Sonntag, 19. Juli 2020
THE KING’S DILEMMA
THE KING’S DILEMMA ist das zweite Legacy-Spiel auf den diesjährigen Nominierungslisten der Jury Spiel des Jahres. Die Kenner-Spielidee der Autoren Hjalmar Hach und Lorenzo Silva ist bei Horrible Guild und HeidelBÄR Games erschienen. Wenn man dem zweiten nominierten Spiel MY CITY vorwerfen kann, dass der historische Entwicklungsrahmen in keine ordentliche Geschichte verpackt wird, ist das gerade die Stärke von THE KING’S DILEMMA. Aus rein epischer Perspektive betrachtet, gab es wahrscheinlich noch kein Legacy-Spiel, das so stimmig in eine Geschichtenwelt eingestiegen ist.
Wir bewegen uns in einer fiktiven „oftmals grausamen Fantasy-Welt“, die uns moralisch fordert. Minimal drei, maximal und auch möglichst fünf Markgrafen und Herzöge gehören dem königlichen Rat des Reiches von Ankist an, das mittelalterlich feudal organisiert ist. In den anstehenden Verhandlungen gilt es, das Königreich voranzubringen und dabei genügend Vorteile für das eigene Haus herauszuschlagen. So sammelt man Ansehens- oder Ambitionspunkte, die für das Kampagnenende wichtig sind.
Für die Spielmechanik stellt Horrible Guild auch gar nicht Legacy in den Vordergrund, sondern das Dilemma Card System, das die Spieler immer wieder vor neue Entscheidungen stellt und verschiedene Geschichtenstränge voranbringt. Der Zustand des Königreichs wird über ein Spielbrett angezeigt mit Markern in unterschiedlichen Bereichen. Entscheidungskarten für Abstimmungen, Machtmarker, Geld und eine geheime Zielkarte stellen das persönliche Ausgangsmaterial dar.
Der Ablauf ist letztlich simpel. Der Rat muss ständig Entscheidungen treffen, die stets ausdiskutiert werden. Bin ich dafür, dagegen oder halte ich mich raus? Eine Art Versteigerung mit Machtplättchen sorgt für eine Lösung. Da darf argumentiert werden, auch Geld fließt und im Hinterkopf ist immer die eigene Agenda. Wer sich raushält, gewinnt neue Machtmarker von den Gewinnern. Die Unterlegenen verlieren zumindest keine. Der Gewinner wird meistens neuer Anführer und steht mit seiner Unterschrift gerade für die getroffene Entscheidung. Dann werden die Konsequenzen des Diskussions- und Abstimmungsergebnisses ausgewertet, was zu Veränderungen der Anzeigen auf dem Spielbrett führt. Da kann sich das Reichsvermögen vermehren oder schwinden, da hebt oder senkt sich die Moral. Verbunden mit diesen Anzeigen ist ein Stabilitätsmarker, der bei Extremständen zum Ende der Partie führt, das auch durch viele Dilemmakarten ausgelöst werden kann, der König dankt dann ab oder stirbt. Zusätzlich wird oft ein neuer Umschlag geöffnet, der einen Geschichtenstrang voranbringt und drei neue Dilemmakarten beinhaltet. Zum Schluss wertet man etwas aufwändig die geheime eigene und eventuelle offene Agenda-Karten und weitere Ressourcen des adligen Hauses aus, um im Vergleich mit den anderen die eigne Bilanz beim persönlichen Ansehen und den eigenen Ambitionen zu verbessern. Was das letztlich wert ist, bleibt bis zur Schlussrunde unklar, die frühestens nach der 15. Partie eintritt.
Das Spiel bietet eine exzellente Geschichtenerzählung und Entscheidungszwickmühlen, die nicht nur aus moralischer Perspektive beantwortet werden können. Die Dilemmata sind nicht die des Königs, sondern die aller Beteiligten. Hjalmar Hach und Lorenzo Silva haben ein außerordentlich intelligentes Spielkonzept entworfen, das es so noch nicht gab.
Die Geschichtenstränge, die realen Entscheidungsprozesse, auch das austarierte System der Ressourcenleiste mit dem verbundenen Zeigerausschlag der Stabilitätsanzeige, alles macht Sinn. Nur die abschließenden Punktberechnung am Ende der Runden, aus der sich eine Rangfolge für die Partie ergibt, empfinde ich als umständlich. Meine Probleme habe ich auch mit der letzten Runde, bei der sich die Schlussauseinandersetzung wie ein ganz anderes Spiel anfühlt. Da hätte ich mir eine organischere Lösung gewünscht, sodass man im Vorspiel gezielter auf die letzte Runde hin spielen kann. Durch Bekleben und Beschreiben ist THE KING’S DILEMMA nur für eine Kampagne spielbar wie die meisten Legacy-Spiele. Auffallend und irgendwie frustrierend sind aber in diesem Spiel die extrem vielen ungeöffneten Umschläge und nicht genutzten Sticker. Da bleibt viel verborgen, was sich auch wohl nur (zum Teil) enthüllen wird, wenn man eine neue Kampagne mit neuem Spiel beginnt. Denn bei aller Kritik, entscheidend in dem Spiel von Horrible Guild ist das Spielerlebnis, das gemeinsame Fortschreiten in der Geschichte mit einer möglichst nicht wechselnden Spielgruppe.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: THE KING’S DILEMMA
Autoren: Hjalmar Hach und Lorenzo Silva
Grafik/Design: Giorgio Baroni
Verlag: Horrible Guild und HeidelBÄR Games
Alter: ab 14 Jahren
Spielerzahl: 3 – 5
Spielzeit: ca. 45 - 60 Minuten
Preis: ca. 70 Euro
Spiel 56/2020
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