Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Fliegende Bauten – Pyramidenbau auf leichte Art
Neue Theorien zum Pyramidenbau der Ägypter haben Kirsten Becker und Jens-Peter Schliemann entwickelt. Nachvollziehbar werden ihre Ideen in PYRAMIDOS, das große Haba-Spiel im Herbst 2003. So etwas hat die Spielgeschichte noch nicht erlebt. Seit CAIRO (Schmidt) wissen wir zwar, dass die Ägypter ihre Pyramidenbausteine schnipsend von Booten zu den Bauplätzen gebracht haben, dass sie sie sogar schnipsend über die Windungen des Nils bis zu ihren Pyramidenbauplätzen bringen konnten, ist eine sensationelle neue wissenschaftliche Erkenntnis, die nun zwei bis vier Spieler ab Grundschulalter spielerisch verifizieren können. Genial gelöst ist die technische Umsetzung des Transportproblems. Der reichlich durchlöcherte Nil wird auf vier gut verankerte Pfosten gestellt, ein dazwischen aufgespanntes Fischernetz verhindert die Abwanderung von Pyramidensteinen zumindest in Ansätzen.
Die Bausteine sind Kugeln, das ist beim Pyramidenbau inzwischen gang und gäbe. Der Pyramide muss nur noch die Krone mit vier Kugeln und einem Spitzenabschluss aufgesetzt werden. Der löcherige Nilweg wird vorsichtig stupsend oder mit schon ausgefeilter Technik mutig schnipsend, manchmal sogar pustend absolviert, das kann mehrmals hintereinander geschehen. Aufgehalten wird man nur durch gefräßige Nilkrokodile, vor deren Mäulern, wenn sie nicht gestopft werden, sich riesige Nillöcher auftun, die das Baumaterial im Nil verschwinden lassen. Hin und wieder gerät so ein Stein auf die Uferböschung oder bleibt im Sand vor der Pyramide stecken. Manchmal, anfangs sogar sehr sehr oft, rollt oder springt die Kugel einfach über die Spielfeldbegrenzung hinaus und beendet damit den Spielzug. Sobald die fünfte Kugel oben auf der Pyramide landet, ist eine Baurunde PYRAMIDOS beendet. Die Abrechnung ist einfach: Die Spitzenkugel zählt doppelt, die vier anderen einfach; es gewinnt der Spieler, der die meisten Punkte erreicht
Der Aufforderungscharakter, mit dem löcherigen Nil zu spielen, ist groß. Räumen Sie aber Ihren Kindern bei PYRAMIDOS Übungszeiten ein, gönnen Sie sich diese Zeit auch selbst. Die Technik des Stupsens muss von Kindern und Eltern erlernt werden, denn sonst geht der Schuss nach hinten los. Mit der Altersangabe „ab sechs Jahren“ liegt Haba richtig, darunter ist das Objekt ein durchaus spaßiges Spielgerät, bringt als Spiel aber eher Frustrationen hervor. Bei einer Spieldauer von 15 bis 30 Minuten habe ich noch keine Runde erlebt, in der es nicht mindestens zu einem zweiten Pyramidenbau gekommen ist. Dabei geht es weniger um das Gewinnen, sondern um die Freude an der eigenen Geschicklichkeit, das gemeinsame Lachen, wenn es nicht so klappt mit der Feinmotorik, und die ständige Steigerung der Waghalsigkeit bei den Schnippversuchen.
Wieland Herold
Titel: PYRAMIDOS
Verlag: Haba
Autor: Kirsten Becker, Jens-Peter Schliemann
Grafiker: Ales Vrtal
Spieler: 2 - 4
Dauer: ca. 15 - 30 Minuten
Alter: ab 6 Jahren
Preis: ca. 30.- Euro
Die Rezension erschien 2003 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 1/2003 R 33/2020
Die Bilder stammen von der Präsentation des Spiels auf der Spiel 2003. Auf dem zweiten Foto ist Jürgen Valentiner-Branth, der Redakteur von PYRAMIDOS, zu sehen.