Montag, 20. April 2020
DICKE LUFT IN DER GRUFT
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Memorieren mit Vampiren
Basierend auf der Memory-Idee sind in den letzten 20 Jahren so hervorragende Spiele wie SAGALAND, PATERNOSTER und TILL EULENSPIEGEL entstanden. In die Fußstapfen dieser erstklassigen Ideen tritt mindestens eine der Memoryvarianten des Jahres 2004.
Norbert Proena, ein bisher relativ unbekannter Spieleautor, hat für mein Gefühl einen genialen Wurf mit DICKE LUFT IN DER GRUFT vorgelegt. So stimmungsvoll ist der Memory-Gedanke bisher vielleicht nur in SAGALAND, dem „Spiel des Jahres“ 1982, umgesetzt worden.
Gruselig geht’s zu auf einem zochschen Vampir-Friedhof. Sechzig leibhaftige Gruften mit unterschiedlicher Komfortausstattung - vom Plattenspieler, über ein arg zerfleddertes VILLA PALETTI („Spiel des Jahres“ 2002) bis hin zur Leselampe ist alles dabei – warten auf ihre Bewohner, die vor Tagesanbruch ihre erdige Behausung wieder aufzusuchen haben. Das ist die Aufgabe der drei bis sechs Spieler, die ihre zehn bis zwanzig Vampire stilvoll unterbringen möchten. Das besagt nichts anderes, als dass eine rote Vampirdame in ein durch einen roten Deckel verschlossenes Grab möchte. Sechs verschieden farbige Sargdeckel sind im Spiel, außerdem verbergen sich unter den sechs Deckeln noch Ratten, die hilfreiche Plagen für die Vampire werden können.
Wie bei allen Gedächtnisspielen ist der Spielverlauf bei DICKE LUFT IN DER GRUFT einfach, das Erinnerungsvermögen wird aber steigernd gefordert. Insofern kehrt das Spiel den klassischen Memory-Ablauf um, bei dem immer weniger Karten auf das nahende Ende verweisen. In Proenas Spiel werden die Gräber immer voller und da belegte Gruften tabu für Nachrücker sind, müssen die Spieler sich mehr und mehr einprägen. Hinzu kommen kleine Gemeinheiten, die die Freundschaft unter den Vampiren erhalten helfen. Die einzusargenden Vampire liegen vor den Spielern in einer Reihe aus, nur die jeweils äußeren beiden Vampirkärtchen werden aufgedeckt und nur für die ganz außen liegenden darf eine Gruft gesucht werden. Deckt ein Spieler einen Sargdeckel auf, der nicht der Farbe der beiden Vampire entspricht, darf er eine seiner drei Knoblauchknollen in diese Gruft legen. Stößt später einmal ein anderer Spieler versehentlich auf diese Knolle, gibt’s dafür sofort einen Vampir geschenkt. Noch ärgerlicher wird es aber, wenn ein Spieler auf eine eigene Knolle stößt. Dann ist das Gelächter auf der Seite aller anderen Spieler, die schnell einen ihrer Vampire abwandern lassen. Zu solchen Wechselspielen kommt es auch, wenn Vampire in ihrer Ruhe vor der aufkommenden Morgenröte gestört werden. Jedes Mal gibt es einen Holzpflock zur Strafe, mit dem dritten kommen die Vampirgeschenke der Mitspieler. Sobald ein Spieler seine letzte Vampirkarte in die Gruft legen oder verschenken durfte, endet das Spielvergnügen, das ist meist nach einer halben Stunde der Fall.
Keiner darf sich einbilden, dass er sechzig Grabplätze memorierend im Blick behalten kann, aber drei eigene Knoblauchzehen sollten es schon sein. Die kurze Spieldauer und der hohe Aufforderungscharakter, der durch die fantastische Umsetzung von Zoch & Co. entsteht, sorgen für ständig neues Leeren und Füllen der Gruften. Nicht nur zur Nachtzeit, auch zu allen Tageszeiten herrscht DICKE LUFT IN DER GRUFT.
Die Chancen, dass nach 1982 erneut eine Memory-Variante „Spiel des Jahres“ wird, stehen gut.
Wieland Herold
Verlag: Zoch
Autor: Norbert Proena
Grafik: Victor Boden
Alter: ab 6 Jahren
Anzahl Spieler: 2-4
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 32 Euro
Die Rezension erschien 2004 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: gerne morgen wieder
Spiel 1/2004 R 44/2020
Nach TANTE EMMA (1997) und TONI TAUSENFÜSSLER (2003) war die DICKE LUFT erst die dritte Spieleveröffentlichung für Norbert Proena, dessen Bild vom Autorentreffen in Göttingen 2001 stammt. Außer einer Erweiterung, die 2005 FRISCHE LUFT in die Gruft brachte, ist danach nur noch TIERISCH VERSTECKT (2018) erschienen.
Zwischen 2004 und 2010 konkurrierten gleich fünf Titel um das „Spiel des Jahres“.
Die Bandbreite 2004 war groß und schwankte zwischen Kinder- und Kennerspiel.
Nominiert waren:
DICKE LUFT IN DER GRUFT von Norbert Proena (Zoch)
Memorieren mit Vampiren für 2-4 Kinder und Erwachsene ab 6 Jahren
EINFACH GENIAL von Reiner Knizia (Kosmos)
Genial einfach alleine oder bis zu vier Spielern ab 10 Jahren
RAJA von Michael Kiesling und Wolfgang Kramer (Phalanx)
Arbeiten an einem indischen Palast für 2-5 Bauleute ab 10 Jahren
Der Rubel rollt in ST. PETERSBURG (Hans im Glück) von Michael Tummelhofer für 2-4 Spieler ab 10 Jahren
ZUG UM ZUG von Alan Moon (Days of Wonder)
Gleisbau mit Waggons in den USA für 2-5 Eisenbahner ab 8 Jahren
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