Dienstag, 12. Januar 2021
IN TEUFELS KÜCHE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Höllischer Spaß : IN TEUFELS KÜCHE
Einen "höllischen Spaß für die ganze Familie" verspricht der Untertitel dieses neuen Spiels und hier hält die Werbung einmal, was sie verspricht.
Der Spaß beginnt schon, bevor man mit dem eigentlichen Spiel anfängt, denn das wichtigste Spielgerät, ein Höllenofen, ist nach Öffnen der Schachtel sofort Objekt der Spielbegierde aller Mitspieler. Hier hat sich die Firma F.X. Schmid etwas ganz Pfiffiges einfallen lassen: Der Boss der Hölle verbirgt sich in diesem schwarzen Ofen. Klingelt man ihn mit Hilfe eines roten Druckknopfes heraus, kommt er - oder er kommt auch nicht. Ein Zufallsmechanismus sorgt dafür, dass man nie genau weiß, wann denn nun der Oberteufel geruht herauszuspringen. Hier werden ab und zu Rekorde aufgestellt, über 30 Mal muss man sich manchmal bemühen, um den Teufel hinter dem Ofen hervorzulocken.
Dieser Plastik-Gimmick steht im Zentrum des höllischen Spieles, in dem sich bis zu vier Spieler um die Erstellung der Leibspeisen des Oberteufels bemühen. Mindestens zehn sollte man schon zusammenbrutzeln, von den lebenden Spaghetti bis zu den grünen Dracheneiern darf alles dabei sein. Hüten sollten sich die Spieler aber davor, dem Oberteufel Milch zu servieren. Soweit die Spielgeschichte.
Im Spiel selbst hat jeder Spieler drei Teufelsköche zur Verfügung, die in der Höllenküche Töpfe einsammeln, um sie dem Oberteufel zu servieren. Den Topfinhalt der eigenen Töpfe kennt man, zum Spielgewinn muss man aber mindestens einen fremden Topf stibitzen, der natürlich nicht mit Milch gefüllt sein darf.
IN TEUFELS KÜCHE geht es heiß her! Die Teufelchen gönnen sich nichts, jagen sich ständig ihre Kochtöpfe mit möglichst feinen Speisen ab und liefern sich dabei höllische Duelle. Wenn zwei Teufel aufeinandertreffen kommt es zu einem solchen Zweikampf, in dem der Höllenofen die entscheidende Rolle spielt. Wer den Teufel aus dem Ofen lockt, gewinnt das Duell. Für den Verlierer gibt's einen über die Mütze, eine kräftige Beule trägt er fortan mit sich herum.
Bluffelemente, der reizvolle Duellmechanismus, eine überschaubare Spieldauer und das hervorragende Spielmaterial - alles stimmt in diesem gelungenen Brettspiel des bekannten Spieleerfinders aus Venedig, Alex Randolph. Er ist Garant für wirklich höllischen Spielspaß von mindestens einer halben Stunde Spieldauer. Meist wird es sicherlich nicht bei nur einer Menüwahl in der Hölle bleiben. IN TEUFELS KÜCHE gehört zu den herausragenden raren Neuheiten im Famlienspielsektor in diesem Jahr.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: In Teufels Küche
Verlag: F.X. Schmid
Autor: Alex Randolph
Grafik: F. Visintin
Spielerzahl: 2-4
Alter: ab 10 Jahre
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 55.00 DM
Spiel 17/1993 R10/2021
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Alex Randolph war der Kosmopolit unter den Spieleautoren. 1922 in Böhmen geboren. Seine Mutter stammte aus Colorado, sein Vater war Russe. Schon als Kind lebte er mehrere Jahre in Venedig, bevor er als Zehnjähriger in ein Schweizer Internat geschickt wurde. Ein Jahr vor dem Zweiten Weltkrieg ging die Familie zurück in die USA. Während des Krieges arbeitete er am Entschlüsseln feindlicher Codes.
Nach dem Krieg lebte er als Werbetexter und Romancier in Boston, bevor er 1961 mit Pentomino-Steinen sein erstes Spiel veröffentlichte. Randolph siedelte dann nach Wien um, spielte dort im Café Hawelka TWIXT mit Herbert Feuerstein, das bald als 3M-Spiel in einer edlen Buchschuberausgabe erschien und ihm einen mehrjährigen Aufenthalt in Japan finanzierte. Mitte der 70er Jahre fand der Spieleautor nach Venedig zurück, wo er 2004 starb.
Anfangs entwickelte er, inspiriert durch die Japanreise, hauptsächlich taktische Spiele für zwei, wie EVADE, BUFFALO und GEISTER. In den 80er Jahren erfand er erfolgreich viele Familienspiele wie SAGALAND, „Spiel des Jahres“ 1981, das er zusammen mit seinem engen Freund Michael Matschoss entwickelte, der sich inzwischen um sein spielerisches Erbe kümmert. Es blieb zwar sein einziges „Spiel des Jahres“, für GUTE FREUNDE (1989) gewann er den ersten Sonderpreis „Kinderspiel“, was er mit LEINEN LOS! 1997 noch einmal wiederholte. INKOGNITO (1988) und VENICE CONNECTION (1996) bescherten ihm den Sonderpreis „Schönes Spiel“.
In den 90er Jahren arbeitete Randolph eng mit Johann Rüttinger zusammen, der auch XE CIAO CIAO … in sein Programm nahm. Posthum veröffentlichten Rüttinger und Kathi Kappler 2012 das lesenswerte Buch Randolphs „Die Sonnenseite. Fragmente aus dem Leben eines Spieleerfinders“.
In seinem 68. Lebensjahr wird der Philosoph unter den Spieleautoren mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet, außerdem erhält er 1992 einen Sonderpreis für sein Lebenswerk beim Deutschen Spielepreis. Randolph gilt neben Sid Sackson als einer der ersten Spieleautoren, der seine Leidenschaft zum Beruf gemacht hat. Er hat schon in den 70er Jahren dafür gesorgt, dass Autorennamen auf den Schachteln auftauchten.
Das Bild zeigt Alex Randolph 1990 bei seiner SPATZ-Verleihung mit Rita Süßmuth.
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