Das Stichspiel-Genre hat immer noch nicht ausgereizt. Das beweisen im Augenblick Ideen wie DIE CREW und auch DER FUCHS IM WALD. Stichspiele für zwei Personen sind rar, in letzter Zeit wusste CLAIM zu überzeugen (vgl. meine Besprechung in der Spielerei 119 vom Herbst 2018).
Joshua Buergels FUCHS IM WALD stellt herkömmliche Erwartungen auf den Kopf. Der amerikanische Autor setzt auf einen raffinierten Wertungsmechanismus, der Oma-Blätter und Durchmärsche bestraft und schlechte Karten in einem ganz anderem Licht erscheinen lässt. 33 Karten in drei Farben jeweils mit den Werten eins bis elf reichen ihm für spannende Spielphasen aus. 13 Handkarten stellen sicher, dass eine Runde FUCHS IM WALD nicht durchkalkuliert werden kann. Sieben Karten sind dadurch nicht im Spiel, eine davon wird aufgedeckt und legt die aktuelle Trumpffarbe fest. In der Stichbilanz am Ende bringen null bis drei Stiche sechs Siegpunkte für den Unterlegenen, während der scheinbare Gewinner punktlos nach Hause geht. Schon ein Stich mehr für den „Verlierer“ kehrt die Bilanz um. Der Gewinner erhält dann sechs Siegpunkte, der Verlierer nur noch einen.
Daraus entwickelt sich eine Spannung, die das Spiel oft auf der Kippe zwischen den unteren drei Stichen und den oberen neun oder zehn hält. Buergel toppt dieses Konzept noch durch spezielle Fähigkeiten aller ungeraden Kartenwerte. Die Spezialkarten ändern den Spielverlauf ständig und ergeben ganz eigene Strategien für die Stichrunden. Mit der „1“ kann man recht einfach das Ausspielrecht erwerben, immer dann, wenn diese Karte keinen Stich macht, geschieht das. Die Fuchskarte „3“eröffnet die Option, die Trumpffarbe durch Austausch zu ändern, mit dem Holzfäller „5“ wird eine Karte mit dem Nachziehstapel ausgetauscht. Der Gewinn einer „7“ bringt einen zusätzlichen Siegpunkt, während die Hexenkarte „9“ stets die Trumpffarbe annimmt, sofern sie allein im Stich ist. Mit der Königskarte „11“ zieht man dem Gegner entweder die „1“ oder seine höchste Karte der ausgespielten Farbe aus der Hand. Diese Sonderfunktionen bringen Salz und Pfeffer in den Kartenmix Buergels.
Gespielt wird übrigens laut Empfehlung auf 21 Siegpunkte, kleine Wertungsmarker liegen dem Spiel bei. Für kürzere Runden werden 16 Punkte empfohlen, nach hinten lässt sich DER FUCHS IM WALD über beliebige Etappenlängen spielen.
Die wenigen Regeln machen aus dem Stichspiel ein ganz besonderes psychologisches Duell. Eine Bewertung der Handkarten ist durch die Wechselwirkung der Spezialkarten schwierig, da sich prinzipiell dreimal die Trumpffarbe ändern kann. Man braucht ein Gefühl für die Kartenwirkungen, das sich erst mit der Zeit einstellt. Vor allem ist anfangs gewöhnungsbedürftig, dass man bewusst auf Verlieren spielen darf. Bis zum sechsten Stich sollte man seine eigenen Rundenpläne verdeckt halten, denn der Gegner kann zu offensichtliches Vorpreschen leicht konterkarieren. Wertungsregelungen und Spezialfunktionen der ungeraden Karten machen aus DER FUCHS IM WALD ein ganz besonderes Stichspiel, bei dem man nicht das Gefühl hat, dass der dritte Mann fehlt.
Eingebunden in eine Märchengeschichte sind die fantasievollen Grafiken der ungeraden Karten gut gelungen, farblich sind mir allerdings die beiden lila Töne der Mond- und Schlüsselkarten zu nah beieinander. Das ist aber auch meine einzige Kritik an diesem außergewöhnlichen Stichspiel.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: DER FUCHS IM WALD
Autor: Joshua Buergel
Grafik/Design: Jennifer L. Meyer
Verlag: Schwerkraft
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2
Spielzeit: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 18 Euro
Spiel 76/2019