
Blöcke, Stifte, Würfel oder Karten stecken inzwischen in vielen kleinen Spieleschachteln. Wir setzen in abstraktes Umfeld Kreuze, tragen Zahlen ein und knacken Bestmarken. Thematisch gestalten wir Straßenzüge mit schönen Häusern und Poolanlagen, führen die abenteuerlustige PENNY PAPERS durch Tempel und Täler oder werkeln an abstrakten Eisenbahnstrecken und Straßen. Viele Spielideen machen Spaß, funktionieren auch solo, ein Ende der Roll & Write- oder Flip & Draw-Ära scheint noch nicht absehbar. Zumal dann, wenn wahre Perlen wie DER KARTOGRAPH herauskommen.
Angesiedelt im ROLL PLAYER-Universum, das wir aus dem Pegasus-Programm kennen, bereiten wir die nördlichen Reiche für die Übernahme des Königreichs Nalos vor. Dafür erhält jeder einen fast leeren Landschaftsplan von 11x11 Feldern mit fünf Gebirgszügen, die eventuell durch eine Ödnis ergänzt werden können. Als Kartograph der Königin folgen wir ihren Dekreten und schaffen Ländereien, die ihr gefallen. Wir legen Dörfer an, sorgen für Äcker und Wälder. Damit auch Fische zu unserer Versorgung beitragen können, arbeiten wir an Teichanlagen. Wie wir das machen, hängt von der Laune der Herrscherin ab. Mal mag sie viele kleine Wälder gut verteilt über die gesamte Landschaft, das andere Mal sollen die Waldgebiete eher am Rand des neuen Reiches liegen. Bei den Dörfern belohnt sie einmal ganz große Haufendörfer, das andere Mal liebt sie eher kleinere Weiler. Entsprechend variabel sind andere Wünsche, die sie hat.
Viel Zeit haben wir nicht. In einem Jahr muss unser Nordland fertig sein. Daher müssen wir die anstehenden vier Jahreszeiten gut nutzen. 13 Erkundungskarten und jeweils ein Hinterhalt steuern unsere Kartenzeichnungen. Eine aufgedeckte Karte enthält Vorgaben über eine oder zwei Geländearten und zeigt ein oder zwei Tetrisformen, die bis zu fünf kleine Quadrate umfassen. Je nach Wertungsvorgabe werden diese frei in das Raster eingetragen. Jeder Jahreszeit wird ein Zeitwert zugeordnet, der durch die aufgedeckten Karten erfüllt wird. Der Wert schwankt von acht Einheiten im Frühling bis zu sechs Einheiten im Winter. Da die Karten Werte bis maximal zwei Einheiten besitzen, kommen nie alle ins Spiel. Das ist auch gut so, denn zu jeder Phase wird ein Monsterüberfall gemischt, der Planungen zerstört. Da gibt es Goblinattacken oder Koboldanstürme, die ein Gegenspieler in den eigenen Plan einträgt, falls diese Karte aufgedeckt wird. Für die Wertungen haben die Monster Konsequenzen, freie Felder um Goblin & Co. herum kosten Minuspunkte. Ohne diese Überfälle wäre DER KARTOGRAPH überhaupt nicht interaktiv, jeder würde solistisch an seinen Ländereien herumtüfteln.
Am Ende der Jahreszeit wird gewertet. Der Autor Jory Adan nutzt dabei den Wertungsmechanismus, der sich in Pfisters ISLE OF SKYE bewährt hat. Jeweils zwei der vier Wertungsbereiche kommen zum Zuge, sodass jeder Sektor exakt zweimal in die Wertung einbezogen wird. Eben diese Reihenfolge ist bei der Planung im Kartographen ebenso wichtig wie bei der Legetaktik auf der schottischen Insel.
DER KARTOGRAPH ragt aus der Masse ähnlicher Spielideen heraus wie die fünf Berge auf der Landkarte, die es zu füllen gilt. Da sind viele kleine Stellschrauben, die diese Idee besonders machen. Da ist die hohe Variabilität durch 16 verschiedene Wertungskarten und die Varianz in der Entscheidung, bei manchen Karten weniger oder mehr Felder einzutragen. Wer sich für die wenigen Felder entscheidet, bekommt Goldtaler gutgeschrieben, die ebenfalls Siegpunkte bringen. An diese Taler kommt man außerdem beim Umschließen der Gebirgsfelder heran. Auch Ruinenkarten stören den geradlinigen Ablauf, da sie Vorgaben für die nächste Erkundungskarte zur Folge haben.
Adans Idee ist nicht komplex, die Regeln sind schnell verstanden. Die Komplexität ergibt sich aus der optimalen Erfüllung der jeweiligen Aufgabenstellung. Da gilt es abzuwägen, ob man sich nur auf zwei Wertungsbereiche konzentriert, um dort voll abzusahnen, oder ob man eine breite Streuung bevorzugt. Wichtig ist eventuell die frühe Goldnutzung, da sie viermal in die Wertung eingeht. Insgesamt, unterstützt durch die wunderbare grafische Umsetzung, ist DER KARTOGRAPH ein herausragendes Spiel, dessen Landschaftsentwurf ich mich morgen gerne wieder stelle. Für mich steht es auf der Ebene von WELCOME TO, besitzt aber eindeutig das bessere Regelwerk.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: DER KARTOGRAPH
Autor: Jordy Aden
Grafik/Design: Luis Francisco, Lucas Ribeiro
Verlag: Pegasus
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 1 -
Spielzeit: 30 - 45 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 80/2019