Donnerstag, 20. Februar 2020
ALEXANDER DER GROSSE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
In einer Stunde zum Indus: Eroberungen im Schnelldurchgang
Ronald Hofstätter und Dietmar Keusch ist ein erstaunlich zügiges Nachspiel der Feldzüge Alexander des Großen gelungen. Das, was den großen Feldherren ausgezeichnet hat, dass er zwischen seinem zwanzigsten und dreiunddreißigsten Lebensjahren die damaligen Großreiche Persien, Ägypten und Indien bezwang, spielt sich in verdichteter Form in schnellen Eroberungsetappen innerhalb von 90 Minuten ab. Eingespielte Runden gelangen sogar in einer Stunde bis zum Indus. Gespielt wird nicht bis zum bitteren Ende, der Rückmarsch nach Babylon und Alexanders Tod 323 v. Chr. wird den Historikern überlassen.
Zwei bis fünf Spieler können sich dem Eroberungszug Alexanders anschließen. Gegner tauchen im eigentlichen Sinne nicht auf, die Heere fetzen sich weder am Granikos noch bei Gaugamela, die spielerischen Feinde stehen in den eigenen Reihen. Der Machtkampf der Diadochen wird gewissermaßen vorweggenommen. Letztlich geht es um Provinzeroberungen, Städtegründungen und Tempelbau in den sechs Regionen des Alexanderreiches.
Hofstätter und Keusch haben in Zusammenarbeit mit Phalanx Games ein schnell zugängliches Spielkonzept entwickelt. Entscheidend für die Steuerung des Spiels sind 15 Ressourcen-Steine, die jeder Spieler vor Beginn der Eroberung einer Region geschickt auf einem Tableau hinter einem Sichtschirm verteilen muss. Zur Verfügung stehen vier Einflussbereiche, da geht es einmal um die Festlegung der Spielreihenfolge, dann um den Einsatz von Armeen und um Tempelbau und Städtegründungen.
Der große Spielplan ist in sechs Regionen aufgeteilt, die zwischen vier und sechs Provinzen umfassen. Die Eroberung einer Region dauert maximal drei Spielrunden, in vier Provinzen kann aber schon nach einer Spielrunde Schluss sein. Der Startspieler und die dann folgenden Spieler ziehen mit der von ihnen festgelegten Anzahl von Armeen in die erste Provinz einer Region. Bei einem Spiel um den Strategen Alexander ist das natürlich Makedonien. Von dort aus können sie sich in maximal zwei weitere Provinzen bewegen, sie dürfen dabei Armeen zurücklassen, müssen zum Teil aber beim Überwinden schwierigen Geländes Ressourcen aus den Bereichen Tempelbau oder Stadtgründung bezahlen. Nach der Bewegungsphase dürfen die Spieler in besetzten Provinzen ihr Interesse am Tempelbau oder der Gründung einer Stadt kundtun. Sobald alle Beteiligten mit ihren Armeen gezogen sind und von ihren Optionsrechten Gebrauch gemacht haben, endet eine Spielrunde mit ersten Provinzwertungen. Punkte, die auf einer Wertungsleiste sofort angezeigt werden, erhalten die Beteiligten für die Armeemehrheit in einer Provinz (2 Punkte), für den Tempelbau (3 Punkte) und für eine Stadtgründung (5 Punkte). Ob ein Tempel oder eine Stadt gebaut werden kann, hängt einmal von den Provinzen selbst ab, die ein entsprechendes Bausymbol besitzen müssen, dann aber auch von den notwendigen Ressourcen, die diese Bauvorhaben kosten. Für einen Tempelbau muss mindestens ein Ressourcenstein im Tempelbaufeld liegen, bei der Stadtgründung sind es sogar zwei. Richtig teuer wird es, wenn die Spieler um solche Bauten konkurrieren, was in der Regel der Fall ist Der Spieler, der die meisten Ressourcensteine besitzt, darf bauen, zahlt aber so viele Steine wie der an zweiter Stelle liegende Spieler besitzt plus eine weitere Ressource. Wird nur eine Runde gespielt, ist das nicht so tragisch. Da es in einigen Regionen aber mindestens zwei Runden gibt und die Steine nach jeder Rundenwertung neu verteilt werden dürfen, muss ein früher großer Aderlass gut überlegt sein. Er lohnt sich meist bei den Stadtgründungen, denn die dürfen nur einmal in einer Provinz vorgenommen werden. Tempel können in jeder Spielrunde erneut gebaut werden. Ist in einer Region die besonders gekennzeichnete Übergangsprovinz erreicht, endet die Eroberungsphase nach der abschließenden Wertung. Alle Spieler erhalten ihre Ressourcensteine zurück und machen sich hinter ihren Sichtschirmen bereit zur nächsten Etappe. So werden sechs Regionen bis zum Spielende abgewickelt, wobei die Schlusswertung immer mit im Blick sein sollte. Für die meisten Städte gibt es nämlich zehn und für die meisten Tempel 15 Extrapunkte. Außerdem werden alle Regionen noch einmal mit fünf Punkten in Hinblick auf Städte- und Tempelmehrheiten belohnt. Beliebig sind diese Bauten im Übrigen nicht, da jeder Spieler nur zehn Tempel und acht Städte besitzt. Spielsieger ist der mit den meisten Punkten. „Er darf sich Alexander der Große nennen“ oder zumindest für sich behaupten, er konnte am besten mit seinen Ressourcen haushalten.
Die Ausstattung des Spiels ist gut: Holzspielmaterial, gelungene grafische Aufbereitung, wenn man von den kantig gesetzten Zahlen absieht, die zum Teil eher an Buchstaben erinnern,. Eine ordentliche Spielregel, die aber zum Nachschlagen nicht so gut geeignet ist, dafür gibt es eine übersichtliche Kurzspielregel, die allerdings nur einmal vorhanden ist. Die Sichtschirme sind leider etwas schmal geraten.
ALEXANDER DER GROSSE ist ein taktisches Schmankerl. Die Ausgangspositionen sind für alle Spieler gleich, der Glücksfaktor ist völlig ausgeschaltet. Dieser Vorzug ist gleichzeitig ein Nachteil des Spiels, da der Einsatz der Ressourcen-Steine gut überlegt sein will und daher dauern kann. Besonders bei voller Spielrunde kann die Planungsphase einige Zeit kosten. Die Optionen, die sich dann aber aus dem Spiel heraus ergeben, sind erstaunlich vielfältig und lassen in allen Zusammensetzungen einen spannenden Spielablauf zu. Die Festlegung der Spielreihenfolge ist dabei oft von entscheidender Bedeutung. Wer hier investiert und dann als letzter Spieler in die Spielrunde geht, kann auf Entscheidungen seiner Mitspieler reagieren, zumal die Investitionsvorgaben dann offenbart und Zusatzkosten beglichen sind. Raffiniert gelöst, sind die kostenintensiveren schnellen Eroberungszüge, so lässt sich der Persien-Feldzug durch sofortigen Einmarsch in die Provinz Media schon nach einer Spielrunde beenden. Dieser Weg kostet aber vier Ressourcen, die den Tempel- oder Städtefeldern entzogen werden müssen. Von Interesse kann außerdem die Seewegnutzung sein, dadurch können Spieler zum Beispiel den kleinasiatischen Feldzug nach Syrien auf eine Spielrunde verkürzen: Wer so aus der Hinterhand zweimal drei Ressourcen für die Schiffsbenutzung opfert, kann bei günstiger Konstellation sogar zwei Städtegründungen schaffen. Alles hängt letztlich aber von den Aktionen der Mitspieler ab, auf die man sich immer wieder neu einzustellen hat. Zwar tüftelt jeder an seiner strategischen Vormarschleistung erst einmal individuell vor sich hin, dann zeigen sich aber besonders beim Spiel zu viert und zu fünft, die nicht unbedingt angelegten, sich aber aus dem Spielablauf ergebenden kommunikativen Stärken des Spiels. Da werden mehr oder weniger sinnvolle Tipps gegeben, kurzfristige Allianzen geschmiedet, langsame Feldzüge abgesprochen, bis dann am Ende das große Rechnen losgeht und doch wieder jeder gegen jeden antritt. Kleinere Fehler verzeiht das Spiel, da die Chancen für den Neuanfang in jeder Region wieder für alle gleich sind. Wer es aber in zwei Regionen versäumt, Tempel oder Städte zu bauen, was vor allem im Spiel zu fünft durchaus häufiger passieren kann, hat keine Chancen mehr auf den Spielgewinn. Ein solcher Feldherr spielt dann nur noch mit, kann allenfalls Zünglein an der Siegeswaage sein, was dem Spiel nicht unbedingt guttut. Trotzdem möchte ich allen Freunden der einfacheren strategischen Kost dieses Spiel ausdrücklich empfehlen. Wer kurzweiliges taktisches Geplänkel mag, wer dabei gern auf den Risikofaktor Würfel verzichtet, der wird seine Freude am Nachspielen der Feldzüge Alexanders haben.
Titel: ALEXANDER DER GROSSE
Autor: Ronald Hofstätter, Dietmar Keusch
Grafik/Design: Franz Vohwinkel
Verlag: Phalanx Games
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 2 - 5
Spielzeit: 90 Minuten
Preis: ca. 35 Euro
Die Rezension erschien 2005 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals sehr freundliche 8 von 10 Sternen,
das entspricht: gerne morgen wieder
Spiel 3/2005 R 6/2020
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