
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Traumhaft schön: KULA KULA
An hervorragend gestaltetes Holzspielmaterial ist man inzwischen bei guten Spielen gewohnt, erwartet es auch geradezu. Echte Buccinum- und Kauri-Schnecken in einem Spiel gab es bisher allerdings nur in den in geringer Auflagenzahl produzierten Spielen der Edition Perlhuhn. Das Perlhuhnniveau hat der Berliner Blatz-Verlag mit Reinhold Wittigs Spiel KULA KULA gehalten, wenn nicht gar übertroffen. Die Jury Spiel des Jahres hat dies inzwischen auch entsprechend gewürdigt. KULA KULA ist nicht nur auf die Auswahlliste gekommen, sondern hat zurecht den Titel für das schönste Spiel des Jahres erhalten.
Das spielerische Wunderwerk entführt in die Südsee. Das auch real stattfindende Kula-Ritual der Bewohner der Salomon-Inseln stellt den Spielhintergrund dar. Spielatmosphärisch wird man durch den großen Spielplan und das prächtige Holzmaterial (nur die Boote hätten farblich besser unterschieden werden müssen) inklusive der Originalschnecken in den Bann der Spielgeschichte gezogen. Besser kann man nicht eingestimmt werden.
Worum geht es? Die Südseeinsulaner tauschen sehr gerne und beschenken ihre Besucher. Auf der Fahrt durch die Südsee von Insel zu Insel sammeln die Spieler Buccinum-Schnecken ein, die sie auf den Inseln gegen wertvolle Kauri-Schnecken eintauschen können. Als Zahlungsmittel war diese glänzende porzellanartige Schnecke bis ins 19. Jahrhundert hinein in Südostasien zum Teil auch in West und Zentralafrika verwendet worden. Von diesen wertvollen Schnecken muss man sich in diesem Spiel möglichst viele einhandeln. Für drei Buccinum-Schnecken gibt es eine Porzellanschnecke.
Damit man an möglichst viele von solchen Hornschnecken herankommt, darf man ein Karten-Orakel befragen, das die Zugweite der Boote regelt. Zieht der Spieler eine Kanukarte, darf er ein Feld weiterfahren, bei einer Fischkarte sogar zwei Felder. Es dürfen beliebig viele Karten gezogen, entsprechend auch viele Schnecken unterwegs eingesammelt werden. Mit dem Risiko allerdings, dass beim Aufdecken einer Karte mit einem Götzenbild alle vorher gezogenen Karten verfallen und das Kanu damit nicht fahren kann. Die eingesammelten Schnecken sind natürlich auch verloren. In diesem CAN`T STOP-Mechanismus liegt der eigentliche Reiz dieses Brettspiels - geht man das Risiko, eine weitere Karte noch aufzudecken noch ein, oder gibt man sich mit den gesammelten Schnecken zufrieden? Sehr hübsch ist der Delphinkreisel, der stets bei Kartenaufnahme eingesetzt wird und festlegt, auf welche Streckenstation eine neue Schnecke gelegt wird. Zusätzlich besteht ein Anreiz, Mitspieler einzuholen, da diese als freundliche Insulaner stets ein Geschenk in Form einer Buccinum-Schnecke parat haben.
Je nach Spielerzahl endet das Spiel mit dem Besitz von vier bis sechs ertauschten Kauri-Schnecken. Ein wunderschönes Spiel, dass für eingefleischte Spieltaktiker allerdings wenig Reiz bietet. Als Familienspiel mit Kindern ab sechs Jahren ist es aber gut geeignet. Der Südseeausflug wird in dieser Zielgruppe nicht nur zu einem optischen Genuss.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: Kula Kula
Verlag: Blatz-Spiele
Autor: Reinhold Wittig
Grafik: Hartmut Gärling
Spielerzahl: 3-5
Alter: ab 10 Jahre (auch schon ab 6 Jahre)
Spieldauer: etwa 30 min
Preis: ca. 59.00 DM
Spiel 15/1993 R8/2021
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder

Zum Spiel und zum Autor:
Über den Göttinger Geologen, Puppenspieler, Künstler und Spieleerfinder ließen sich Seiten füllen. Ich halte mich an dieser Stelle kurz:
Reinhold Wittig, der 83jährige Erfinder des Spieleautoren Treffens in Göttingen, entwickelt seit 1958 Spiele. 1976 gründete er seinen Kleinverlag Edition Perlhuhn, der mit Skaiplänen und Spielen in der Rolle bekannt wurde.
Zu seinen bekanntesten Spielen gehört die Würfelpyramide DAS SPIEL (1980 mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet), das heute immer noch von Abacus vertrieben wird. Für WIR FÜTTERN DIE KLEINEN NILPFERDE und MÜLLER & SOHN bekam er ebenfalls diese Auszeichnung, für die Grafik war jeweils sein Sohn Matthias verantwortlich. Seine ästhetischen Maßstäbe für Spielmaterial und Optik haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der einfache Pöppelalltag aus den Spieleschachteln verschwand. Den Kosmos-Verlag brachte er durch edle Spiele in der Reihe mit der Feder voran, darunter auch eigene Veröffentlichungen wie MARITIM, das 1987 Chancen auf das Spiel des Jahres hatte.
In den 90er Jahren prägte seine Handschrift die Spiele von Blatz und teilweise auch Haba. KULA KULA und das hier schon vorgestellte DOCTOR FAUST aus diesem Verlag bekamen ebenfalls den Preis für das Schöne Spiel. Die ganz großen Erfolge blieben dann zwar im neuen Jahrtausend aus, immerhin landete CORNU 2007 auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury und MOGULI erhielt 2013 eine MinD-Würdigung.
Die Organisation des Autorentreffens hat Wittig 2016 an die SAZ übergeben, in seiner Edition Perlhuhn unterstützt ihn seit letztem Jahr Timo Diegel. Ein Jahr danach ist er mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet worden. Das Foto zeigt Wittig auf dem Autorentreffen in Göttingen mit dem Blatzspiel KULA KULA. Außerdem ist der Prototyp von 1991 mit abgebildet.
