
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
AZTEC – schönstes Spiel des Jahres
Niek Neuwahl hat als Spieleautor in den meisten seiner Spiele ein hervorragendes Gespür für die Umsetzung einfacher, aber pfiffiger Spielideen bewiesen. Das zeigt sich vor allem bei seinen dreidimensionalen Spielen wie PITAGORAS und ATZEC, aber auch an seinen witzigen Spielideen, die er Anfang der 90er Jahre bei Peri unterbringen konnte, so das Wendekartenspiel THE COCOOS und den Wettlauf der Gurken im GURKENSOLO, bei dem ein um die Ecke Denken von den Spielern verlangt wird.
Das Pyramidenbauspiel AZTEC ist ihm bisher am besten gelungen. In Neuwahls Vorstellung haben die Azteken ihre Stufenpyramiden zwar aus identischen Steinblöcken zusammengesetzt, aber diese waren seltsam sperrige Gebilde. Seine in sechs Würfelabschnitte aufgeteilten Bausteine wirken wie ein L-Formduo mit jeweils zwei identischen Steinen, die verdreht zueinanderstehen, einmal liegend, einmal stehend.
Mit dem Münchner Zoch Verlag hat der in Italien lebende Holländer Neuwahl einen kongenialen Partner für die Umsetzung seiner Idee gefunden. Seit dem BAUSACK ist der Verlag auf wertige Holzprodukte spezialisiert, was er auch mit dem Balance-Spiel BAMBOLEO beweisen konnte. Albrecht Werstein und Klaus Zoch, die Macher dieses Verlages, haben die 22 Pyramidenbausteine in eine trichterförmige Holzkiste verpackt, die umgedreht einen wunderbaren Spielsockel für die Pyramide ergibt. Alles in Blautönen gehalten, auch in der Farbabstufung der Steine.
Spieltechnisch spielt das allerdings überhaupt keine Rolle. Neuwahl hat sich für das Bauduell an seiner aztekischen Pyramide etwas ganz Eigenes ausgedacht. Gewertet werden nur die äußersten Steine der dritten Etage, höher darf gar nicht gebaut werden. Ein Baumeister bekommt seine Punkte von der Nord- und Südseite, der andere nimmt mit den beiden anderen Himmelsrichtungen vorlieb.
Jeder neu gesetzte Stein muss mit mindestens zwei Flächen an vorhandene Bausteine angrenzen und darf auch nicht über die Grundfläche hinausragen. In sich stabil soll ebenfalls alles bleiben, Luftbrücken sind nur über ein Feld hinweg erlaubt. Sobald alle 22 Steine auf der 9x9 Felder großen Pyramidenplattform verbaut sind, wird gewertet.
In der Variante zu dritt übernimmt ein Spieler die Rolle eines Aztekengotts, der die Bauziele sabotiert. Das Spannende an dieser asymmetrischen Konstellation ist die Zuordnung dieser Aufgabe. Aztekengott „Ah Puch“ wird man nämlich nur nach einer erfolgreichen Abwärtsversteigerung. Derjenige, der die niedrigste Zahl bietet, gewinnt, wenn keiner der beiden anderen mehr Punkte als die gebotene Zahl erreicht.
AZTEC ist ästhetisch und haptisch ein Genuss, spielerisch ein Vergnügen, für diejenigen, denen das notwendige räumliche Vorstellungsvermögen beim Einbau der verdrehten Steine nicht abgeht. Genial ist die Einbindung eines dritten Spielers über eine Versteigerung. Den Kritikerpreis „Schönes Spiel“ haben sich Zoch, Werstein und Neuwahl zurecht verdient, sie lassen sich dafür aber auch teuer mit einem Sebastian Münster bezahlen
Wieland Herold
Titel: AZTEC
Verlag: Zoch
Autor: Niek Neuwahl
Spielerzahl: 2 -3
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 15 bis 25 Minuten
Preis: ca. 100.- DM
Die Rezension erschien 1997 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 10/ 1997 R 124/2020

Zum Spiel und zum Autor:
Der 1944 im niederländischen Zoeterwoude geborene Nicolaas Neuwahl wollte und sollte als Architekt eigentlich einen eher sicheren Berufsweg einschlagen. Erst als er Mitte der 70er Jahre mit seiner italienischen Frau in die Nähe von Florenz zog, erfuhr er, nach dem Verkauf der schwiegerväterlichen Firma, einer Fabrik die Waagen herstellte, und seinem Eintritt in eine Geschenkartikelfirma, dass man spielend gutes Geld verdienen kann. Der auf Werbeprodukte spezialisierten Firma gelangen hervorragende Umsätze mit dem einfachen KLAPPENSPIEL, das er 1984 als SHUT THE BOX sogar als Lizenzausgabe bei MB unterbringen konnte.
Finanziell hat er das meiste Geld über Werbespiele verdient, wahrgenommen wurde er zuerst für die vielen Spiele bei Peri und seinen Erfolg mit AZTEC, später kam noch die Auszeichnung für TA YÜ (Kosmos, 1999) dazu und Würdigungen für TOSCANA (Piatnik, 2001).
Niek Neuwahl engagierte sich zusätzlich, um uneigennützig für die Verbreitung des Kulturguts Spiel und für Interessen der Spielautoren einzutreten. So hat er von Anfang an die Arbeit der Spielautoren Zunft (SAZ) wohlwollend begleitet und war von 1997 bis 1999 Vorsitzender der Zunft. Während dieser Tätigkeit konnte er besonders den internationalen Anspruch der SAZ betonen. In Italien unterstützte er als Juror die Arbeit des inzwischen auch über die italienischen Grenzen hinaus bekannten Autorenpreises „Premio Archimede“, der seit 1993 vergeben wird. Daneben gehört er mit zum Patronat der international bekannten „Board Game Studies“. 2004 erhielt er während des 23. Göttinger Spieleautorentreffens den Inno-Spatz für sein Lebenswerk.
Das untere Bild zeigt Niek Neuwahl 1995 in Göttingen bei einer Partie mit dem Prototypen von AZTEC mit Max Kobbert.