
Michael Schmitt, der 2006 das Spielecafé Spielwiese gründete, dessen Autorenstammtisch inzwischen legendären Status in Berlin besitzt, hat mit seiner Edition Spielwiese vielen jungen Autoren Publikationsmöglichkeiten geboten, die auch für den Verlag Erfolge brachten. Schmitts Mischung aus Rosenberg-Spielen und Ideen von Nachwuchskräften wie Sophia Wagner, Carlo Bartolini, Paul Schulz und Richard Haarhoff haben der Edition ein abwechslungsreiches Programm beschert mit vorzeigbaren Ergebnissen wie dem Platz auf der Empfehlungsliste 2018 für MEMOARRR! und die Nominierung zum Spiel des Jahres 2020 für NOVA LUNA. Aktuell hat er die Szene vorab mit einer Marketingkampagne mit Postkarten zu MICROMACRO - CRIME CITY unterhalten. Den Wimmelbild-Plan in Dimensionen über einem Meter Länge konnte ich schon im letzten Jahr auf der vorerst letzten realen Spiel in Essen bewundern. Von der Idee Johannes Sichs (COSA NOSTRA) zeigte sich Schmitt damals sehr angetan.
An den Erfolg von Bartolinis MEMOARRR! versucht sich Richard Haarhoff aktuell mit MEMORINTH anzuhängen. Das MEMO-Element verknüpft er mit einer Art verrücktem Labyrinth in einem Märchenwald. Wie Hänsel und Gretel müssen die bis zu vier Spieler aus dem Wald herausfinden, der einige Eigentümlichkeiten aufweist. In einem 5x5-Raster wechseln sich Tag- und Nacht-Karten mit unterschiedlich gedrehten T-Wegen ab. Im Kreuzungszentrum stehen die Spielfiguren, die möglichst schnell aus dem Waldlabyrinth entkommen wollen. An den Waldrändern liegen jeweils zwei Märchenfiguren oder Motive, die für die Spielsteuerung wichtig werden.
Wer am Zug ist, dreht eine beliebige Waldkarte von der Tag- auf die Nachtseite oder umgekehrt, die Startspielerkarte gibt dabei die zu nutzende Tageszeit vor, wichtig ist, dass die Ausrichtung der Bäume erhalten bleibt. Das Märchenmotiv, dass nun auf der Karte zu sehen ist, zeigt die Bewegungsrichtung für die eigene Spielfigur. Sofern es eine Wegeverbindung gibt, darf man sich in Richtung der Märchenfigur um eine Waldkarte fortbewegen. Wer auf diese Weise zuerst an beliebiger Stelle den Märchenwald verlassen kann, gewinnt MEMORINTH.
Wie schon bei Bartolini ist auch Haarhoffs MEMO-Variante vielschichtig. Einmal müssen sich alle einprägen, wo sich Märchenfiguren befinden, damit sie ihre Figur in deren Richtung bewegen können, andererseits müssen sie sich aber auch ein passendes Wegenetz zurechtlegen, damit sie überhaupt in Bewegung kommen. Besetzte Felder sind für die Mitspieler tabu, sodass jeder schon für seinen eigenen Weg verantwortlich ist. Da zusätzlich noch die Tag- und Nacht-Situation beachtet werden muss, ist das ganz schön knifflig.
Wer stärker gefordert werden möchte, kann zu den MEISTER MEMORINTH-Varianten übergehen, in denen beispielsweise wie in Kobberts LABYRINTH Karten verschoben werden. In einer anderen Variante, müssen Wege-Kobolde bezahlt werden, wenn man an ihnen vorbeikommen möchte. Alle Varianten reduzieren die Zahl der Märchenkarten am Märchenwald auf vier, wobei die restlichen vier Karten sich auf die Aktionskarte auswirken, die hier die Erschwernisse bringt.
Die genial einfache Folgestruktur beim Aufdecken der Karten in MEMOARRR! fehlt der Idee Haarhoffs. MEMORINTH wirkt unnötig kompliziert, da springt der Begeisterungsfunke leider nicht so schnell über, zumal der Zufall manchen den Weg ebnet, ohne dass sie sich gedanklich recken müssen.
Die bisherige redaktionelle Stärke der Edition Spielwiese bleibt diesmal auf der Strecke, das lässt sich an Anleitungsfehlern aufzeigen, aber auch an grafischen Setzungen, die mich nicht überzeugen. Da kommt Rotkäppchen eher als kleiner Zwerg daher und Aschenputtel mit Kürbiswagen. Mitspielende Grundschulkinder haben gerade einmal Tischlein Deck Dich und den Froschkönig als Motiv erkannt. Da das Grundspiel ab sechs Jahren empfohlen wird, hätte sich Pablo Fontagnier auch eher an dieser Zielgruppe orientieren sollen.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: MEMORINTH
Verlag: Edition Spielwiese
Grafik: Richard Haarhoff
Autor: Pablo Fontagnier
Spielerzahl: 2 - 4
Alter: ab 6 Jahren
Spieldauer: ca. 10- 30 Minuten
Preis: ca. 16.- Euro
Spiel 61/ 2020