
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Bestseller-Edition: SPIEL DER TÜRME
Der Blick in die wöchentliche Bestsellerliste des Spiegels ist für viele eine Kaufhilfe. Auch Spieleverlage fangen an, sich an Bestseller-Spieleautoren zu orientieren.
Ganz neue Maßstäbe setzt dabei ein Spieleautor unter den Produktmanagern der großen Verlage, Roland Siegers nämlich, der bei Schmidt Spiel und Freizeit eine ganz neue Autoren-Edition startet, der man nur viel Erfolg wünschen kann.
Nicht kleckern, klotzen scheint Siegers Devise zu sein, der nicht erst vorsichtig den Markt abtastet, sondern gleich in die Vollen mit sechs großformatigen Spielen einsteigt. Das Risiko ist berechenbar: Die Planer bei Schmidt haben sechs Autoren ausfindig gemacht, die in den letzten Jahren allein 40 Prozent der Auszeichnungen aus der Auswahlliste "Spiel des Jahres" unter sich ausgemacht haben. Diese Ehrengarde der Spieleautoren hat insgesamt über 18 Millionen Spiele verkauft. Schmidt hat in der ersten Runde die renommierten Autoren Alex Randolph (1x Spiel des Jahres, 9x Bestenliste), Sid Sackson (1x Spiel des Jahres, 8x Bestenliste), Wolfgang Kramer (2x Spiel des Jahres, 4x Bestenliste), Reinhold Wittig (3x Sonderpreis für "Das schöne Spiel", 5x Bestenliste), Rudi Hoffmann (1x Spiel des Jahres, 4x Bestenliste) und Roland Siegers (6x Bestenliste) in den spielerischen Olymp mit aufgenommen und hat zum Teil bewährte alte Spiele in neuer Bearbeitung (ACQUIRE, von dem amerikanischen Autor Sid Sackson entwickelt und ABILENE, von eben diesen Roland Siegers, der die Reihe gestartet hat), sonst aber echte Neuheiten dieser Autoren herausgebracht. Es fehlen eigentlich nur Klaus Teuber und Reiner Knizia, die neuen Stars am Autorenhimmel, in dieser Bestseller-Edition. Sie dürften wohl 1994 vertreten sein.
Von den Brettspielneuheiten ragt mit Abstand Rudi Hoffmanns SPIEL DER TÜRME, ein knallhartes Strategiespiel, das sofort auf der Bestenliste '93 gelandet ist, heraus.
Beim SPIEL DER TÜRME greift Siegers auf eine Neuentwicklung Hoffmans zurück. Wir werden in eine recht abstrakte mittelalterliche Stadt versetzt, in der vier Adelsfamilien mit großen Türmen die Stadtviertel dominieren wollen. Vorerst liegen 80 Holzsteine in den Straßen der Stadt, acht zentrale Stadtviertel warten auf ihre Füllung. Jeder Spieler hat 20 Steine einer Farbe mit vier unterschiedlichen Wappensymbolen. Gezogen wird orthogonal so weit, wie andere Steine dies zulassen. Identische Symbole dürfen überbaut werden, sodass Türme bis zu einer Höhe von fünf Steinen entstehen. Wandert ein Turm in ein Stadtviertel, darf er nicht mehr bewegt werden. Solange er noch nicht die Maximalhöhe hat, kann er seinen Besitzer aber noch wechseln. SPIEL DER TÜRME endet, wenn ein Zentrum vollständig besetzt ist. Der Spieler mit den meisten Eroberungen in den Zentren gewinnt.
Anfangs wirkt die Steinflut mit den vier Symbolen in vier Farben verwirrend, auch das Türmchenbilden ist gar nicht so einfach, da sie ja nur aus identischen Symbolen entstehen. Vorausschauende Planung ist alles in diesem Spiel, vor allem die Sicherung von Vierertürmen, die Gegner ja noch übernehmen können. Kein einfaches Spiel, aber nach zwei Proberunden immer wieder eine spannende Herausforderung vor allem in voller Besetzung.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: SPIEL DER TÜRME
Autor: Rudi Hoffmann
Grafik:
Verlag: Schmidt
Spielerzahl: 2-4
Spieldauer: etwa 45 min
Preis: ca. 49.00 DM
Spiel 20/1993 R14/2021
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder

Zum Spiel und zum Autor:
Rudi Hoffmann, der Vater von Guido Hoffman, gehörte schon in den 60er und 70er Jahren zu den bekanntesten Autoren Deutschlands. Da er als Werbegrafiker arbeitete, hat er die meisten seiner Spiele mit einem unverkennbaren ironischen Stil selbst gestaltet. Seine Handschrift prägt viele frühe Spiele der Verlage Spear und Berliner Spielkarten.
Seinen größten Erfolg hatte er 1989 mit CAFÉ INTERNATIONAL (Mattel), das Spiel des Jahres wurde. Dieser Preis führte vor allem in den 90ern zu vielen Neuauflagen seiner älteren Spiele. HALALI gehörte dazu, ursprünglich hieß das Spiel JAG UND SCHLAG und war 1973 bei Spear erschienen. Das auch solche alten Ideen immer noch erfolgreich sein können, zeigen die weiteren Auflagen, die 2012 und 2015 folgten. SPIEL DER TÜRME war wie das Mattel-Spiel eine Neuentwicklung für die Bestseller-Reihe von Schmidt. Es reichte immerhin für die Auswahlliste zum Spiel des Jahres 1993, außerdem landete Hoffmann mit dem Spiel auf dem siebten Platz beim deutschen Spielepreis. 2006 erschien eine Neuausgabe des Spiels bei Pro Ludo.
Rudi Hoffmann starb im Juli 2008 mit 83 Jahren.
Das Foto zeigt Rudi Hoffmann 1989 in Essen während der legendären CAFÉ INTERNATIONAL-Runde mit Randolph, Sackson und Kramer.