
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Reisespiel durchs ELFENLAND
Eindeutiger Höhepunkt der White Wind-Serie war Alan Moons ELFENROADS, bis vor kurzem ein begehrtes Sammlerobjekt, da die Auflage von 1200 Exemplaren sehr schnell ausverkauft war. Alle, die 1992/93 leer ausgegangen sind, können jetzt aufatmen. Amigo legt eine überarbeitete Fassung vor, die zu den Spielehighlights des 98er-Jahrgangs gehört.
Spielmaterial, grafische Gestaltung (Doris Matthäus hat auch die Neufassung bearbeitet), Preisgestaltung und Spielspaß – alles ist recht stimmig im neuen ELFENLAND.
Die Hauptkritik am alten Spiel galt der langen Spieldauer von meist über zwei Stunden. Deutliche Straffungen haben der Neufassung sehr gut getan, so dass mit der Reduzierung auf etwa eine Stunde Spielspaß das Reisespiel im Elfenland familienspieltauglich wurde. Vor allem der Wegfall des Versteigerungselements mit dem notwendigen Goldkapital und die damit verbundene Rundenreduzierung (früher acht, jetzt vier), haben zu dem zügigeren Spielablauf beigetragen.
Worum geht es eigentlich in dem Spiel? Von der Grundstruktur her ist ELFENLAND ein logistisches Reisespiel. Atmosphärisch lebt es von dem Eintauchen in eine Fantasywelt, in der ungewöhnliche Fortbewegungsmittel benutzt werden. Junge Elfen sollen, bevor sie in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen werden, ihr Elfenreich erkunden und möglichst viele der zwanzig sagenhaften Orte aufsuchen. Mit Drachen, Einhörnern, Trollwagen, Elfenrädern, magischen Wolken, Riesenschweinen und Flößen können sie sich auf die Reise begeben.
Von Elvenhold, der Hauptstadt des Elfenlands, starten zwei bis sechs Spieler mit großen Holzelfenstiefeln als Spielfiguren. Jeder Reiseort ist mit Ortssteinen der Spieler markiert, die es einzusammeln gilt. Zum Reisevorrat gehört eine Übersichtskarte, die die Bewegungsmöglichkeiten der Transportmittel in unterschiedlichen Geländearten anzeigt. So darf sich das Riesenschwein nur in Wäldern und Ebenen bewegen, durch die Wüste kommt man nur mit dem Einhorn, Trollwagen (jeweils zwei Reisekarten) und besonders günstig mit dem Drachen (eine Reisekarte). Jeder erhält solche Karten, die ein Transportmittel anzeigen, und ein Hindernisplättchen.
Die Reiserouten stehen zu Beginn noch nicht fest. Dazu werden die Transportbedingungen im vielfältigen Wegenetz in jeder Spielrunde neu festgelegt. Dies geschieht mit kleinen Transportkärtchen, von denen jeder zu Spielbeginn eine verdeckt zieht. 48 solche Karten sind im Spiel, aus jeweils fünf offenen Karten wählen die Spieler reihum drei Transportmittel aus. Die Auswahl orientiert sich natürlich an den Reisekarten, die man erhalten hat. Abwechselnd werden danach die Kärtchen auf den Wegen platziert, wobei die gelegten Transportmittel für die Reiseroutenplanung aller Spieler Bedeutung haben kann. Außerdem kann eine Hinderniskarte gespielt werden, die zum Ausspielen einer zusätzlichen Reisekarte zwingt. Will kein Spieler mehr ein Transportkärtchen legen, beginnt die erste Reiserunde: Gezogen werden darf nur auf Wegen, auf denen ein Transportkärtchen liegt. Je nach Geländeart und Fortbewegungsmittel müssen ein oder zwei passende Spielkarten abgegeben werden. Wer keine passende Karte hat, darf auch ein Hindernis mit drei beliebigen Spielkarten überwinden. Ohne Transportkärtchen darf man auf Flüssen und Seen vorankommen, dazu benötigt man aber Floß-Reisekarten, von denen man in der Strömungsrichtung der Flüsse eine abgeben muss, rudert man gegen den Strom oder auf den Seen kostet es zwei Spielkarten. In jedem erreichten Ort, erhält man den Ortsstein seiner Spielfarbe.
Nach diesem Prinzip laufen alle vier Spielrunden ab. Der Startspieler wechselt in jeder Runde. Die ausgelegten Transportkärtchen werden eingesammelt und in den Restehaufen eingemischt. Die Reisekarten werden wieder auf acht ergänzt und neue Transportkärtchen gezogen. Nach der vierten Runde gewinnt der Spieler, der am meisten Ortssteine einsammeln konnte, bei Gleichstand derjenige, der noch am meisten Reisekarten auf der Hand hat.
Solange man keine Grübler mit am Spieltisch sitzen hat, die den Spielfluss aufhalten und der Meinung sind, ganz viel bestimmen und ausrechnen zu können, ist ELFENLAND ein stimmungsreiches und zügiges Familienspiel. Von der Spielidee her wirkt es zwar so, als könne man viel planen, letztlich ist man aber doch abhängig von den erhaltenen Spielkarten und den zur Verfügung stehenden Wegeplättchen. Braucht man unbedingt einen Drachen für die Wüste und dieser steht nicht zur Verfügung, kommt man nur mit dem kostenintensiven Einsatz von drei Karten weiter. Meist ist es daher nicht strategische Wegeplanung, die zum Spielsieg führt, sondern einfach nur Glück. Das Verzögerungselement, das dem Führenden mit Hinderniskärtchen Steine in den Weg legt, darf dabei auch nicht überbewertet werden.
Trotz dieser Kritik gilt weiterhin mein Anfangslob: ELFENLAND gehört durch sein gesamtes Spieleambiente zu den herausragenden Neuerscheinungen in diesem Jahr. Es ist ein rundes Spiel für die ganze Familie, das immer wieder zu neuen Städtetouren im Elfenreich einlädt.
Heo
Titel: Elfenland
Verlag: Amigo
Autor: Alan Moon
Grafik: Doris Matthäus
Spielerzahl:2-6
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 45.- DM
Die Rezension erschien 1998 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 6/1998 R 71/2020

Zum Autor:
Alan Moon war in den 80er Jahren für Avalon Hill journalistisch tätig, arbeitete auch an der Spielentwicklung für diese Firma und für Parker Brothers. Dem deutschen Publikum wurde er Anfang der 90er Jahre durch den Verlag White Wind bekannt, den er zusammen mit Peter Gehrmann gründete.
In 1000er Auflagen erschienen so Spiele wie ELFENROADS, das später in der Version von Amigo als ELFENLAND Moons erstes „Spiel des Jahres“ wurde. Zwischen 1998 und 2004 war Moon besonders erfolgreich. Mit UNION PACIFIC (1999) und DAS AMULETT (2001) landete er auf der Nominierungsliste. 2004 gelang ihm sein größter Erfolg mit ZUG UM ZUG, zu dem in der Folgezeit verschiedene Varianten und Erweiterungen erschienen sind und immer noch erscheinen.
ELFENLAND setzte sich 1998 gegen Spiele wie DIE MACHER, MINISTER, EUPHRAT & TIGRIS, DURCH DIE WÜSTE, TONGA BONGA, TYCOON, GIPF und DAVID& GOLIATH durch.
In dieser erfolgreichen Phase war Moon erster Vorsitzender der Spieleautorenzunft. Das Bild stammt aus einem Gespräch zweier Preisträger in Göttingen aus dem Jahre 2005. Werner Hodel und Alan Moon diskutieren, ob der Mississippi oder die Schiene der bessere Transportweg in den USA sei.