Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Das süße Leben der High Society
Wenn sich Mr. Gummibärchen eine neue Villa kauft, dann braucht die Dame mit dem Blubb zumindest ein neues Reitpferd. Otto Normalverbraucher kann nicht mehr mithalten, außer er versucht spielerisch den Run auf Statussymbole nachzuempfinden. Die Möglichkeit hat er mit Reiner Stockhausens Herbstneuheit DOLCE VITA.
Sein flottes Kartenspiel ist geprägt durch ein ständiges Auf und Ab beim Erwerb von Statussymbolen. Besser könnte das Angebot gar nicht sein: 63 Luxusgüter liegen buntgemischt in sieben Reihen offen aus, neben den Schiffen und Pferden gibt es Autos, Schmuck und Uhren, alle mit unterschiedlichen Werten zwischen 100.000 und 700.000 Euro, Dollar oder was man möchte. Die drei bis fünf Spieler kommen beim Gütererwerb ganz ohne Geld aus. Vielleicht ist das in diesen Kreisen so, alles fällt einem sozusagen in den Schoß. Nur Zahlenkarten mit Werten von 1 bis 6 müssen die Spieler abwechselnd an die Luxusgüter-Reihen anlegen. Immer dann, wenn jeder fünf Karten gelegt hat, ist Geburtstag für alle. Wer die höchste Kartensumme vorweisen kann, erhält stets die unterste Luxuskarte, der zweite die nächste usw. Die Spieler versuchen möglichst teure Güter zu erwerben, müssen aber stets die zuletzt erworbene Karte behalten. So ganz süß erscheint dann das Leben in Stockhausens High Society nicht mehr. Eben ist die Freude über eine wertvolle Hochsee-Yacht noch riesig, da drehen einem die lieben Mitspieler einen müden Fischkutter an. Zum Glück sind noch Geldkarten im Spiel, die – einmal erworben – nie verloren gehen. Nach drei bis fünf Runden sind alle Spieler Millionäre und einer davon freut sich selbstverständlich besonders.
Das Spielthema wirkt etwas aufgesetzt, aber die Spielidee ist toll und durch die eingebaute Ärgerkomponente fetzig. Für ein Kartenspiel großzügig verpackt, ist DOLCE VITA für 10.- DM wohlfeil zu erwerben.
Wieland Herold
Titel: DOLCE VITA
Verlag: Hans im Glück
Autor: Reiner Stockhausen
Grafik: Doris Matthäus
Spieler: 3-5
Alter: ab 10Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 10.- DM
Die Rezension erschien 1999 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 21/ 1999 R 168/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Der vor 58 Jahren im Aachen geborene Reiner Stockhausen begann Ende der 90er Jahre mit Spielentwicklungen. Damals arbeitete er als Zeitungsredakteur. Mit seiner ersten Spieleveröffentlichung wollte er sich ursprünglich ebenfalls mit Zeitproblemen beschäftigen. Der Prototyp POTSDAMER PLATZ war ein Bauspiel, das in den 90er Jahren entstand, als Berlin boomte und der verödete Potsdamer Platz wieder zum Schmuckstück der Hauptstadt gestaltet wurde. Die Idee bot er Hans im Glück an, wobei der Münchner Verlag das Spiel in die Karibik ins Jahr 1584 vorverlegte, wo man nicht Bauplätze okkupierte, sondern als FREIBEUTER reiche Beute machte. Brunnhofer & Co. veränderten dabei nicht nur das Thema, sondern feilten zusätzlich an den Mechanismen. Mit Freibeuter landete er auf dem 10. Platz beim Deutschen Spielepreis. Danach erschien DOLCE VITA ebenfalls in dem Münchner Verlag, 2002 schließlich DIE SIEBEN WEISEN bei Alea.
Wirklich bekannt wurde Stockhausen allerdings erst als Verleger eigener und fremder Ideen. Herausragend ist dabei sein ORLÉANS, das 2015 zum Kennerspiel des Jahres nominiert war.
2007 wurde Stockhausen auf dem Autorentreffen in Göttingen für zwei Jahre zum 2. Vorsitzender der Spiele-Autoren-Zunft e. V. (SAZ) gewählt. Das Bild zeigt Stockhausen zusammen mit dem 1. Vorsitzenden Lutz Stepponat 2007 in Göttingen.