
In Glonneggers Spielebuch taucht es zwar nicht auf, aber in dem anderen Klassiker von Roland Gööck mit „1000 Spielen für jung und alt“, finden wir es als MOGELN, ein Kartenspielklassiker, der in meiner Jugend ganz simpel SCHUMMELN hieß. Dieses lockere Ablegespiel ist weltweit bekannt, im englischsprachigen Bereich unter BULLSHIT, die Franzosen nennen es LE MENTEUR, in Deutschland existiert zusätzlich der liebevolle Begriff des SCHUMMELLIESCHENs.
An dieser klassischen Spielidee orientiert sich der ungarische Brettspieldesigner Zoltán Gábor Győri, der seit 2012 Spiele entwickelt und mit dem Partyspiel IGEN? 2018 seine erste Veröffentlichung vorweist, außerdem betreibt er einen Brettspielkanal in seiner Heimat. IGEN? erschien bisher nur in Ungarn im Gémklub-Studio, an dem u.a. der in Deutschland schon seit den 90er Jahren bekannte Zoltán Aczél (TOKAMI, MASKENBALL) beteiligt ist. Győris bei HeidelBÄR Games erschienenes SPICY ist SCHUMMELN mit einer Prise Doppelzüngigkeit.
Die Basis stellen Karten dar mit Werten von 1 bis 10 und Farben, die den Gewürzen Pfeffer, Wasabi und Chili zugeordnet sind. Jede Karte ist dreimal im Deck, hinzu kommen Jokerkarten für Würze und Zahlen. Gespielt wird um den Gewinn von drei Trophäenkarten, außerdem sind weitere sechs Spezialkarten für eine „extra-scharfe Herausforderung“ im Spiel.
Vom prinzipiellen Ablauf ähnelt SPICY dem Klassiker SCHUMMELN. Jeder erhält eine bestimmte Zahl von Handkarten, die regelgerecht, aber verdeckt abzuspielen sind. Wer das nicht kann, muss versuchen, schummelnd weiter zu kommen. Die Ablage folgt innerhalb einer Gewürzsorte und beginnt mit einem Zahlenwert zwischen 1 und 3. Der folgende Spieler nennt eine höhere Zahl des angespielten Gewürzes, nach der 10 geht es wieder von unten los. Wer nicht lügen will, passt und zieht eine Karte vom Nachziehstapel. Ausgespielte Karten dürfen nicht nur vom nachfolgenden, sondern von allen Spielern angezweifelt werden. Die Kampfansage enthält die neue Qualität von SPICY. Der Herausforderer entscheidet, ob er die angesagte Zahl oder das geforderte Gewürz anzweifelt. Eben das ist für die Beteiligten ein Rettungsanker, die zwar die Wasabi 10 nicht mehr haben, dafür aber einen niedrigeren Wasabi-Wert. Da der Gegner vermuten könnte, dass man eine andere 10 gespielt hat, wird er das Gewürz anzweifeln, das man dann allerdings vorweist.
Der Gewinner der Herausforderung erhält die bis dahin angehäuften SPICY-Karten als Punktestapel, der Verlierer zieht zwei Handkarten nach. Wer seine letzte Karte spielt und durchbekommt, nimmt eine von drei Trophäenkarten mit 10 Punkten. Diese beenden meist das Spiel. Sobald ein Beteiligter zwei erlangt, ist er automatisch Gesamtsieger. Aufgeteilt unter drei Spielern, addieren alle die zusätzlich gewonnenen Karten dazu und es gewinnt der Spieler mit den meisten Punkten. Diese Schlussregelung gilt auch, wenn im Nachziehstapel eine sogenannte „Verbrannt-Karte“ auftaucht. Pfiffig gelöst, ist das Platzieren dieser Schlusskarte mit Hilfe eines Kartenstandanzeigers.
So wie L.A.M.A. im letzten Jahr als MAU-MAU-Derivat erfolgreich auf die Spieltische kam, wird das SPICY als raffinierte SCHUMMEL-Variation 2020 gelingen. Zum Erfolg tragen daneben die ungewöhnlichen Karten in Glanzgold-Optik bei und die Tiergrafiken Jimin Kims, die zu der abstrusen Hintergrundgeschichte passen, nach der sich drei Raubkatzen dadurch messen, dass sie die meisten scharfen Gewürze verspeisen.
SPICY lebt vom Bluff-Reiz und vom Kartenmanagement. Wer startet, wird die Gewürzsorte nehmen, von der er viele Karten besitzt. Zum Einstieg zu lügen und doppelte Zahlen abzuwerfen, macht Sinn und geht oft ohne Beanstandung durch, danach ist es hilfreich, noch auf eine Wende-Zehn, das Lama in dem Spiel, zurückgreifen zu können. Mit der letzten Karte muss man einfach Glück haben. Wer gut blufft, wird die Runden besser überstehen als Spieler, denen das Schummeln auf die Stirn geschrieben steht. Das sind oft diejenigen, die nicht nach Wiederholungsrunden rufen, denn zu diesen kommt es meistens anschließend an die erste und zweite Partie SPICY.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: SPICY
Autor: Zoltán Győri
Grafik/Design: Jimin Kim
Verlag: HeidelBÄR Games
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2 - 6
Spielzeit: ca. 15 - 20 Minuten
Preis: ca. 15 Euro
Spiel 20/2020