Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
INTRIGE - Das Ränkespiel um Macht und Machenschaften
Folgt man dem Sprichwort, dass im Spiel sich der wahre Charakter zeige, so steht es schlimm um alle Menschen, die sich der Faszination von INTRIGE hingeben. Kooperationswilligkeit nur für kurze Zeit, Freundschaften, die schnell wieder zerbrechen, investierte Gelder, die nichts einbringen. Ein richtiges MENSCH ÄRGERE DICH NICHT! hat der Hannoveraner Stefan Dorra der Firma F.X. Schmid in Bayern untergejubelt. Wobei die Firma wohl hofft, dass der thematische Transfer der Spielidee ins ferne 16. Jahrhundert, Mobbinggelüste unserer Tage in den Hintergrund treten lässt.
Knallhart geht es zu unter den "großen Fünf" in Italien im Jahre 1548: Sie können den Dogen Venedigs spielen, aber auch als Mitglied der Medici in Florenz oder der Sforza aus Mailand in das Spiel eingreifen, auch aus einem Palais in Neapel oder von Rom aus kann man Unruhe verbreiten.
Jeder Spieler hat in seinem Einflussbereich fünf Posten zu vergeben, die unterschiedlich hoch dotiert sind. Um lukrative Stellen zu ergattern, muss man schon bereit sein, hohe Schmiergelder zu bezahlen. Ob sich diese Investitionen lohnen, weiß man nie, da Absprachen prinzipiell nie eingehalten werden müssen. Zu viele Feinde darf man sich natürlich auch nicht schaffen, denn sonst steht man plötzlich ohne Partner da, und schnell heißt es: ab auf die Insel. Dann ist man nämlich den besten Posten losgeworden und muss auf Elba Schafe hüten.
Dorra ist ein abwechslungsreiches Verhandlungsspiel gelungen, das recht zügig in sechs Spielrunden abläuft. Es geht zwar hundsgemein zu in diesem Spiel, kurzfristig verprellt man tatsächlich die besten Freunde, aber das Spiel ist dafür unheimlich spannend. Wer ein bisschen Ärger beim Spielen vertragen kann, sollte es mit INTRIGE versuchen. Das Spiel knüpft in seiner Aufmachung an ADEL VERPFLICHTET, das Spiel des Jahres 1990, an. Optisch und spielerisch hat die Spieleredaktion von F.X. Schmid wieder ein feines Händchen bewiesen: ein heißer Anwärter auf den '94er-Titel.
Wieland Herold
Spieletelegramm:
Titel: Intrige
Autor: Stefan Dorra
Verlag: F. X. Schmid
Spielerzahl: 2-5
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Alter: ab 14 Jahren
Preis: ca. 40.00 DM
Spiel 9/1994 R184/2020
Die Rezension erschien 1994
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der in der Nähe von Hildesheim lebende Sprachheilpädagoge Dorra startete 1992 seine Autorenkarriere mit einem Achtungserfolg. Sein Zocker-Spiel RAZZIA landete auf der Auswahlliste der Jury, erreichte den 9. Platz beim Deutschen Spielpreis und den 6. bei À la Carte. RAZZIA ist letztlich der Vorgänger für HICK-HACK IN GACKELWAG, das familienspieltauglicher gemacht wurde. Eine grafisch überarbeitete Neuauflage erschien 2014.
1994 bestimmte sein INTRIGE die Messediskussion auf der Spiel in Essen. Das Spiel erreichte den vierten Platz beim Deutschen Spielepreis.
Mit LINIE 1 war er wahrscheinlich am dichtesten am Spiel des Jahres dran. Er hatte nur das Pech, dass Teubers CATAN unschlagbar war. Daher reichte es „nur“ für die Auswahlliste und den zweiten Platz beim Deutschen Spielepreis und wurde mehrfach neu aufgelegt.
Mit den Spielern SEERÄUBER (2006), LAND IN SICHT (2009) und ESELSBRÜCKE (2011) war er dann später ebenfalls nominiert. Für MEDINA (2001) bekam er noch einmal den 2. Platz beim Deutschen Spielepreis.
Das Bild zeigt Dorra während der Diskussionsrunde zum „gemeinen Spiel“ 1994 in Essen neben Stefan Brück.