FANTASTISCHE REICHE
Der 58jährige Bruce Glassco ist Professor für Englisch in einem College in Charlottesville in Virginia. Seit den 90er Jahren veröffentlicht er Kurzgeschichten, die dem Fantasy- und Horror-Genre zugeordnet werden können. 2004 erschien mit BETRAYAL AT HOUSE ON THE HILL sein erstes Spiel, das gut zu seinen literarischen Versuchen passte. Es handelt sich um eine Art interaktiven Horrorfilm, in dessen Verlauf sich einer der Akteure als Bösewicht herausstellt. Gleich 50 unterschiedliche Szenarien hat Glassco diesem Spielansatz spendiert.
2015 erschien mit MYSTERY! MOTIVE FOR MURDER ein Krimispiel, in der alle auf die Suche nach dem größten Mordmotiv gehen. Fast als Mikrogame kam 2017 FANTASY REALMS daher, das ursprünglich bei WizKids erschien und aktuell in einer deutschen Bearbeitung von Strohmann Games vorliegt.
54 Karten reichen für ein kurzes Spielvergnügen, aber auch eines, das zu immer neuen Runden auffordert. Glasscos Regeln sind ganz simpel. Jeder bekommt sieben Handkarten, die er im Laufe des kurzen Spiels optimieren muss, da die Basisstärke vieler Karten sich durch bestimmte Kombinationen deutlich verbessern lässt. Wer am Zug ist, zieht eine Karte vom Nachziehstapel und legt dann diese oder eine von seinen Handkarten offen aus. Der nächste bedient sich aus der offenen Auslage oder zieht wieder blind. Sobald die zehnte Karte im Ablagebereich liegt, endet das Spiel und alle Hände werden ausgewertet. Die Basiswerte der Karten liegen zwischen 0 und 40, wobei die niedrigeren Werte oft Boni für bessere Punkte besitzen. Karten mit hohem Wert wirken sich oft negativ auf andere Kartensorten aus und verlangen bestimmte Bedingungen, damit sie überhaupt in die Wertung kommen.
Klingt einfach, ist auch ganz einfach, ist aber so richtig erst nach einigen Partien gezielter zu spielen. Es braucht schon den Blick auf die zehn Kartenbereiche, wie Anführer, Armeen, Bestien, Waffen und Artefakte. Außerdem muss man ein Gespür für die Nutzung der drei Jokerkarten, den Doppelgänger, Gestaltwandler und die Spiegelung bekommen. Es gibt eine Menge Synergien, die in FANTASTISCHE REICHE zu berücksichtigen sind, das macht aber den besonderen Spielreiz aus.
Das Glück spielt eine nicht unbedeutende Rolle in den Partien. Daher macht es Sinn, Regelergänzungen, die der Autor mitliefert, im Sinne von Draftingsystemen bei der Vorauswahl zu nutzen, die die ersten sieben Karten nicht ganz zufällig auf die Hand geraten lassen. Dann kommt man vielleicht auch zum Maximalergebnis von 397 Punkten (siehe Bild), wird sich aber meistens schon über Ergebnisse zwischen 150 und 250 Punkten freuen.
Die Auswertung am Ende dauert fast so lange wie das Spiel, zum Glück liegt ein Auswertungsbogen bei, der die Buchführung erleichtert, außerdem hilft die gemeinsame Auswertung beim Erkennen und Lernen der Karteneffekte. Wer es einfacher haben möchte, greift auf die App von WizKids zurück, die zwar nicht unbedingt komfortabel ist, aber die gegenseitigen Beziehungen der Karten korrekt auswertet.
Der Sog, der von der Suche nach idealen Kombis ausgeht, ist beachtlich. Ich habe lange kein Spiel erlebt, dass von allen Beteiligten immer wieder nachgefragt wurde. Ohne mindestens eine Wiederholungsrunde laufen die FANTASTISCHEn REICHE nicht ab. Die Corona-Restriktionen spielen Glasscos Idee auch ganz gut in die Karten, denn am besten funktioniert es nach meiner Meinung in kleinen Runden zu zweit und zu dritt.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: FANTASTISCHE REICHE
Verlag: Strohmann Games
Autor: Bruce Glassco
Grafik: Patricia Rodriguez
Spielerzahl: 2 - 6
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 20 Minuten
Preis: ca. 20.- Euro
Spiel 78/ 2020