Dienstag, 14. Juli 2020
UNDERWATER CITIES
Vladimír Suchý ist sich sicher, der Mars wird nicht terraformt, die Zukunft der Erde, die Lösung des Problems der Überbevölkerung liegt für ihn auf dem Meeresgrund. Da hatte er wohl noch nichts von dem Potential der Gesundschrumpfung gehört, Downsizing scheint eine viel sinnvollere Lösung und Ressourcennutzung zu sein. Nun ja, dazu gibt es nur Matt Damon, der sich durch zellulare Miniaturisierung auf ein Lebensniveau von 13 cm transformiert hat, und leider noch kein Spiel.
Da bleibt uns nichts übrig, als den Visionen Suchýs zu folgen, der unter Wasser ein Netzwerk von Kuppelstädten, Tunneln, Farmen, Entsalzungsanlagen und Laboren entstehen lässt. Eine gut vernetzte Utopie, die der tschechische Autor erstmals nicht bei CGE, sondern im Eigenverlag Delicious Games herausgebracht hat.
Alle starten mit einer kleinen Unterwasserstadt unter weißer Kuppel. Im tiefen Wasserblau der näheren Umgebung sind theoretische Gründungsplätze für weitere Städte vorgesehen, auch Tunnelverbindungen sind schon geplant, in weiter Entfernung liegen in den anderen Ecken des Plans drei Landmetropolen, deren Verbindung mit der Ausgangsstadt Vorteile bringt.
Zur Fortentwicklung braucht es Ressourcen, Tang, Stahlplastik, Biomasse, Credits und Wissenschaftsplättchen sind hilfreich. Über zehn Runden hinweg und drei Epochen, entfaltet sich die Unterwasserstadt, erst zögerlich, dann immer dynamischer. Für die Steuerung wichtig sind Kartendecks der jeweiligen Epochen und eine Art Worker-Placement System, wobei die Arbeiter in UNDERWATER CITIES einfach nur Aktionsplättchen sind. Drei Karten wählt jeder für eine laufende Ära aus, die reihum gekoppelt mit den Plättchen gespielt werden. Die Kartenfarben korrelieren mit den Aktionsfeldern, von denen es je fünf pro Farbe gibt. Stimmen die Farben überein, darf nicht nur das Aktionsfeld, sondern auch die Kartenfunktion genutzt werden. Da gibt es Soforteffekte, dauerhafte Vorteile und Karten für die Schlusswertung, außerdem Aktions- und Produktionskarten, die nur einmal innerhalb einer Epoche genutzt werden können.
Alles dient der Ressourcengewinnung, die wiederum notwendig sind, um neue Städte, Tunnelverbindungen und Fabriken an den Städten zu bauen, die in den drei Produktionsphasen des Spiels Ertrag abwerfen, der die Unterwassermaschinerie in Fluss hält und dynamisch voranbringt. Mit aufgewerteten Fabriken, zum Beispiel doppelten Entsalzungsanlagen. lässt sich dann auch Biomasse produzieren, die wiederum den Bau punketrächtigerer symbiotischer Stadtkuppeln ermöglicht. Bei aller Entwicklung muss ausreichend Tang vorhanden sein, denn nach jeder Produktionsphase wollen sämtliche Städte im Netzwerkverbund ernährt werden.
Siegpunkte gibt es schon für entwickelte Systeme wie symbiotische Städte während der Produktionsbasen, am Ende werden angeschlossene Metropolen gewertet, spezielle Karten für die Schlusswertung und die verbundenen Städte im Netzsystem. Je mehr verschiedene Produktionsgebäude an den Städten angrenzen, umso mehr Punkte gibt es dafür. Wer alle drei Gebäudetypen an eine Stadt gebaut hat, bekommt sechs Punkte, statt drei für einen Anhang. Außerdem bringen restliche Ressourcen noch einige Punkte.
Das Interesse an bestimmten Einsatzfeldern verändert sich im Laufe des Spiels, sind am Anfang klassische Ressourcenfelder, bei denen es drei Rohstoffe zu gewinnen gilt, begehrter, tritt dann später die Konkurrenz beim Städte-, Tunnel- oder Gebäudebau auf. Das richtige Timing ist hier wichtig und natürlich auch die Beobachtung der Nachbarn, damit diese einem nicht den Doppeltunnel vor der Nase wegschnappen. Das ist alles fein austariert, vielschichtig in der Entwicklung und der damit verbundenen Vernetzung der eigenen Unterwasserwelt.
Die Komplexität macht UNDERWATER CITIES zum Expertenspiel, dessen Ablaufstrukturen aber durchaus eingängig sind. Wer anfangs meint, die Übersichtskarte mit Baukosten und Erträgen würde er nie verstehen, merkt bald, dass Suchý gute ikonographische Lösungen gefunden hat. Auf zwei bis drei Stunden Spieldauer muss man sich aber einstellen, das gilt vor allem für das Spiel in Vollbesetzung. Durch das Worker Placement-Element sind alle stets beteiligt, da man im Blick behalten muss, ob die eigene Planung aufgeht oder neue Wege beschritten werden müssen. Interessant sind dabei die Kopplungszwänge, die sich der Autor mit den Karten hat einfallen lassen. Man will eigentlich keine Karte verschenken und plant seine Aktionen um die Farben seiner drei Karten herum. Solche Zwänge sind typisch für die Gesamtkonstruktion des Spiels, das, was bei den Karten auftaucht, spielt auch eine Rolle bei den Produktionsgebäuden. Doppelte Gebäude bringen höhere Erträge, meist verhindern sie aber den Bau von drei verschiedenen Produktionsstätten um die Städte herum, die am Ende wieder ganz viele Punkte abwerfen.
Wem die drei Stunden zu viel sind, der sollte UNDERWATER CITIES auf alle Fälle zu zweit ausprobieren, da spielen sich die gut 60 Aktionen recht zügig und am prinzipiellen Aufbaugefühl der eigenen Stadt ändert sich nichts. Dass diese unter Wasser liegt, spürt man nicht wirklich. Wenn wir den ernährenden Tang beiseitelassen, dann könnten auch Mond und doch der Mars das Kuppelsystem beherbergen.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: UNDERWATER CITIES
Autor: Vladimír Suchý
Grafik/Design: Milan Vavroň
Verlag: Delicious Games
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 1 – 4
Spielzeit: ca. 90 - 180 Minuten
Preis: ca. 40 Euro
Spiel 54/2020
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