Montag, 9. November 2020
LAGUNA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Spiel auf Zeit: LAGUNA
Zur neuen optisch auffallenden Reihe „Queen Games 2000“ , deren Titelgrafik sich über alle Seitenteile der Spieleschachteln erstreckt, gehört das Perlensucherspiel LAGUNA, das auf einer innovativen Spielidee des Bonner Spieleautors Bernhard Weber beruht. Er entführt zwei bis vier Spieler zum Perlentauchen in die Südsee. Der fade Beigeschmack, den man in diesen Tagen bei einem solchen Tauchabenteuer haben muss, ist dem Autor nicht anzulasten. Das Schicksal der Göttinger Familie Wallert und das ihrer Mitgeiseln, die schon vor über fünf Wochen aus ihrem traumhaften Schnorchelrevier Sidapan auf die philippinische Insel Jolo verschleppt wurden und sich immer noch in der Gewalt terroristischer Entführer befinden, wird in diesen Tagen unausweichlich zum Thema, wenn LAGUNA auf den Spieltisch kommt.
Webers Südseeplan ist mit einem Raster von 24x24 quadratischen Feldern überzogen. Auf einigen dieser Felder sind Richtungspfeile zu sehen, die Strömungen des Wassers anzeigen, außerdem gibt es noch eine ganze Reihe von Riff-Feldern. In Ausstanzungen des Spielplans sind am Rande acht Perleninseln untergebracht; im Zentrum befindet sich eine Vulkaninsel. Auf den Inseln liegen zu Spielbeginn drei Perlen unterschiedlicher Farbe. Jeder der zwei bis vier Spieler erhält eine Art Floß, ein rechteckiges Holzstück mit sechs Löchern, das an einer der Perleninseln anlegt. In das Floß werden zwei oder drei Perlen von der Insel eingeladen. Die Spieler müssen nun versuchen, über die Wasserströmungen und Riffs hinweg Perlen der eigenen Floßfarbe zur Vulkaninsel zu bringen. Je nach Spielerzahl müssen dies bis zum Spielende vier, fünf oder sechs Perlen sein.
Seinen besonderen Reiz erhält LAGUNA durch den Zeitdruck, unter dem die Spieler stehen, wenn sie ihre Flöße bewegen. Eine Sanduhr, die ca. 30 Sekunden läuft, beschränkt die Dauer eines Spielzuges. Die Perlen müssen dabei so auf den sechs Löchern des Floßes verteilt werden, dass bei der „Fahrt“ des Bootes in den freien Öffnungen stets nur Wasserfelder zu sehen sind. Taucht ein Pfeil auf, so muss in dessen Richtungen weiter gefahren werden; ist ein Riff zu sehen, endet der Zug sofort. Restzeiten kommen dem nachfolgenden Spieler zugute, der dadurch länger fahren darf, wenn ihm nicht auch ein Riff in die Quere kommt. Während der Züge sind die Spieler ständig am Umgruppieren der Perlen, um gefährliche Stellen unsichtbar werden zu lassen. Da kommt Hektik auf ! Wer zu lange nachdenkt, ist bald aus dem Rennen. Unter dem enormen Zeitdruck kommt es aber auch bei scheinbar coolen Spielern ständig zu Fehlern. Unterwegs gilt es noch aufzupassen, dass die lieben Mitspieler dem eigenen Boot nicht zu nahe kommen. Denn sobald einer anlegt, darf er Perlen tauschen und kann damit die Anzahl der Perlen seiner eigenen Farbe erhöhen. Nur gut, dass nach dem Ausladen am Vulkan mindestens zwei Perlen noch im Floß bleiben müssen, sonst käme man auch gar nicht mehr weiter und würde hilflos in der Südsee herumtreiben.
Eine tolle Spielidee, deren redaktionelle Bearbeitung Bernd Dietrich von Queen Games fast perfekt gelungen ist. Äußerst stimmig ist der dreidimensionale Spielplan und das dazugehörige Spielmaterial. Raffiniert seine Idee, eine leichtere und eine komplexere Variante anzubieten, indem er den Spielplan doppelseitig nutzt. Auf der einen Seite befindet sich ein relativ harmloses Tauchgebiet, das Neulingen einen guten Einstieg ins Spiel bietet. Auf der Rückseite stoßen die Spieler fast ständig auf Riffe und Strömungspfeile, so dass selbst erfahrene Floßkapitäne ins Schwitzen kommen. Auch seine Regelvarianten bieten durch Weglassen der Sanduhr, Erhöhen der Ladekapazität Erleichterungen an. LAGUNA eignet sich dadurch sehr gut als Familienspiel, wenn mitspielende Grundschulkindern zum Beispiel ihr Floß mit fünf Perlen beladen dürfen. Der Verlag hat an alles gedacht, sogar an fehlende Spielpartner: Durch eine Solovariante kann man sogar alleine zum Perlensammeln aufbrechen.
Wieland Herold
Titel: LAGUNA
Verlag: Queen Games
Autor: Bernhard Weber
Grafik: Franz Vohwinkel
Spieler: 1 – 4
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 20 bis 30 Minuten
Preis: ca. 55.- DM
Die Rezension erschien 2000 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 10/ 2000 R 146/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Bernhard Webers erster großer Erfolg war der Gewinn des Hippodice Autorenwettbewerbs 1996 für BOOMTOWN (siehe Bild), das noch im gleichen Jahr als DOWNTOWN bei Abacus erschien. Es folgten bis jetzt rund 30 Spieleveröffentlichungen. Zuletzt das geniale KRASSER FALL bei Ravensburger, zuvor hat der 51jährige Autor, der in Bonn lebt Erfolge mit BURG APPENZELL (Zoch, 2007), das den Deutschen Kinderspielpreis gewann und auf die Empfehlungsliste der Jury Spiel des Jahres kam. Das gelang im auch 2011 für DAS GROSSE KULLERN (Ravensburger) und 2017 für GLUPSCHGEISTER (Kosmos), wie schon bei BURG APPENZELL eine Kooperation mit Jens-Peter Schliemann. Außerdem war er 2013 mit GOLD AM ORINIKO (Haba) für das Kinderspiel des Jahres nominiert.
Für LAGUNA reichte es trotz aller Originalität nicht für Preise. Vielleicht lag es an der thematischen Belastung durch den Entführungsfall Wallert (s.o.).
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