Samstag, 19. September 2020
WALKABOUT
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Wanderung im australischen Outback
Das Thema Australien bleibt nach NOMADI für Reinhold Wittig auf der Tagesordnung. Erneut fasziniert er mit einer innovativen Spielidee, die die dritte Dimension mit ins Spiel bringt. Das neue Spiel WALKABOUT stellte er 1996 auf dem 15. Spieleautorentreffen der Öffentlichkeit vor und erfuhr viel Anerkennung.
WALKABOUT ist ein kreatives Zeichenspiel mit einem Gestaltungspiel vor Spielbeginn. Ein Spielplan mit einer Flussbettzeichnung und symbolhaften Bildern am Längsrand wird erst einmal zu einer stimmigen australischen Landschaft aufgepeppt. Kleine Büsche, große und kleine Steine und zwei Kängurus stehen als Spielmaterial zur Verfügung, wobei Erweiterungsideen keine Grenzen gesetzt sind, ein kleiner Sandhaufen, trockenes Moos und weitere Tiere sind denkbar.
Das Spiel wird in zwei Gruppen gespielt. Jede Gruppe erhält einen Leiter, sodass mindestens vier Spieler beteiligt sein müssen. Für jede Gruppe gibt es Setzsteine einer Farbe, außerdem noch Papier und Bleistifte. Die beiden Leiter zeichnen auf einer Planskizze einen Weg ein, der bei einem der fünf Symbole auf einer Spielplanseite beginnen muss und auf der anderen gegenüberliegenden Seite bei einem anderen Symbol endet. Die beiden Wegeskizzen werden anschließend ausgetauscht.
In zehn Etappen müssen nun die Gruppenführer ihre Gruppe den Weg der anderen Gruppe führen. Hier liegt die Schwierigkeit, aber auch der besondere Reiz von WALKABOUT: Alle Spieler müssen sich gedanklich in die dreidimensionale Spielfläche hineinversetzen. Der jeweilige Spielleiter zeichnet ein Bild, das er von dem Punkt aus sieht, der den Startpunkt der Gruppe darstellt. Perspektivisches Sehen ist nötig, das in eine kleine Zeichenskizze umgesetzt werden muss. Andeutungen genügen - Känguruohren, die über einen Stein hinausragen, daneben ein kleiner Strauch -, die Anforderungen an das Zeichentalent sind daher nicht allzu hoch.
Erkennt die Gruppe den Standort, wird einer der Gruppensteine an diese Stelle gelegt und eine neue Wegetappe gezeichnet. Zeitgleich, also nicht abwechselnd, arbeitet die zweite Gruppe an ihrem Weg, denn es geht in der ersten Spielvariante darum, als erste Gruppe in zehn Einzelschritten den Zielpunkt zu erreichen.
In einer zweiten Variante werden 32 Punktesteine zusätzlich noch auf dem Plan verteilt. Sie haben unterschiedliche Wertigkeit, einen oder zwei Pluspunkte, aber es gibt auch Steine mit zwei Minuspunkten. Führt ein Weg in die Nähe eines Punktesteines, kann die Gruppe jeweils entscheiden, ob der Stein mitgenommen wird oder nicht. Wer zuerst zum Ziel kommt, erhält in dieser Variante fünf Punkte. Da am Ende die gesamten Punkte zählen, muss diese Gruppe aber nicht automatisch gewonnen haben.
WALKABOUT bietet ganz neue, überraschende Spielerfahrungen. Das Spielprinzip ist beliebig transferierbar. Ein Kinderzimmer ist ebenso wie eine Marslandschaft dafür geeignet. Eine geniale neue Idee Reinhold Wittigs.
Wieland Herold
Spieletelegramm:
Titel: WALKABOUT
Verlag: Edition Perlhuhn
Autor: Reinhold Wittig
Spielerzahl: ab 4 Spieler
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 65.- DM
Die Rezension erschien 1996 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 19/ 1996 R 115/2020
Zum Autor:
Über den Göttinger Geologen, Puppenspieler, Künstler und Spieleerfinder ließen sich Seiten füllen. Ich halte mich an dieser Stelle kurz:
Reinhold Wittig, der 83jährige Erfinder des Spieleautoren Treffens in Göttingen, entwickelt seit 1958 Spiele. 1976 gründete er seinen Kleinverlag Edition Perlhuhn, der mit Skaiplänen und Spielen in der Rolle bekannt wurde.
Zu seinen bekanntesten Spielen gehört die Würfelpyramide DAS SPIEL (1980 mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet), das heute immer noch von Abacus vertrieben wird. Für WIR FÜTTERN DIE KLEINEN NILPFERDE und MÜLLER & SOHN bekam er ebenfalls diese Auszeichnung, für die Grafik war jeweils sein Sohn Matthias verantwortlich. Seine ästhetischen Maßstäbe für Spielmaterial und Optik haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der einfache Pöppelalltag aus den Spieleschachteln verschwand. Den Kosmos-Verlag brachte er durch edle Spiele in der Reihe mit der Feder voran, darunter auch eigene Veröffentlichungen wie MARITIM, das 1987 Chancen auf das Spiel des Jahres hatte. In den 90er Jahren prägt seine Handschrift die Spiele von Blatz. KULA KULA und das hier schon vorgestellte DOCTOR FAUST aus diesem Verlag bekamen ebenfalls den Preis für das Schöne Spiel. Die ganz großen Erfolge blieben dann zwar im neuen Jahrtausend aus, immerhin landete CORNU 2007 auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury und MOGULI erhielt 2013 eine MinD-Würdigung.
Die Organisation des Autorentreffens hat Wittig 2016 an die SAZ übergeben, in seiner Edition Perlhuhn unterstützt ihn seit letztem Jahr Timo Diegel.
Das Bild zeigt Reinhold Wittig 1995 auf „seinem“ Autorentreffen in Göttingen.
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