Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
COLLECTOR - Spiele am Postschalter
Briefmarken soll es demnächst an den Tankstellen und im Tante-Emma-Laden um die Ecke zu kaufen geben, heute macht die Post aber schon den Spieleläden Konkurrenz. Seit ein paar Monaten gibt es an jedem Postschalter ein Gesellschaftsspiel zu kaufen, das durchaus das Hinsehen lohnt.
COLLECTOR, so heißt das neue Spiel, ist primär Werbeträger für das Briefmarkensammeln. Hinter dieser Werbeidee steht aber ein pfiffiger Quizspielmechanismus. Für knapp 40.-DM erhalten Sie eine prall gefüllte Spieleschachtel in hervorragender Ravensburger Spielequalität. Der Branchenführer aus Süddeutschland hat das Spiel im Auftrag der Bundespost produziert. Vergleichbare Quizspiele mit diesem Niveau kosten sonst meist das doppelte, das Preis-/Leistungsverhältnis ist hervorragend.
Sicherlich auf Ravensburger Vermittlung hin hat die Bundespost einen einschlägigen Spieleautor für die Spielentwicklung gewinnen können. Bertram Kaes, vor allem bekannt durch Spiele wie NOBODY IS PERFECT und NILPFERD IN DER ACHTERBAHN, hat ein pfiffiges Quizspiel rund ums Briefmarkensammeln entwickelt. Auf einer Sammeltafel versucht jeder Spieler vier Briefmarken in einer waagrechten, senkrechten oder diagonalen Reihe anzuordnen. Briefmarken erhält man meist nach der Beantwortung von Quizfragen aus den Wissensgebieten Natur, Umwelt, Soziales, Geschichte und Politik, Kunst und Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft, Wissenschaft und Technik und Sport und Spiel. Hilfestellung geben dabei die Kartenrückseiten: authentische Briefmarkenabbildungen verweisen auf den Inhalt möglicher Fragen. Heinrich Schliemann (Deutsche Post, 1990) signalisiert trojanische Bezüge. Entsprechend gefragt wird auch auf einer der drei Fragen auf der Rückseite. Dass die Goldschätze aus Troja in Berlin zu bewundern sind, wird man wahrscheinlich noch wissen. Ob der Altertumsforscher außerdem noch in Mykene, Orchomenos oder Luxor Ausgrabungen unternommen hat, wird man dann eventuell raten müssen. Für die richtige Antwort (Luxor) gibt es eine Briefmarke, die die eigene Sammlung wachsen und dem Spielziel näherkommen lässt. Mit Hilfe von Sonderfeldern kann man schon fast fertige Sammlungen der Mitspieler reduzieren. Die Stunde der Wahrheit schlägt auf den sogenannten "Wahr-Feldern". Behauptungen sind auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Hier werden Sie mit Behauptungen von folgender Art konfrontiert: "Stracciatella ist neben der Eissorte auch ein italienischer Volkstanz". Wahr oder unwahr?
Insgesamt ein Spielmechanismus, der erheblich mehr Abwechslung bringt als geläufige Quizspiele. Die Markenbildchen der Bundespost wird man in Zukunft sicherlich auch genauer betrachten, wahrscheinlich gewinnt die Post sogar den ein oder anderen Sammler hinzu. 100 000 Spiele sind schon in den Verkauf gegangen, eine außerordentlich hohe Auflage für ein Brettspiel. Vom Erfolg überzeugt, plant die Post schon die zweite Auflage.
Eine Sammlungseröffnung lohnt!
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: COLLECTOR
Verlag: Deutsche Bundespost - Postdienst
Autor: Bertram Kaes
Spielerzahl: 3-18
Spieldauer: 60-90 Min.
Preis: 39.50 DM
Spiel 18/1993 R12/2021
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächsten Woche wieder
Zum Autor:
Bertram Kaes ist so etwas wie der Hausautor des Ravensburger Spieleverlags. Ursprünglich hat er eine kaufmännische Ausbildung im Verlag absolviert, dann aber erfolgreich Spiele wie DAS NILPFERD IN DER ACHTERBAHN entwickelt. 1989 hat er sich mit der Firma Funtasy Factory selbstständig gemacht und rund 50 Spiele veröffentlicht, häufig auch Werbespiele für Mercedes, BMW und Ikea und eben das COLLECTOR für die Post.
Bekannt sind vor allem noch NOBODY IS PERFECT und die MAULWURF COMPANY, die 1995 immerhin auf der Auswahlliste für das Spiel des Jahres landete.