Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Nominiert zum Spiel des Jahres: CASABLANCA
Die hessische Spielefirma Amigo, bisher vor allem durch die Mau-Mau Variante UNO bekannt, war eine der großen Überraschungen der Nürnberger Spielwarenmesse-im Februar. Mit dem neuen Productmanager Joe Nikisch kam frischer Wind in das gesamte Angebot dieser Firma. Der Kartenspielsektor bleibt zwar weiter eine wichtige Domäne des Verlages, was lohnende Neuheiten wie BAHA und TUTTI FRUTTI belegen. Im Brettspielbereich sind aber die eigentlichen Schätze zu entdecken.
So ist aus Göttinger Perspektive das GOLD AM YUKON von Reinhold Wittig zu schürfen. Filmfans freuen sich sicher, dass der Humphrey-Bogart-Mythos erfolgreich von Amigo aufgegriffen wird, so gelungen, dass die Jury Spiel des Jahres die Spielentwicklung von Eric Solomon, CASABLANCA, gleich auf die Nominierungsliste für das Spiel Jahres 1991 setzte.
Ein spannendes Agentenspiel für zwei bis acht (!) Spieler, bei dem es natürlich um Bestechung, Mord und die Jagd nach Geheiminformationen geht, die in einem Koffer versteckt sind. Jeder darf in diesem Spiel jeden bestechen, was ja so unrealistisch auch nicht sein soll. Bluff, Pokerface und ein GefühI für perfektes Timing, zum rechten Zeitpunkt das Richtige zu tun, sind in diesem Spiel angesagt. Man lernt also fürs Leben.
,,Play it again, Sam", wird wahrscheinlich die Aufforderung aller Mitspieler nach dem dritten oder vierten Spiel sein. Solange sollten Sie sich aber gedulden, um alle Feinheiten des Agentenspiels mitzubekommen, denn erst dann entfaltet sich der Reiz, der CASABLANCA zum Suchtspiel werden lässt. Also nicht zu früh aufgeben und mindestens zwei Mitspieler suchen!
Für Spielekenner noch der Hinweis: Das Spiel gab es schon einmal, in den 70er Jahren hatte es die Firma Pelikan unter dem Titel AGENT auf den Markt gebracht, damals aber als Spiel für maximal vier Spieler mit sehr nüchternem Spielplan. Amigo ermöglicht ihnen nun nicht nur einen Besuch in Ricks American Café. Nach dem Spieletest bleibt nur zu fragen: Schau mir in die Augen Kleines. Wirst du Spiel des Jahres ’91?
Wieland Herold
Titel: CASABLANCA
Autor: Eric W. Solomon
Grafik/Design: keine Angabe
Verlag: Amigo
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 2 – 8
Spielzeit: ca. 30 Min.
Preis: ca. 39 DM
Spiel 11/1991 R171/2020
Die Rezension erschien 1991
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zu dem Autor:
Der bekannte englische Spieleautor Dr. Eric Solomon ist leider im Frühjahr dieses Jahres mit 85 Jahren verstorben. Mit nur 24 Jahren promovierte er im Fach Mathematik, arbeitete dann zunächst erfolgreich in einem Rechenzentrum, bis er 1965 sein eigenes Unternehmen Engineering Computations gründete. Er entwickelte BREEZE in den 1980er Jahren für die Building Research Establishment und wurde dafür 1993 mit der CIBSE Napier Medaille ausgezeichnet.
Sein mathematischer Hintergrund prägte seine Spielentwicklungen ab 1972. Klare und einfache Strukturen, ohne dass sich dadurch langweilige Spiele ergeben würden, waren sein Markenzeichen. Die schönste Belohnung der mühsamen (und zumeist schlecht bezahlten) Arbeit eines Spiele-Autors sah Solomon darin, dass er sicher sein durfte, vielen spielenden Menschen eine Menge Freude bereitet zu haben und so möglicherweise ihr Weltbild ein kleines bisschen mit beeinflusst zu haben.
Sein erstes publiziertes Spiel war SIGMA FILE, das in der deutschen Erst-Ausgabe AGENT (Pelikan) hieß. Es zählt zu den bedeutendsten modernen Spiele-Klassikern überhaupt. 1991 erschien es als CASABLANCA.
Recht bekannt waren auch sein BALLONRENNEN und vor allem ALASKA (AWL, 1979), beide im Ravensburger-Verlag erschienen. In Eric Solomons Heimat England war sein erfolgreichstes Spiel vermutlich BLACK BOX, das seit 1990 gleichzeitig mit HYLE im franjos-Verlag erschien. Mit dem 1993 bei franjos erstveröffentlichten Känguru-Rennen BILLABONG schaffte Solomon 1994 erneut den Sprung auf die Auswahlliste der Jury Spiel des Jahres.
Neben dem Platz auf der AWL zum Spiel des Jahres erreichte CASABLANCA 1991 noch den 5. Platz beim Deutschen Spielepreis.