
Daniela und Christian Stöhr sind die fünften Preisträger des Hamburger Spielerfinderpreises. Zum Konzept der Verleihung des Spielwerks Hamburg gehört, dass stets ein Spieleverlag mit im Kooperationsverbund ist und die Autoren Ideen zu einem Thema einreichen. 2018 ging es um asymmetrische Spiele und mit im Boot war Kosmos. Das Ehepaar Stöhr nahm im Frühjahr 2019 die Auszeichnung für ihr Spiel PICTURES in Empfang, das dann zwar nicht bei Kosmos erschien, sondern in der kleinen Gemeinde Heidenau, vor den Toren Hamburgs gelegen, verlegt wurde. Dort hat der PD-Verlag seinen Sitz, der vor 25 Jahren als Buchverlag mit Lehrbüchern zum Grundstudium der Wirtschaftswissenschaften anfing. Spieler kennen das Verlagshaus als Herausgeber der herausragenden Spielideen Mac Gerdts. 2005 starteten sie mit ANTIKE, später folgte CONCORDIA und TRANSATLANTIC, aber auch Kooperationen wie LA GRANJA, das aus der Zusammenarbeit mit Spielworxx entstand.
Auf seiner Homepage bezeichnet sich der Verlag treffenderweise als ein Spezialist für Strategiespiele. Ist PICTURES nun ein Nachfolger Gerdtscher Rondell-Strategie? Ganz und gar nicht. Im Grunde genommen passt diese kreative, assoziative Idee des Ehepaars Stöhr überhaupt nicht ins Verlagsprogramm. Aber vielleicht eröffnen sich hier neue Perspektiven für den Verlagschef Peter Dörsam, der seit fünf Jahren Bürgermeister von Heidenau ist, denn PICTURES ist ein hochkarätiger Rohdiamant, der nur etwas Feinschliff benötigt.
Knete, Stäbchen, Bilder für Zuordnungsüberlegungen sind im Grunde genommen nichts Neues. Daniela und Christian Stöhr arrangieren aber ein ganzes Materialpotpourri für ihre Spielidee. In ein über Buchstaben und Zahlen identifizierbares 4x4 Raster werden Bildkarten gelegt. Schöne Fotos, wie man sie aus alten Ravensburger Spielen wie LIFE STYLE oder SYMPATHIE kennt. Die Spieler erhalten unterschiedliche Materialsets zur Nachahmung eines Bildes. Der eine bekommt 24 kleine Farbwürfel, um sich pixelartig einem Foto zu nähern, die nächsten haben Bauklötze, Schnürsenkel oder eine Mischung aus Stöckchen und Steinen zur Verfügung. Schließlich bleiben 19 Symbolkarten, die kombiniert werden.
Ein Plättchen gibt das nachzubildende Foto vor, wobei es durchaus passiert, dass sich zwei oder sogar drei Spieler mit dem identischen Bild abmühen. Ohne Zeitdruck werden Schnüre geformt und Steine gelegt. Danach tragen die Beteiligten auf einem Auswertungszettel ein, welches Foto vermutlich die anderen darstellen wollten. Wenn die Spieler fertig sind, wird offenbart und gepunktet. Für richtige Tipps gibt es einen Gewinnpunkt, den dazu der kreative Gestalter erhält. Die Materialsets werden dann weitergereicht. Gespielt wird solange, bis alle einmal jedes Set nutzen durften.
Die Vielfalt der Materialien macht den speziellen Reiz von PICTURES aus. Da möchte man zwar am liebsten immer mit den Pixelsteinchen agieren, weil die scheinbar am leichtesten auf das Bild hinweisen, wogegen die Ablehnung gegen die widerspenstigen Schnürsenkel meist recht groß ist, da sich Bildkonturen mit den Schnüren nicht so gut darstellen lassen. Auch die Bildkarten erweisen sich als nicht einfach, da man nur maximal fünf nutzen darf und die außerdem nicht frei platziert werden dürfen, sondern nur in Reihe liegen. Aber nach einiger Übung geht alles. Beachtet werden muss zusätzlich die Blickperspektive, die vom jeweils legenden Spieler aus zu betrachten ist.
Als Partyspiel bietet PICTURES großartige Unterhaltung, wenn nicht die Beschränkung auf fünf Spieler wäre. Die Bildauswahl ist mit 91 Abbildungen arg überschaubar, da verstehe ich nicht, dass der Verlag nicht gleich Vor- und Rückseite der Fotokarten mit Bildern bedruckt hat. Im Feintuning spürt man, dass der letzte Feinschliff unterblieb. Laut Regel ist für die ganzen fünf Runden nicht vorgesehen, dass Fotos ausgetauscht werden. Das führt zu Redundanzen, die zum Teil soweit gehen, dass Bilder mit identischem Material erneut nachgestellt werden. Es gibt zwar eine Regelanmerkung dazu, dass die Spieler in einem solchen Fall vereinbaren, dass die Darstellung „anders ausfallen“ müsse. Aber wer erinnert sich denn in der letzten Runde an die Schnürsenkel der ersten? Viel einfacher wäre es, die benutzten Fotos auszutauschen, sodass in Vollbesetzung maximal 36 Bilder zum Einsatz kommen. Das ist sicherlich Meckern auf hohem Niveau, die Grundidee der Stöhrs trägt und macht Spaß. Ich gehe davon aus, dass damit eine Zweitauflage garantiert ist und die Feinjustierungen dann nachgereicht werden. Die entsprechenden Hausregeln können alle ja schon vorher nutzen.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: PICTURES
Autoren: Christian und Daniele Stöhr
Grafik/Design: Dominik Mayer
Verlag: PD-Verlag
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 3 – 5
Spielzeit: 20 - 30 Minuten
Preis: ca. 27 Euro
Spiel 01/2020