schätzleiste deckt die Hälfte davon ab. Bei der Waschmaschinenfrage würde ich sicherheitshalber zur langen Leiste greifen und sie irgendwo im 10.000 Bereich ablegen. Haben das alle getan, wird die Aufgabenkarte umgedreht und die Einordnung wird über Bilder unter der Skala exakt vorgenommen. Ich gehe einmal davon aus, dass ich nicht spoilern sollte, insofern erfahren Sie an dieser Stelle nicht, ob ich richtig lag. Wer Treffer erzielt, darf je nach Schätzleistenlänge zwei, drei oder fünf Siegpunkte verbuchen, die themengerecht auf einem Maßband abgetragen werden. Wer als erster 15 Zentimeter erreicht, gewinnt DAS MASS ALLER DINGE nach schnellen 15 bis 20 Minuten.
Der besondere Spielreiz ergibt sich aus der redaktionellen Arbeit des Autorenteams, die sich viele abgedrehte Fragen ausgedacht haben, deren Antwort die meisten sicherlich nicht wissen. Damit haben wir hier auch weniger ein Quizspiel, sondern ein wirkliches Schätzspiel, bei dem die üblichen „Klugscheißer“ auch keine Chance haben. Das funktioniert gut, solange die Skalen groß genug sind. Wird überschaubar skaliert, geht das lockere Legen verloren und man braucht fast den Taschenrechner. Das ist vor allem dann ärgerlich, wenn ich ausnahmsweise ungefähr die richtige Lösung kenne. Bei den wenigen historischen Fragen geht es zum Beispiel um die Nobelpreisverleihung von Einstein. Ich weiß, dass sie irgendwann in den 20er Jahren war, die vorgegebene Bandbreite schwankt bei dieser Frage zwischen 1900 und 1960. Die zehn Jahre zwischen 1920 und 1930 machen gut 7,3 Zentimeter aus, das muss ich jetzt in Beziehung setzen zur Länge meiner Schätzleisten. Da geht dann irgendwann die Lockerheit verloren.
Wer Spaß an abstrusen Fragen hat und schon immer einmal wissen wollte, wie viel Gramm Kaviar durchschnittlich unsere Weltbevölkerung verspeist oder wie viele Brücken in Venedig fehlen, damit man über ebenso viele wie in Amsterdam gehen kann, der sollte sich DAS MASS ALLER DINGE unbedingt anschauen. Vorab gebe ich schon einmal den Karat-Tipp, es sind mehr als sieben Brücken. Nächste Woche lerne ich die Welt jedenfalls gern weiter aus der Schätzperspektive kennen.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: DAS MASS ALLER DINGE
Autoren: Arno Steinwender, Christoph Puhl
Grafik/Design: Game Factory
Verlag: Game Factory
Alter: ab 14 Jahren
Spielerzahl: 2 - 6
Spielzeit: ca. 20 Min.
Preis: ca. 25 Euro
Spiel 75/2018