
Dass Spieler auf einer Wellenlänge schwimmen, war Wolfgang Warsch schon wichtig bei seinem Kultspiel THE MIND. In WAVELENGTH kommt es erneut genau darauf an, man muss sich telepathisch eingrooven, um die Signale des Senders zu verstehen, und dann geht es um genaue Justierung wie bei einem alten Röhrenradio, wenn man den Sender sucht. Fantastisch ist, dass alle spielmechanisch den Eindruck haben, sie sitzen vor einem Volksempfänger und drehen an dessen Zeigeranzeige.
Von Anfang an: Zum einen gehört es sich, dass ich neben dem in Deutschland bekannten Warsch seine Teamkollegen erwähne. Alex Hague und Justin Vickers sind in den USA für die vielen Varianten ihres tabuähnlichen Personenratespiels MONIKERS ebenso berühmt wie Warsch bei uns. Für die New York Times ist ihr MONIKERS „das perfekte Partyspiel“. Im Ranking dieses Genres liegt ihre 2015 erschienene Idee bei BGG zurzeit auf den siebten Platz.
Vor einem Jahr startete für WAVELENGTH eine Kickstarter Kampagne, die im März mit 8600 Unterstützern und eine Finanzierungssumme über 324.000 $ endete. Damit konnte der Zielbetrag verzehnfacht werden. Durch die Kontakte, die Torsten Gimmler, ehemaliger Chefredakteur bei Schmidt Spiele, seit seinen Erfolgen für GANZ SCHÖN CLEVER oder die QUACKSALBER VON QUEDLINBURG zu Wolfgang Warsch hat, bekam der Berliner Verlag die deutschen Rechte. 2020 wäre WAVELENGTH womöglich beim neuen Arbeitgeber von Gimmler in Ravensburg gelandet.
Eingedeutscht hat der Berliner Verlag den Titel leider nicht unter der direkten Übersetzung WELLENLÄNGE, was perfekt passen würde, sondern mit PERFECT MATCH den deutschen Markt mit hier unnötigen Anglizismen konfrontiert. Dann hätte man doch gleich bei WAVELENGTH bleiben können, zumal der englische Begriff auf der Rückseite der Drehscheibe weiterhin auftaucht. In Hinblick auf Kritik an dem Spiel bin ich damit aber schon fast fertig.
PERFECT MATCH geht in die Richtung von Partyspielen mit Einschätzungskomponenten. Zentrales Objekt ist eine Zeigertafel, die optisch tatsächlich an einen alten Volksempfänger erinnert. Im Sendersuchlauf gibt es einen kleinen drehbaren Zielbereich, der ca. 20 Prozent der sichtbaren Skala ausmacht und je nach Zufallsdrehung einmal eher im linken, mittleren oder rechten Sektor der Bandbreite auftauchen kann. Die Skalierung des Zielsektors enthält fünf Segmente mittig um den Wertungssektor „4“ angeordnet, jeweils rechts und links davon gibt es zwei oder drei Punkte.
Das im Teamprozess entstandene Spiel funktioniert im gegeneinander von zwei Teams oder im Miteinander kleiner Gruppen. Ein Tippgeber erhält eine Tippkarte mit gegensätzlichen Begriffen wie „laut und leise“ oder „Bösewicht und Held“. Er dreht dann verdeckt das Skalierungsrad und ordnet dem Skalenstand eine für das Team nachvollziehbare Lösung zu. Ist die Skala eher auf der rechten Seite zu sehen, wählt er im ersten Fall ein „Schlagzeug“ aus. Tendiert die Anzeige ganz nach links, gibt er eventuell den Tipp „Schneefall“. Danach verschließt er mittels einer Abdeckung, die eingedreht wird, den Anzeigenbereich und präsentiert seinem und dem gegnerischen Team die Aufgabe. Seine Crew wird diskutieren, wie es den roten „Wellensucher“ einstellen wird, um möglichst exakt seine Wellenlänge zu treffen. Steht ihre Anzeige, geben die Gegner einen Tipp ab, ob sie das Ergebnis eher rechts oder links vom Zeiger sehen. Erst dann enthüllt der Tippgeber seine Einstellung. Je mittiger sein Team den Zielsektor getroffen hat, umso mehr Punkte erhält es. Die gegnerische Mannschaft bekommt bei korrekter Vorhersage einen Punkt. Im Anschluss wechselt die Aufgabe zum zweiten Team. Gespielt wird auf zehn Siegpunkte, die innerhalb der Spielschachtel, in der auch die Scheibe steht, angezeigt werden. Kooperativ bearbeiten alle sieben Karten, die durch Zentrumstreffer mehr werden. Ab 19 Punkten schwimmt die Gruppe auf einer Wellenlänge, kann sich aber bis zur „Gedankenverschmelzung“ steigern, an die man sofort eine Runde THE MIND anschließen sollte.
Herz des Spiels ist die Plastikanzeige mit der Drehscheibe und dem „Wellensucher“, das Gerät funktioniert gut, besitzt aber ein Anzeigedefizit. Da der Zielsektor in der Mitte der Farbanzeige liegt, kommt es bei Extremwerten zu Irritationen. Wenn die Skala sich vollständig im rechten Sektor befindet und wir beispielsweise bei der Zuordnung aus dem oberen Beispiel, die Lautstärke eines startenden Eurofighters eingestellt haben möchten, dann ist die Gefahr einer Einstellung im ganz rechten Sektor groß. Das wäre dann falsch, da durch die Einteilung der Skala äußerst rechts nur zwei Punkte zu erreichen sind. Darüber müssen alle informiert sein. Die Spielregel äußert sich zu diesem Problem aber nicht. Im Gegenteil, sie lässt sogar zu, dass rechts oder links vom mittleren Bereich die Farbskalen nicht zu sehen sein müssen. Das ist unsinnig, weil damit die Grenzbereiche überhaupt nicht mehr kalkulierbar sind. Im Augenblick muss die Scheibe neu gedreht werden, wenn „der blaue Bereich (Mittelpunkt) des Zielbereichs nicht komplett sichtbar“ ist. Das würde ich generell ändern in:
Alles andere macht PERFECT MATCH richtig. Das Konzept ist äußerst originell, die Regeln und damit der Zugang zum Spiel sind ganz einfach. Da die Gegensatzpaare in ihrer Zuordnung von Begriffen abhängig sind, die sich aus der jeweiligen Lage der Skala ergeben reichen die knapp 200 Gegensätze erst einmal lange aus. PERFECT MATCH lebt von der Gruppe, von den Gesprächen über die Einschätzungen und die Vermutungen über die Gedanken des Tippgebers und den Diskussionen danach. Der Tippgeber steht bei der Suche nach einem passenden Begriff unter stärkerem Druck als die diskutierenden Spieler seines Teams. Manchmal möchte er am liebsten das Drehrad neu bewegen, um eine günstigere Zieleinstellung zu erreichen. Die andere Seite hat den Ratespaß. Ihre soziale Interaktion ist die Stärke des Spiels, sowohl für den zuhörenden Tippgeber als auch für das gegnerische Team, denn das bleibt nicht außen vor, sondern kann mit dem richtigen Tipp von dieser Runde ebenfalls partizipieren. Der Moment der Enthüllung ist dann wahrlich der Höhepunkt, der zelebriert wird. Wie bei einer Theateraufführung wird der Vorhang aufgezogen, wenn das Ergebnis enthüllt wird. Das hat etwas Besonderes und beweist die ganzen Qualitäten von Warsch & Co. .
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: PERFECT MATCH
Autor: Alex Hague, Justin Vickers, Wolfgang Warsch
Grafik/Design: Nan Na Hvass, Sofie Hannibal
Verlag: Schmidt Spiele
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 2 - 12
Spielzeit: 45 Minuten
Preis: ca. 39 Euro
Spiel 13/2020