
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Vegetarische Genüsse
Reinhold Wittigs Spiele erscheinen nicht nur in der Edition Perlhuhn. Einige Spieleperlen überlässt er von Zeit zu Zeit der Produktion fremder Verlage, wenn er weiß, dass seine Spielideen adäquat umgesetzt werden. So gab es einige Zeit eine sehr erfolgreiche Zusammenarbeit mit Franckh-Kosmos. In den letzten Jahren hat der Spieleverlag HABA aus Bad Rodach, der vor allem hochwertige Holz(brett)spiele produziert, Spiele von Wittig veröffentlicht. Viele Kinder erinnern sich sicherlich mit Begeisterung an die großen Holzlokomotiven aus dem Spiel JAMES WATT, die während der Weihnachtsausstellung "Spielwerke - Kunstwerke" im Städtischen Museum immer auf Fahrt gingen.
Diese Lokomotiven stammen aus einer ganzen Serie von Kleinkinderspielen, die der Göttinger Spieleautor für HABA entwickelt hat.
Ganz neu ist ein Familienspiel ab sechs Jahren bei HABA erschienen, bei dem jeder Spieler sein Süppchen kochen, aber auch den Mitköchen über die Schulter gucken kann. TOPFGUCKER heißt daher auch dieses wunderschöne Holzspiel. Vom massiven zweiteiligen Holzspielplan mit sechs Kochstellen über die großen Kochfiguren bis zu den Zutaten ist alles in Holz ausgeführt. Störend nur, dass die Setzfelder für die großen Holzköche zu klein geraten sind.
Jeder Spieler versucht, nach seinen Rezeptkarten schmackhafte Fantasiegerichte zusammenzustellen. Von der Klaren Brühe (ein leerer Topf) über den Erbseneintopf zum Sternnudelauflauf ist alles drin. Alles auf rein vegetarischer Basis: Mit Pilzen, Möhren, Nudeln und Erbsen werden diese herrlichen Gerichte gezaubert.
Ein wunderschöner Spielmechanismus, für Wittig-Kenner sei verraten, dass er an dessen FOTOSAFARI IN OMBAGASSA angelehnt ist, der in einer einfachen Spielversion gut schon für Vorschulkinder geeignet ist. Für ein Familienspiel ganz neu ist die Idee, unterschiedliche Siegbedingungen für Kinder und Erwachsene einzuführen. Da muss man gar nicht mehr freiwillig verlieren, sondern sich zu gedanklichen Höchstleistungen aufschwingen, um überhaupt noch mithalten zu können. Ein toller Einfall!
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: TOPFGUCKER
Verlag: Haba
Autor: Reinhold Wittig
Grafik: Hans Rubin
Spielerzahl: 2-4
Alter: ab 6 Jahren
Spieldauer: 30 Min
Preis: ca. 59.00 DM
Spiel 4/1992 R3/2021
Die Rezension erschien 1992
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder

Zum Spiel und zum Autor:
Über den Göttinger Geologen, Puppenspieler, Künstler und Spieleerfinder ließen sich Seiten füllen. Ich halte mich an dieser Stelle kurz:
Reinhold Wittig, der 83jährige Erfinder des Spieleautoren Treffens in Göttingen, entwickelt seit 1958 Spiele. 1976 gründete er seinen Kleinverlag Edition Perlhuhn, der mit Skaiplänen und Spielen in der Rolle bekannt wurde.
Zu seinen bekanntesten Spielen gehört die Würfelpyramide DAS SPIEL (1980 mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet), das heute immer noch von Abacus vertrieben wird. Für WIR FÜTTERN DIE KLEINEN NILPFERDE und MÜLLER & SOHN bekam er ebenfalls diese Auszeichnung, für die Grafik war jeweils sein Sohn Matthias verantwortlich. Seine ästhetischen Maßstäbe für Spielmaterial und Optik haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der einfache Pöppelalltag aus den Spieleschachteln verschwand. Den Kosmos-Verlag brachte er durch edle Spiele in der Reihe mit der Feder voran, darunter auch eigene Veröffentlichungen wie MARITIM, das 1987 Chancen auf das Spiel des Jahres hatte.
In den 90er Jahren prägte seine Handschrift die Spiele von Blatz und teilweise auch Haba. KULA KULA und das hier schon vorgestellte DOCTOR FAUST aus diesem Verlag bekamen ebenfalls den Preis für das Schöne Spiel. Die ganz großen Erfolge blieben dann zwar im neuen Jahrtausend aus, immerhin landete CORNU 2007 auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury und MOGULI erhielt 2013 eine MinD-Würdigung.
Die Organisation des Autorentreffens hat Wittig 2016 an die SAZ übergeben, in seiner Edition Perlhuhn unterstützt ihn seit letztem Jahr Timo Diegel. Ein Jahr danach ist er mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet worden. Das Foto stammt aus der Entwicklungsphase von TOPFGUCKER 1991. Es wurde bei der SPATZ-Verleihung von Alex Randolph aufgenommen und zeigt neben den Wittigs Rita Süssmuth und Erwin Glonnegger.