
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Klassenfahrten mit 10. Klassen nach Berlin bringen für die begleitenden Lehrer meist viel Stress und schlaflose Nächte. Ähnliches schwante mir schon, als eine Kollegin mich im März ansprach, ob ich nach den Osterferien sie nicht auf eine solche Berlintour begleiten wolle.
Zugesagt habe ich schließlich, da das Wochenende mit eingeplant war und die Berliner Flohmärkte damit ins Besichtigungsprogramm mit aufgenommen werden konnten. Nebenbei gesagt, der angeblich größte Flohmarkt an der Straße des 17. Juni war zumindest bei unserem Aprilbesuch aus spielerischer Sicht eine große Enttäuschung, empfehlenswert war dagegen der Sonntagflohmarkt am Fehrbelliner Platz.
Wenn auch die Flohmärkte nicht so ergiebig waren, ein Kneipenbesuch am zweiten Abend in Steglitz entschädigte in spielerischer Hinsicht. Eher zufällig kamen wir mit einer kleinen Schülergruppe beim "Buntspecht", Zimmermannstr. 22, vorbei. Neben den üblichen VIER GEWINNT und Schachspielen lag dort ein eher unauffällig verpacktes Spiel herum, das ich noch nicht kannte: ZATRE. Ein eigenartiger Titel! Assoziationen ihn mit Sartre in Verbindung zu bringen, erwiesen sich bald als falsch. Bis eine Schülerin schließlich auf den Untertitel verwies, ZAhlenTREppe war das Schlüsselwort.
Und um Zahlenpunkte geht es bei diesem Spiel. 121 kleine Keramiksteine, mit ein bis sechs Würfelpunkten versehen, machen das Spielmaterial aus. Gespielt wird auf einer Art SCRABBLE-Brett. Für den Spielablauf wichtig ist außerdem noch ein Abrechnungsblock. Große Rechenkünste werden zwar nicht verlangt, nur bis 12 muss man zählen können, aber gute Übersicht ist im Fortlauf des Spiel vonnöten, um günstig seine Steine platzieren zu können. Es muss nämlich versucht werden durch Ablegen von Steinen, zwei hat man davon am Anfang auf der Hand, 10, 11 oder 12 Punkte zu erreichen. Die Punktsteine müssen wie bei Scrabble waagrecht oder senkrecht angelegt werden, mehr als 12 Punkte dürfen aber nicht in einer Reihe liegen. Entscheidend für die Ablagetaktik ist der Wertungsmechanismus, insofern ist der Abrechnungsblock das für den Spielablauf und -gewinn wichtigste Utensil. Wird eine 10,11 oder 12 gelegt, gibt es entsprechend 1, 2 oder 4 Punkte; ist damit eine Zahlentreppe von 10 bis 12 gefüllt, erhält man Bonuspunkte, am Anfang sind es 3. Gelingt es, mit eigenen Steinen weiße Bonus-Felder zu belegen, verdoppelt man den Punktwert der Reihe. Wenn alle Steine gelegt sind oder kein Stein mehr angelegt werden kann, ist das Spiel beendet. Sieger ist dann der Spieler mit der höchsten Punktzahl.
Der Reiz des Spiels liegt in den vielen verschiedenen Möglichkeiten des Anlegens. Spieltaktisch erweist es sich dabei nicht immer als günstig, nur auf die hoch bewertete 12 zu setzen. Die Bonuspunkte und Verdopplungsfelder sorgen dafür, dass man möglichst ausgeglichen seine Steine legen sollte, um eine Siegchance zu haben. So ist es ratsam, eine 10 statt einet möglichen 12 zu legen, nur um eine Zahlentreppe zu schließen.
Insgesamt ein Spiel, dem man schnell verfallen kann. Das merkten wir auch an diesem Abend: ZATRE, eigentlich nur für 2 bis 6 Personen geplant, lässt sich auch gut in einer Achtergruppe spielen, und alle acht Mitspieler waren begeistert. Wer ein Faible für Zahlenspiele hat, der sollte schnell zugreifen, denn die Erstauflage mit den schönen Keramiksteinen soll bald vergriffen sein.
Das Spiel kann man direkt beim Erfinder, Manfred Schüling, Spielevertrieb, Zähringerstrasse 1a, 1000 Berlin 31 für ca. 50.00 DM beziehen.
Wieland Herold
Titel: ZATRE
Verlag: Manfred Schüling, Spielevertrieb
Autor: Manfred Schüling
Grafiker: o.A.
Spieler: 2 - 6
Dauer: ca. 45 Minuten
Alter: ab 8 Jahren
Preis: ca. 50.- DM
Die Rezension erschien 1991
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 2/1991 R 32/2020

Schlülings Kleinstauflage wurde 1993 durch mehrere Auflagen von Peri abgelöst. Diese Fassung landete auf der Auswahlliste für das „Spiel des Jahres“. 1998 erhielt es den As’Dor in Frankreich.
2005 übernahm Amigo das Spiel. Im Augenblick ist es nicht mehr auf dem Markt.
Das Bild zeigt den Berliner Autor 1991 auf dem Autorentreffen in Göttingen.