
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Vergnüglicher Palastbau: ALHAMBRA
Die Kunsthandwerker ganz Europas und aus dem Vorderen Orient treffen sich in Spanien, um Gärten anzulegen, Arkaden und Serails zu errichten. Ihre Auftraggeber müssen gut bei Kasse sein und über alle wesentlichen Devisen damaliger Zeiten verfügen, denn der Steinmetz aus Bagdad arbeitet für heimatliche Dirham, genauso wie der Turmbauer aus Mostar, der sich nur in Denar auszahlen lässt. Zwei bis sechs Baumeister schaffen so ihre privaten Alhambren, sobald sie 54 Gebäude errichtet haben, was nach einer knappen Stunde der Fall ist, endet ihr Wettstreit.
Das Spiel ALHAMBRA von Dirk Henn, bei Queen Games erschienen, ist ein raffiniertes Legespiel. Die Spieler achten beim Ausbau ihrer Palastanlagen darauf, möglichst die meisten der sechs Gebäudearten zu besitzen. Vier stehen stets zur Auswahl, die in vier Währungen bezahlt werden. Geldwechsler gibt es in dem Spiel leider nicht, so dass ein Pavillon, der eigentlich nur 5 Dukaten kostet, seinen Besitzer auch für 6, 7 oder mehr Dukaten findet. Wer es schafft, passend zu zahlen, ist gleich noch einmal an der Reihe. Deshalb ist es nicht nur wichtig, die richtigen Gebäude zu erwerben, sondern auch das nötige und passende Kleingeld im Geldbeutel zu haben. Daher dürfen die Spieler stets zwischen Erwerb eines Gebäudes oder der Aufnahme einer Geldkarte wählen. Auch hier stehen stets vier zur Auswahl. Allein diese beiden Elemente machen aus ALHAMBRA schon ein recht ordentliches Spiel, den letzten Schliff erhält es aber durch die Gebäudekarten, die ein Stück Stadtmauer tragen. Wer hier geschickt plant, kann in drei Wertungsrunden durch lange Mauern zusätzlich punkten.
Jeder spielt zwar für sich, jeder baut an seiner ALHAMBRA, alle sind aber an den Aktionen der Mitspieler interessiert. Welche Gebäude werden errichtet? Werden eigene Mehrheiten bedroht? Welches Geld wird aufgenommen? Droht dadurch eventuell ein Doppel- oder Dreifachzug? Wie können die ausliegenden Mauerteile die eigene Stadtmauer verlängern? ALHAMBRA ist spannend bis zum Schluss, da die Wertungsabrechnung steigende Punktzahlen bringt, auch das gilt es im Blick zu behalten. Das, was sich optisch vor den Spielern tut, ist ansehnlich. Es gibt wenige Spiele 2003, die so viel Spielvergnügen für die gesamte Familie bieten wie Dirk Henns ALHAMBRA.
Wieland Herold
ALHAMBRA
Verlag: Queen Games
Autor: Dirk Henn
Grafik: Christof Tisch
Alter: ab 8 Jahren
Anzahl Spieler: 2-6
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Die Rezension erschien 2003 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: gerne morgen wieder
Spiel 4/2003 R 43/2020

Von AL CAPONE und STIMMT SO zu ALHAMBRA
Vom Kartenspiel zum Legespiel
Das Angebot lautete stets: 108 Geldkarten, 2 Wertungskarten, 54 zu erwerbende Karten, ein völlig identischer Wertungsmechanismus. Diese Grundausstattung von Spielmaterial hat drei thematisch und zum Teil auch spielerisch völlig unterschiedliche Spiele ermöglicht.
Wir erleben hier ein Lehrstück, wie ein Verlag eine Spielidee völlig verhunzen kann, sie andererseits aber zur Perfektion führt. Die Akteure sind jeweils identisch: Dirk Henn als Autor, Bernd Dietrich als Redakteur und Queen Games als Verlag.
Zurück zu den Ursprüngen: 1992 hieß der erste Vorläufer AL CAPONE, der nur in einer handgefertigten Miniauflage des db-Verlages erhältlich war. Damals ging es um den Kampf von Mafiabossen um Geschäftsanteile. Das Thema war stimmig umgesetzt. Die wenigen Besitzer des Spiels waren voll des Lobs, so dass die Vorfreude 1998 groß war, als STIMMT SO erschien.
Im Prinzip hatte Bernd Dietrich nichts verändert: Die Einflusskarten sind Geldkarten geworden, die verdächtigen Gewerbe Aktienanteile, an der Wertung und am Spielverlauf hat sich absolut nichts gewandelt. Trotzdem war das Spiel ein Flop! Der Zeitgeist verlangte Spiele zur Börsenthematik. Ein Jahr nach Lancierung der ersten Telekomaktie wusste auch Tante Emma, was auf dem Aktienmarkt abging. So hausbacken, wie Tante Emma nun einmal ist, kam das ganze Spiel mit dem Untertitel „Tante Emma geht an die Börse“ daher. Der Aufforderungscharakter tendierte trotz ironischer Grafik gegen null.
„So bitte nicht!“ war die Antwort der Konsumenten und Dirk Henns Idee verschwand in der Versenkung. Bis zur Nürnberger Spielwarenmesse 2003, um dort wie Phönix aus der Asche im neuen Kleid und mit neuem Regelwerk eine beeindruckende Wiedergeburt zu erleben.
Die entscheidende Veränderung besteht darin, dass aus dem reinen Kartenspiel mit Kampf um Mehrheiten, ein Legespiel wird, das in seiner optischen Entfaltung und in seiner Wertungsergänzung durch die Schlossmauern dem Spiel den letzten Schliff gibt. Dietrich und Henn haben diesmal ein vorzügliches Händchen bei der Themenwahl besessen.
Zum Autor:
Spiele von Dirk Henn und Barbara Henn (geb. Weber) gibt es nur selbst gebastelt und in Kleinstauflage aus dem Eigenverlag db-Spiele oder später bis auf ganz wenige Ausnahmen bei Queen Games. Dirk Henns erfolgreiche Spiele sind alle aus der Kooperation mit dem Queen-Redakteur Bernd Dietrich hervorgegangen. Darunter an erster Stelle ALHAMBRA, das ab der zweiten Auflage in DER PALAST VON ALHAMBRA umbenannt wurde, aber auch Spiele wie METRO, SHOWMANAGER und WALLENSTEIN waren herausragend.
Das Bild zeigt Barbara und Dirk Henn 2004 in Nürnberg mit DIE GUNST DES WESIRS, der ersten von ganz vielen Erweiterungen für die ALHAMBRA-Familie, an der Wolfgang Panning beteiligt war.

Auf der Suche nach dem 25. Preisträger konkurrierten 2003 die Spiele
CLANS von Leo Colovini (Winning Moves)
Dorfgründungen für 2-4 Vorzeitmenschen ab 10 Jahren
DIE DRACHENINSEL von Tom Schoeps (Amigo)
Schatzsuche für 3-5 Spieler ab 10 Jahren
und der spätere Gewinner:
ALHAMBRA von Dirk Henn (Queen Games)
Arbeiten an dem islamischen Palast für 2-6 Bauleute ab 8 Jahren