
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Michail Antonow, neuer Autor in neuem Verlag
Der inzwischen leider nicht mehr existente Verlag Pro Ligno hatte sich die Marktnische der edlen, in Holz produzierten Taktikspiele reserviert. Dass der Spielemarkt in Bewegung bleibt, haben nicht nur die Konzentrationsprozesse des letzten Jahres belegt. Neue Pflänzchen entstehen trotz oder vielleicht auch gerade wegen der Dominanz der großen Verlage. So versucht es Roland Siegers mit dem neu gegründeten Relaxx-Verlag und auch für Pro Ligno gibt es einen Nachfolger: Dieser ist schon in Essen mit seinen ersten Produkten aufgefallen. Mit drei weiteren Neuheiten macht der neue Verlag in Nürnberg deutlich - darunter auch mit Knizia-Spielen -, dass er keine Eintagsfliege werden möchte. Es handelt sich um Norbert Dinters Holzspielwaren.
Mutig setzt der Verlag mit seinen beiden Erstveröffentlichungen dabei auf einen recht unbekannten Spieleautor, den gebürtigen Bulgaren Michail Antonow - ehemaliger Redakteur bei der Deutschen Welle –, der mit den beiden Neuheiten COLORADO und PULA reüssierte. Beides wunderschöne Holzobjekte, wobei vor allem die Spielidee des zweiten Spiels überzeugt. COLORADO ist ein Setzspiel für zwei bis vier Spieler, bei dem in 36 Spielfeldmulden zweifarbige Spielfiguren eingesetzt werden, wobei die Spieler versuchen, möglichst große farbgleiche Gruppen zu erreichen.
Das Spiel PULA ist ein reizvolles taktisches Zweipersonenspiel, in dem es um die Eroberung von 37 Sechseckfeldern geht. Jedes Sechseck besitzt in seinen Ecken ein Loch, wobei die Randfelder im Außenbereich keine Löcher haben. Durch Setzen heller und dunkler Steckhölzer versuchen die beiden Spieler die Dominanz über ein Feld zu gewinnen, was im Randbereich sehr leicht ist, umkämpft sind vor allem die Mittelfelder.
Sobald ein Spieler einen Stecker seiner Farbe in ein beliebiges Spielfeldloch gesteckt hat, gilt sein Gewinnanspruch für die drei angrenzenden Sechseckfelder. Er markiert diese mit runden Holzscheiben seiner Farbe. Erst wenn der gegnerische Spieler mehr eigene Stecker um ein Feld platziert hat, geht dieses in seinen Besitz über. Die Holzscheibe wird umgedreht, um den Besitzwechsel deutlich zu machen. Bei den sechs Eckfeldern mit nur zwei Löchern, gewinnt damit der Spieler, der dort den ersten Stecker platziert, sofort das ganze Eckfeld. Solche Felder werden durch einen neutralen Stecker gekennzeichnet, der in die Holzscheibe gesteckt wird. 12 Randfelder haben drei Löcher, werden also erst gewonnen, wenn zwei Stecker einer Farbe platziert sind. Die restlichen 19 Mittelfelder sind immer dann erobert, wenn drei Stecker einer Farbe gesteckt sind. Zum Spielgewinn sind 19 Felder nötig.
PULA ist ein äußerst vielschichtiges taktisches Zweipersonenspiel, dessen Spielbrett auf einer Baumscheibe auch optisch zu gefallen weiß. Der Ansatz, Dominanzen zu erreichen, erinnert etwas an das gleichzeitig in Essen vorgestellte ARABANA IKIBITI von Günter Cornett, wobei die Steuerung durch Spielkarten und die bessere thematische Einbindung durch das Brückenbauen von Insel zu Insel in dem Spiel aus dem Bambus-Verlag zusätzlichen Spielreiz bedeutet. PULA ist ein durchweg abstraktes Spiel, das wegen des leichten Anfängervorteils immer eine Revanchepartie mit einschließen sollte.
Reizvoller als das Grundspiel ist die TWIXT-Variante, die Antonow als PULA 2 vorstellt. In diesem Spiel geht es nicht um die Eroberung der meisten Felder, sondern um möglichst viele Verbindungen zwischen den Spielfeldrändern. Der Spielablauf entspricht genau dem Grundspiel. Gespielt wird, bis alle Felder erobert sind. In der dann folgenden Abrechnung werden Verbindungen von genau gegenüberliegenden Rändern mit 5 Punkten bewertet, schräg gegenüberliegende mit 3 Punkten und benachbarte Ränder mit einem Punkt. In dieser Variante ist die Gefahr eines unentschiedenen Ausgangs, die bei zwei Partien in der PULA-Grundversion bei etwa gleichstarken Spielern recht häufig vorkommt, nicht gegeben.
Preislich liegen die Spiele bei Norbert Dinter etwa in dem Bereich der Pro Ligno-Spiele. Sie kosten um die 60.- DM. Verpackung und Spielmaterial haben mich allerdings bei den Spielen Siegfried Biehlers mehr angesprochen. Die braune, aufkleberlose Pappschachtel Dinters wirkt nicht verkaufsfördernd. Das Baumscheiben-Spielbrett ist zwar attraktiv, mit der Preiskalkulation ist aber eine Schmerzgrenze erreicht : 50.- DM erscheinen eher angemessen.
Wieland Herold
Spieletelegramm:
Titel: Pula
Verlag: Norbert Dinter, Steinstr. 8, 56357 Holzhausen
Autor: Michail Antonow
Spielerzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 60.- DM!
Die Rezension erschien 1998 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 8/ 1998 R 133/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Michail Antonow veröffentlichte nach PULA vor allem Spiele zusammen mit Jens Peter Schliemann. Am bekanntesten war dabei das Spiel KARIBIK (2004, Winning Moves), ausgezeichnet auch das Taktikspiel ARONDA (2008, Gerhards).
Das Bild zeigt den Autor bei der Präsentation von PULA 1997 in Essen.