Sonntag, 10. Januar 2021
TWIXT
SAMMELSURIUM
3M Buchkassetten
In den 60er und 70er Jahren hat die Firma 3M (Minnesota Mining & Manufacturing Company) Maßstäbe in der Spielentwicklung gesetzt, die sich auch auf den deutschen Markt auswirkten. Spiele landeten im Buchschuber und damit plötzlich im Bücherregal nicht nur von 3M, sondern als Casino-Spiel von Ravensburger oder in der E-Serie von F.X. Schmid und im kleineren Schuber von Pelikan.
TWIXT
Zu den bekanntesten 3M Spielen gehört neben ACQUIRE von Sid Sackson, TWIXT von Alex Randolph. In Die Sonnenseite – Fragmente aus dem Leben eines Spieleerfinders, das die Drei Hasen in der Abendsonne 2012 zu Randolphs 90. Geburtstag herausgebracht haben, beschreibt der Autor die Erfindung von TWIXT. „Die Idee kam mir auf einen Schlag. Warum nicht mal ein ‚Border-to-Border-Spiel‘ mit Rösselsprüngen? Das war in Wien, in den 50er-Jahren.“ Er probierte es noch am gleichen Abend im Café Hawelka in der Wiener Dorotheengasse aus, sein Spielpartner war kein geringerer als der im Oktober verstorbene Herbert Feuerstein. Die ersten Partien fanden als Papier- und Bleistiftspiele statt.
Als Spiel wurde TWIXT 1962 als eines der ersten 3M-Spiele veröffentlicht. Gespielt wird auf einem 24x24 Felder großen Steckplan. Die beiden Kontrahenten besitzen je 40 Pfeiler und Brückenglieder, wobei eine durchgehende Brückenverbindung entweder von oben nach unten oder von rechts nach links erreicht werden muss. Der gedankliche und reale Brückenschlag über die Pfeiler findet im Rösselsprung-Rhythmus statt. Diese SCHACH-Entfernung muss man die ganze Zeit über im Blick behalten und taktisch nutzen. Sobald ein Spieler eine Verbindung zwischen seinen zwei Seiten hinbekommt, ist die Partie beendet.
Da die deutsche Regelübersetzung Fragen offenließ, beispielsweise durfte das Wegnehmen von Verbindungen nur als Extrazug vorgenommen werden, hat Randolph in den 80ern in der Pöppel-Revue die Regeln noch einmal auf den Punkt gebracht.
„Was nicht verboten ist, ist erlaubt Die Original-TWIXT-Regel bestand aus nur vier kurzen Sätzen. Diese würde ich so übersetzen:
1. Spiel-Ziel ist, gegenüberliegende Ränder zu verbinden: Rot die zwei roten, Schwarz die zwei schwarzen.
2. Abwechselnd wird ein Stecker in ein beliebiges Loch des Spielfeldes gesetzt nur nicht hinter den Grenzlinien des Gegners.
3. Wenn, nachdem man einen Stecker gesetzt hat, zwei oder mehr eigene Stecker im "Rösselsprung" - Abstand stehen, kann man sie verbinden.
4. Gelingt es einem der beiden, eine ununterbrochene Verbindungskette zwischen seinen zwei Rändern aufzubauen, hat er gewonnen; gelingt es keinem der beiden, ist das Spiel unentschieden.“
Randolph geht dann noch auf die Kuchenregel (s.u.) und auf die Räumungsregel ein, die dazu dient, verdrängte Endspiel-Situationen aufzulockern. „Vor jedem Zug kann man nach Belieben eigene schon gesetzte Verbindungen wieder vom Brett entfernen.“
TWIXT entwickelt trotz ganz simpler Regeln eine erstaunliche Spieltiefe, die der Autor selbst recht gut im Griff hatte. In den 90ern durfte ich seine Spielstärke bewundern und scheiterte grandios gegen ihn, während einer Partie auf dem Autorentreffen in Göttingen. Während der Mind Sports Olympiade fanden ab 1997 TWIXT-Meisterschaften statt. Der erste der sich als Champion in die Siegerliste eintragen durfte, war Alex Randolph, sein Nachfolger kam aus Deutschland und war bis 2002 Klaus Hussmanns. Aktuell steht als letzter Gewinner der Italiener Cosimo Cadellicchio in der Liste. Randolph betreute auch in den ersten Ausgaben der spielbox Anfang der 80er- Jahre in der Denkrubrik TWIXT-Aufgaben.
Schon von Anfang an, hat der Autor den Startvorteil als Problem erkannt. Wenn der erste Zug ins Zentrum gespielt wird, ergibt sich daraus ein extremer Vorteil. Deshalb hat er die „Kuchenregel“ eingeführt. Der eine macht den ersten Zug, der andere wählt die Farbe und damit eventuell die Position des Pfeilers, den der erste gesetzt hat. Es geht also zu, wie beim gerechten Teilen des Kuchens. Einer schneidet, der andere wählt sein Kuchenteil aus.
Die 3M-Fassung hat im Buchschuber das klappbare Spielbrett und eine Schachtel mit den Brückenbauelementen. Im Prinzip haben sich alle Nachfolgeausgaben an diesem Material orientiert. Die deutsche Ausgabe von Schmidt war übrigens 1979 ein Konkurrent von HASE UND IGEL um das erste Spiel des Jahres, es landete aber knapp geschlagen auf dem zweiten Platz. Als MINI-TWIXT erschien noch eine quasi Café Hawelka Fassung 1979 bei Schmidt.
Danach folgten Ausgaben von Klee Spiele (1990) und eine sehr gelungene von Kosmos 1998. Schon in den 60er Jahren plagiierte die Firma Rhön-Plastik mit dem Spiel IMURI Randolphs Idee, als Autor war ein Klaus Munro ausgewiesen. 2018 wollte der Amerikaner Wayne Dolezal mit seiner Firma Lil' Cerebral Games eine Neuauflage von TWIXT über Kickstarter finanzieren, ohne einen Lizenzvertrag mit Randolphs Neffen und Erben Michael Katz geschlossen zu haben. Die Kampagne wurde noch rechtzeitig gestoppt. Die Ausgabe von Kosmos ist die letzte deutsche Veröffentlichung von TWIXT, zur Jahrtausendwende erschien noch eine ganz kleine Auflage der Felsberger Spiel&Art AG in der Schweiz in einer wunderschönen Holzfassung.
Titel: TWIXT
Verlag: 3M
Autor: Alex Randolph
Spielerzahl: 2 - 4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 60.- DM
Wertung: Gerne morgen wieder
Sammelsurium 2 - S2/2021
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