Dienstag, 10. November 2020
WELT DER WINDE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Mit Raumgleitern durch die WELT DER WINDE
Marion und Andrea Dettelbach sind inzwischen bekannt für eine liebevoll aufbereitete Materialflut ihrer Kleinstauflagen. Beim neusten Spiel WELT DER WINDE ist die Pappschachtel wieder proppenvoll, u.a. gefüllt mit 25 bräunlich-rote Cupriten, Kupfererzteile, die das Ziel der Begierde für zwei bis sechs Spieler in der Welt der Winde sind.
Steigen Sie mit ein in meinen Raumgleiter. Etwas Phantasie ist allerdings nötig. Auch wenn mein Raumgefährt scheinbar auf Holzdübeln fährt und Schaumstoffstopper einen optischen Abschluss bilden, der Corpus, das können sie mir glauben, ist echte Handarbeit – und das Ding fliegt wirklich. Meine vier gelben Gleiter finden Sie in allen Teilwelten unseres Windsystems. Ich stehe zurzeit in der weißen Schneewelt, mir gegenüber ist die graue Steinwelt, dazwischen die Cuprit-Insel. Rechts von mir ist die grüne Dschungelwelt, ihr gegenüber zu meiner Linken die blaue Wasserwelt. Die Wasser- und Steinwelt signalisiert mir akuten Cupritbedarf. In unserer Welt muss beim Fliegen mit ständig wechselnden Winden gerechnet werden, in vier Regionen gibt es ganz extreme Turbulenzen, die alles durcheinanderwirbeln und ein Auftauchen in einer anderen Turbulenz-Zone möglich machen. Ich schalte erst einmal den Kachelmann-Service ein, der mir Mitteilung über die Winde der nächsten sechs Minuten macht. Im Minutenwechsel verändert sich nämlich in der Welt der Winde die Lage. Zweimal soll es kräftig gen Dschungelland blasen, einmal bläst der Wind mir direkt ins Gesicht und dreimal geht’s Richtung Steinwelt. Ich aktiviere an meinem Gleiter den Windunterdrücker, den ich stets für eine Windrichtung benutzen kann. Dann werfe ich einen Blick auf die Raumkarte und programmiere meine Zieldaten in den Bordcomputer. Hoffentlich kommt mir niemand in die Quere, da schwirren noch sieben Raumgleiter meiner drei Mitspieler herum und ich hab’ keine Ahnung, auf welches Ziel sie zusteuern. Nur gut, dass nur drei davon gleich mit losfliegen werden. Mein Computer meldet, dass die Daten korrekt sind. Über den Monitor sehe ich, dass die Kapitäne der anderen Raumschiffe immer noch mit ihrer Planung beschäftigt sind. Bei der Raumkontrolle melde ich meine Zugzeit an, da ich von einer Teilwelt aus starte, will ich mir Zeit lassen und erst als letzter losfliegen. Vielleicht kommt mir ja noch einer vor die Flinte, aber unsere oberste Raumbehörde untersagt ja leider jegliche Streitigkeiten in der Startphase. Jetzt sind die anderen endlich startbereit, die Raumkontrolle gibt grünes Licht. Einer landet auf der Cuprit-Insel und belädt seinen Gleiter mit einem großen Brocken Kupfererz, der zweite schafft die Landung in der Dschungelwelt und lässt dort seine Ladung. Der dritte Kapitän fliegt von der Wasserwelt los und überspringt immerhin zwei Raumsektoren Richtung Cuprit-Insel. Mein eigener Flug führt mich drei Sektoren weiter.
Kennen Sie sich inzwischen schon aus? Vielleicht schaffen Sie den nächsten Zug schon alleine. Also: Kachelmann anrufen! Wenn Sie ihn sehen würden! Der sitzt in seinem Wetterbüro und würfelt sechs Farbwürfel, damit steuert er unsere ganze Windanlage. Dann – Lageanalyse: Wer fliegt wohin? Wo bin ich sicher? Wo kann ich meine Kollegen ärgern? Beeilen Sie sich, denn diesmal wollen Sie doch als erster losfliegen. Die Raumkontrolle wartet auf Ihren Anruf! Es klappt. Sie landen auf der Kupferinsel. Cuprit aufladen und weiter geht’s zur nächsten Runde.
Wir blenden uns aus. Das Spielprinzip ist Ihnen klar geworden. Atmosphärisch müssen Sie’s selbst nacherleben. Die Dettelbachs haben wieder ein echtes Schmankerl entwickelt. Klar, das Thema ist aufgesetzt, aber diese Raumgleiterrallye macht riesigen Spaß. Da jeder vier Raumschiffe besitzt gibt es ein ganz schönes Gedränge in der windigen Welt. Die Möglichkeiten sind vielschichtiger als dies die Beschreibung verdeutlichen kann. Alle sind zwar abhängig von den Würfelergebnissen und diese taugen für bestimmt Planungen manchmal überhaupt nichts, aber der Wurf gilt für alle und jeder muss versuchen, das Beste aus dieser Situation für sich herauszuholen. Gerade die Turbulenzfelder helfen oft weiter und führen immer wieder zu ganz neuen Situationen. Kommt man gar nicht weiter, hat man zweimal im Spiel die Möglichkeit auf Windstabilsatoren zurückzugreifen, die einen diagonalen und geraden Flug über vier oder fünf Felder ermöglichen. Für die Einführungsspiele und wenn Kinder dabei sind, empfiehlt es sich, diese Möglichkeit viermal während des Spiels zuzulassen.
Besonders effektvoll ist natürlich der Crash. Trifft ein Raumschiff auf ein anderes, gilt das Rauswerfprinzip. Geladenes Kupfererz kann übernommen werden oder fliegt sonst frei im Raum herum und ist damit Beute für alle. Das Spiel endet sobald jeder drei Cuprite in seine Teilwelten bringen konnte und einen vierten geladen hat. Das gilt für Spielerzahlen ab vier, sind weniger beteiligt, muss ein Kupfererz mehr gesammelt werden. Mit einer Spieldauer von 90 Minuten müssen Sie etwa rechnen. Beim Spiel zu zweit, für das es noch eine Sonderregel mit einem zusätzlichen Be-Gleiter gibt, auch beim Dreierspiel, dauert der Spaß maximal 60 Minuten. Wenn Sie einmal mehr als das Papp-Einerelei der üblichen Brettspiele erleben wollen, den Charme des Selbstgemachten in einem individuell gefertigten Spiel mögen, dann greifen Sie zu. Marion und Andreas Dettelbach nehmen Bestellungen gern entgegen!
Wieland Herold
Titel: Welt der Winde
Autor: Marion und Andreas Dettelbach
Verlag: Spielteufel, Eisenhutweg 10, 70374 Stuttgart
Grafik: Andreas Dettelbach
Spieler: 2 bis 6
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: 60 bis 90 Minuten
Preis: 65.- DM
Die Rezension erschien 2000 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 11/ 2000 R 147/2020
Zum Spiel, Verlag und zu den Autoren:
Andreas und Marion Dettelbach haben den Kleinstverlag Spielteufel 1995 gegründet, um ihre Spiele in liebevoller Handarbeit gefertigt, an die Frau oder an den Mann zu bringen. Fast in einem regelmäßigen Rhythmus von fünf Jahren zwischen 1995 und 2011 brachten sie meist jeweils zwei Spiele heraus.
Sie starteten 1995 mit WESTWÄRTS, hinzu kam FETTE KÜHE. 1999/2000 folgten SCHWIMMER IN DER WÜSTE und WELT DER WINDE. 2005 kamen ABUSIR und mit AGGERSBORG, das einzige Spiel eines Gastautors (Uwe Fischle), dazu. In einer letzten Phase zwischen 2009 und 2011 erschienen noch 1314 A.D., DAS GEHEIMNIS VON TRELLEBORG und DIE TRÄNEN DER GÖTTER.
Bei einem anderen Verlag erschien nur ein einziges Spiel der Dettelbachs, 1999 das Ablegespiel PULS bei Adlung. Das Foto zeigt Andreas Dettelbach 2000 auf der Spiel in Essen.
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