Sonntag, 12. Mai 2019
NEWTON
Ein Apfel ziert das Spielecover. Keine Angst, es geht nicht um gesunde Ernährung nach dem Motto „An Apple a day, keeps the Doctor away“, sondern es geht um einen historisch und physikalisch bedeutenden Apfel. 1666 beobachtete der junge Student Isaac Newton das Fallen eines solchen Vertreters der Kernobstgewächse. Aus der Frage, weshalb dieser Apfel nicht seitlich, sondern konstant gerade fiel, ergab sich die Entdeckung der Erdanziehungskraft. Noch heute steht vor dem Trinity College in Cambridge unter dem Zimmer, in dem Newton einst lebte, ein Apfelbaum, bei dem es sich laut Legende um einen Abkömmling des damaligen Baums handelt.
Ausflüge in die Geschichte unternehmen die beiden italienischen Autoren Nestore Mangone und Simone Luciani gerne, bisher aber auf verschiedenen Wegen, mit NEWTON erstmals gemeinsam. Luciani ist u.a. bekannt durch seine Mitwirkung an LORENZO DER PRÄCHTIGE und MARCO POLO. Mangone ist schon eher naturwissenschaftlich unterwegs, so hat es ihm die Mailänder EXPO 1906 angetan und ganz aktuell begibt er sich auf die Spuren Alexander von Humboldts.
In NEWTON führen die beiden Autoren uns in die Epoche der Aufklärung zu den Universitäten des frühen 18. Jahrhunderts. Theoretisch könnten wir auf Reisen durch Europa Newton in Cambridge besuchen, aber die Vorgeschichte bleibt letztlich abstrakt. Im Grunde genommen liefern wir nur Studiennachweise auf Tableaus ab, die wir durch Exkursionen, Aktionskärtchen und mit technologischer Entwicklung voranbringen.
Die Idee, der wir nachspüren, ist letztlich abstrakt, wie für mich immer noch die Physik, die Newton und andere entwickelt haben. Das, was spielerisch dann aber Vergnügen macht, ist die Vernetzung der unterschiedlichen Bereiche durch überschaubare Aktionen und wenige Spielrunden.
Gesteuert wird alles über das Studientableau, auf dem wir mögliche Aktionen verstärken können. So dürfen wir Geld verdienen und uns technologisch fortentwickeln, was wichtige Belohnungen und Siegpunkte am Ende bringt. Das gilt auch für das Reisen von Universität zu Universität. Die beiden letzten Aktionen werden auf zwei verschiedenen Spielplänen ausgeführt. Durch Lehrstunden kommen wir an neue Aktionskarten. Schließlich füllen wir unsere Privatbibliothek mit vielen Büchern, was bei kompletten Reihen und Spalten besonders viele Siegpunkte einbringt.
Jede tüftelt zwar auf seinem eigenen Tableau an seiner Wissensoptimierung, die Wege auf den beiden Spielplänen sind aber gepflastert mit Boni, die oft nur der Erste bekommt, sodass ständig kleine Wettläufe stattfinden. Die Pfade zum Sieg sind nur bedingt vielfältig. Es gibt aber ein ständiges Abwägen, was die vernünftigen Aktionswahlen betrifft. Das ist abhängig vom Angebot der Aktionskarten, von Fortschritten der Gegner und von der eigenen Entwicklung der Studientableaus mit den jeweiligen Aktionsverstärkungen. Alles muss effizient geplant sein und möglichst den Ausbau der Bibliothek mit im Blick behalten. Die Schlussbilanz kommt nach 30 Spielzügen. Oft ist dann aber vorher schon klar, wer gewinnen wird oder sich um den Sieg streitet und das sind meistens die Spieler, die ihre Bibliothek am besten ausbauen konnten. Mit Technologieentwicklung dagegen zu halten ist nicht einfach, aber auch nicht unmöglich.
NEWTON besitzt eine hohe Varianz. Keine Partie gleicht der anderen. Das ergibt sich aus der immer wieder verschiedenen Bestückung der Spielpläne, auch aus der zufälligen Zuordnung von sogenannten Meisterkarten, die individuelle Vorteile bringen, aber mühsam zu aktivieren sind. In gewisser Hinsicht entsteht durch jeden neuen Aufbau ein Unique-Game, ein einzigartiges Spielerlebnis.
Das Gesamtkonzept des grafischen Entwurfes von Klemens Franz gefällt mir gut, in Detail finde ich aber nicht alle Symbole intuitiv. Trotzdem beweisen italienische Autoren um Simone Luciani erneut, dass sie auf feldschem Niveau Schwergewichte entwickeln können, die dauernde Spielspannung erzeugen. Das Hintergrundthema bleibt aber blasser Aufhänger. Ein bisschen mehr Geschichte dürfte es schon sein, wie die vom Wurm, der einst in Newtons Apfel saß: „Ich kann fliegen“, sagte er, als er vor Newtons Zehen landete.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: NEWTON
Autoren: Nestore Mangone und Simone Luciani
Grafik/Design: Klemens Franz
Verlag: Cranio Creations Vertrieb: Asmodee
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 1 - 4
Spielzeit: 90 Min.
Preis: ca. 45 Euro
Spiel 40/2019
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