
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Neues aus Kleinmachnow
Die Erfinderwerkstatt Kleinmachnow / Bonn mit den Autoren Michael Sohre (MINOTAURUS) und Werner Falkhof (PUSHER) läuft zurzeit auf Hochtouren. Die Kooperation dieser Autoren ist endlich einmal ein positives Beispiel für das Zusammenwachsen unserer beiden deutschen Staaten.
Michael Sohre (Deutschland-Ost) hat nach seinen ersten, noch mit den von Produktionsmängeln alter DDR-Tradition belasteten Gehversuchen (DIE ALTEN RITTERSLEUT) durch die Zusammenarbeit mit dem hochgepuschten Werner Falkhof (Deutschland-West) eine Nische auserlesener Spieleproduktionen entdeckt, die als Designer-Spiele Objektwerte darstellen.
Ein optischer Blickfang, der in Essen vorgestellt wurde, ist CUBICADO von Werner Falkhof und Michael Sohre. Als ästhetisches Spielobjekt gibt die Idee durch ihre Holz- und Farbgestaltung viel her. Es erreicht dabei fast die Qualität der Produkte der Schweizer Firma naef. Wie es mit dem spielerischen Niveau aussieht, soll im Folgenden dargestellt werden.
Auf den ersten Blick faszinierend scheint die Idee von CUBICADO zu sein. In einer großen, äußerst stabilen Holzkiste befinden sich 75 gelochte Holzwürfel in vier verschiedenen Größen, jeweils in unterschiedlichem Blauton gehalten, farblich hervorragend abgestimmt zu dem tiefschwarzen Gesamtgehäuse. Der quadratische Deckel der Kiste ist gleichzeitig das Spielfeld. Der geriffelte Boden erinnert etwas an Wittigs Würfelpyramidenuntersatz. Er sorgt dafür, dass die Würfel, wenn sie in den Deckel geschüttet werden, sich zu einem unregelmäßigen Geröllhaufen auftürmen. Dieser große Würfelhaufen muss nun im Spiel nach MIKADO-Manier abgetragen werden. Zwei Holzstäbchen, in die Bohrungen der Würfellöcher gesteckt, sind die Hilfsutensilien beim Tagebau der Würfelhalde. Die 40 kleinen Würfel bringen einen Punkt, 20 etwas größere zwei Punkte, dann ergeben zehn ziemlich große und fünf ganz große Würfel vier bzw. acht Punkte. Die Regel entspricht der des MIKADO-Spiels, sobald ein Würfel sich bewegt, ist der nächste Spieler an der Reihe. Herabgefallene Würfel werden aus dem Spiel genommen. Man spielt solange, bis alle Spieler passen, weil sie der Meinung sind, dass ohne Wackler kein Würfel entnommen werden kann, oder bis zum bitteren Ende, der leeren Kiste also.
Der Anfangsspielreiz ist hoch, schnell stellt man dann aber fest, dass die scheinbar stabilen Würfel von CUBICADO den wackligen, dünnen MIKADO-Stäbchen deutlich unterlegen sind. Das Würfelgebilde nach einem Stäbchenwurf mag noch so grazil sein, es ist in sich stabiler und damit prädestinierter für die Herausnahme von Stäbchen als die wuchtige Würfelhalde. Bis auf die ganz kleinen Würfel kann fast kein anderer ohne Wackler entnommen werden. So kommt ganz schnell Frust auf, da man nur selten mehrere Würfel hintereinander in die Wertung bekommt. Das Material ist toll, die Grundidee einer MIKADO-Variante pfiffig, aber Spielspaß stellt sich nicht ein. Vielleicht sollten die Theta-Macher das schöne Spielmaterial für Regelvarianten mit taktischen Spielideen freigeben, die schöne Spielkiste hätte es verdient
(Wieland Herold)
CUBICADO
Autoren: Michael Sohre, Werner Falkhof
Verlag: Theta
Spieler: 1-5 Spieler
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: 20 Minuten
ca. 90.- DM
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 3 von 10 Sternen,
das entspricht: Vielleicht nächsten Monat wieder
Spiel 3/1995 R 86/2020
Zu den Autoren:
Michael Sohre war neben Wolfgang Großkopf der erste Spieleautor aus der DDR, der im Westen präsent war. Sohre war zu DDR-Zeiten Produktionsleiter für die Defa, aber auch schon vor 1989 interessierte sich der ausgebildete Werkzeugmacher für die Spielzeugentwicklung und entwarf Baukastensysteme.
1993 gründete er mit dem Bonner Werner Falkhof, der gerade mit PUSHER reüssierte (Auswahlliste 1993) den Theta Verlag, der 1995 für Sohres TRI-BA-LANCE mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet wurde und in Frankreich den „Super As D’Or“ erhielt. Folgeprodukte wie HEADQUARTER und HANDICAP waren weitere herausragende Spiele.
Die Designobjekte von Theta setzten sich leider nie so richtig durch. Zwischenzeitlich übernahm sie ASS, dann stellte die Firma aber ihre Produktion ein.
Seit der Jahrtausendwende experimentierten beide in Kleinmachnow mit einem Material, das zu neuer ästhetischer Qualität im Brettspielbereich führen sollte. Sohre wandte sich vom Holz ab und begab sich auf die Suche nach Möglichkeiten, Kunststoffe zu ersetzen. Ihr Ergebnis nannten sie „THETA-Stone“. Ihr Geheimrezept lässt wie Steinholz eine sehr kurze kalte Aushärtung von nur zwei Stunden zu. Abgeformt wurde in kostengünstige Kautschukformen, Figuren, Objekte einzeln, Spielsteine in Platten, die mit Wasserstrahltechnik exakt geschnitten werden. Die Nachbearbeitung fand wie bei Holzfiguren in Schleiftrommeln statt. In Spielen wie LETTER STONE und einer Neuauflage von MINOTAURUS zeigten sie die Qualitäten des Stoffes.
2011 verstarb Sohre leider viel zu früh mit 62 Jahren, drei Tage vor seiner liebsten Spielemesse in Essen.
Das obere Bild zeigt Michael Sohre in Essen 1995 mit CUBICADO, das zweite Bild zeigt Falkhof und Sohre in Kleinmachnow mit Theta-Stone-Produkten.