Sonntag, 12. Juli 2020
PALADINE DES WESTFRANKENREICHS
Nach den ARCHITEKTEN folgen die PALADINE in Shem Phillips Rückblick auf die Geschichte des Westfrankenreichs. Wer meinte, der Spielspaß des ersten Spiels sei nicht zu toppen, sieht sich getäuscht, das neuseeländische Duo Phillips & McDonald liefert durch vielschichtigere Vernetzung noch mehr Spielspaß, wenn es um Bedrohungen durch Sarazenen, Wikinger und Byzantiner geht. Diesmal werden keine Kathedralen errichtet, sondern Mönche ausgeschickt und Garnisonen gebaut. Glaube, Stärke und Einfluss sind die zentralen punkteträchtigen Kategorien bei den PALADINEn DES WESTFRANKENREICHS. Das Gegeneinander findet aber eher auf der historischen Ebene statt, spielerisch fetzen sich die Akteure nicht so sehr.
Prinzipiell bleiben die beiden Autoren beim Arbeitereinsatz-Mechanismus und bei der Kartensteuerung. Auch grafisch bewegen wir uns auf bekanntem Terrain, die Bildwelt Mihajlo Dimitrievskis scheint uns vertraut, wobei ich diesmal die Ikonographie sogar noch eingängiger finde als im Vorgängerspiel. Der Arbeitereinsatz fällt weniger üppig aus und ist auch nicht ganz so konfrontativ wie bei den ARCHITEKTEN. Dafür ergibt sich eine anspruchsvollere Aktionsvernetzung, die stärker über eigene Spielpläne gesteuert wird. Der gemeinsame schmale Spielplan, dient der Rundenzählung durch Auftrags- und Gunstkarten und der Generierung von Siegpunkten und Verbesserung der persönlichen Eigenschaften.
Gespielt werden sieben Runden, in denen diverse Paladin-Karten neue Arbeiter, zeitlich begrenzte Spezialfähigkeiten und Eigenschaftsverstärkungen bringen, weitere Arbeiter gibt es durch Tavernenkarten. Mit Hilfe der Arbeiter, die Gauner und Tagelöhner, Späher und Krieger, aber auch Geistliche und Händler sein können, dürfen die Spieler unter 12 verschiedenen Aktionen wählen, die sie durch Einsetzen von einem oder mehrerer Arbeiter auslösen. Das geschieht weitgehend über das eigene Spieltableau, genutzt werden können aber auch später variable Gunstkarten, die Vorteile bringen. Die linke Tableauseite führt hauptsächlich zu Ressourcengewinnen, bei der rechten Seite geht es darum, Punkte zu gewinnen und die drei Eigenschaften Glaube, Stärke und Einfluss zu verbessern. Dieser Skalenteil stellt eine Erweiterung der Tugendbilanz des Vorgängerspiels dar. Höherer Personaleinsatz bringt dabei oft höhere Erträge, führt aber auch dazu, dass man schneller aus der Runde aussteigen muss, weil die Arbeiter ausgehen.
Bei den Aktionen der rechten Tableauhälfte lassen sich beispielsweise durch den Einsatz von drei Arbeitern Mönche entsenden, diese brauchen Proviant und eine entsprechende Glaubensentwicklung, um auf dem allgemeinen Spielplan eingesetzt zu werden. So findet nicht nur eine Christianisierung statt, sondern auch der Bau von Mauern und Außenposten, die erneut zusätzlich zu drei Arbeitern Proviant benötigen. Wikinger und andere fremde Völker dürfen angegriffen oder so von der eigenen Sache überzeugt werden, dass sie konvertieren.
Alles dient letztlich dem Erwerb von Siegpunkten, für die am Ende vor allem die Entwicklung der drei Eigenschaftsbereiche wichtig ist. Zusätzlich kommt die Erfüllung von Auftragskarten hinzu und die besonders forcierte Entwicklung beispielsweise bei der Entsendung von Mönchen, die ab dem fünften Mönch Siegpunkte bringt. Punkte gibt es außerdem für konvertierte Fremde, restliches Geld oder übrige Verpflegung. Schuldscheine kosten Punkte, sofern sie nicht beglichen werden.
Die PALADINE DES WESTFRANKENREICHS sind anspruchsvoller als die Architekten. In der Verzahnung aller Elemente ist nicht nur auf die notwenige Eigenschaftsentwicklung zu achten, sondern auch auf die jeweils benötigten Ressourcen. Da braucht es Geld zum richtigen Zeitpunkt, da ist Proviant vonnöten, manchmal auch der passende Arbeiter, weil eine Okkupation eben einen Krieger erfordert oder das Konvertieren einen Priester. Hier ertrinkt man nicht in der Flut von Arbeitern, im Gegenteil hier muss man sehr gezielt auf jedes Detail achten, bis hin zum richtigen Einsatz der Paladin-Karten. Alle verfügen über einen identischen Kartensatz mit zwölf verschiedenen Paladinen. Drei hat man immer zur Auswahl, von denen aber nur einer zum Rundeneinsatz kommt. Trotzdem regelt dieses Element sehr geschickt die weiteren Optionen, denn eine der Karten steht sofort wieder zur Verfügung, während die dritte unter den Stapel geschoben wird. Damit entsorgt man ab der dritten Runde Karten ganz und kommt an diese nicht mehr heran, wogegen man weiß, dass die erste und zweite zurückgelegte Karte noch einmal auftauchen wird. Diese besondere Spielsteuerung durch Karten ist eine spezielle Stärke des Spiels.
Die starke Vernetzung und das Beachten vieler Details macht die PALADINE aber auch grübellastiger, sodass aus den angegebenen 120 Minuten 180 werden können. Trotzdem überragen die PALADINE die bisherigen Spiele an der Nordsee und im Westfrankenreich für mich. Ich bleibe aber gespannt auf den Abschluss der Trilogie, in der es um die BURGGRAFEN des Reiches geht und Worker-Placement durch Deckbuilding ersetzt wird.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: PALADINE DES WESTFRANKENREICHS
Autor: Shem Phillips, S.J. Macdonald
Grafik/Design: Mihajlo Dimitrievski
Verlag: Schwerkraft
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 1 – 4
Spielzeit: ca. 90 - 120 Minuten
Preis: ca. 55 Euro
Spiel 53/2020
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