
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
IN DUBIO PRO REO
Blind wird Justitia, die Göttin der Rechtsprechung, mit ihren verbundenen Augen dargestellt. Steht diese Blindheit im ursprünglichen Sinne für ihre Unbefangenheit und Unbestechlichkeit, so spiegeln leibhaftige Justizerfahrungen andere Blindheiten wieder. Da ist Valentin Hermann mit seiner in Essen vorgestellten Justizsatire, IN DUBIO PRO REO, deutlich näher an der Realität, wobei sein Spiel im Zweifelsfall häufig genug für den Kläger ausgeht.
Abhängig von der Kommunikationsbereitschaft einer Spielrunde kann diese Neuheit des Fanfor Verlages mit Ärgerspielen wie INTRIGE und KOHLE, KIES & KNETE durchaus mithalten. In diese Gruppe der kommunikativen Ärgerspiel muss IN DUBIO PRO REO eingeordnet werden. Am meisten Spaß machen die juristischen Streitereien, wenn mindestens sechs oder sogar acht Spieler beteiligt sind.
Jeder erhält eine Personenkarte, aus deren Beschreibung sich mögliche Anklagepunkte ergeben, diese Karte liegt offen aus. Da gibt es zum Beispiel den leidenschaftlichen Magic-Spieler, der gerne jammert und eine Mütze trägt. Daneben gibt es noch einen Stapel mit sieben Richterkarten, u.a. gehört zum Hohen Gericht die gute Richterin Haar, die eine Abneigungen gegen Kopfbedeckungen hat. Außerdem sind noch rund 150 weitere Spielkarten im Spiel, von denen jeder zu Beginn sechs erhält. Der große Kartenstapel enthält Vorwurfskarten, Argumentekarten im Wert von eins bis fünf, Bestechungskarten und weitere Sonderkarten.
Der Spielablauf ist einfach: Eine Vorwurfskarte wird gegen einen bestimmten Mitspieler ausgespielt. Es geht dabei immer um einen Streitwert, der Minuspunkte bringt. So könnte dem Magic-Spieler der Vorwurf gemacht werden, dass er eine Black-Lotus-Karte zerrissen habe. Schon in der Anfangsphase können sich die Kontrahenten einigen, in dem man eine Aufteilung der negativen Punkte vereinbart. Erfolgt keine Einigung kommt es zur Güteverhandlung. Jetzt muss jeder eine Karte verdeckt ausspielen und dann aufdecken, da liegen dann z.B. Karten mit zwei oder fünf Argumenten. Wieder kann verhandelt werden, ob man sich der größeren Zahl der Argumente (Karte) beugt, oder man vertraut auf die Hauptverhandlung. In dieser dürfen beliebig viele Karten eingesetzt werden, die Kartenwerte aus der Güteverhandlung zählen dabei in der Endabrechnung mit. Der Mandant mit den meisten Argumenten gewinnt meist den Streit, wenn nicht der am Ende gezogene Richter mit jeweils speziellen Abneigungen gerade gegen den Sieger des Rechtsstreits etwas hatte. Der Gewinner erhält drei Pluspunkte, der Verlierer den Streitwert in Minuspunkten angerechnet. Das Spiel endet, sobald ein Spieler 20 Minuspunkte erreicht hat.
Wird IN DUBIO PRO REO nur trocken als Kartenspiel - wer hat die höheren Werte? - gespielt, ist es reichlich flau. Spielerische Atmosphäre kommt aber auf, wenn die Spielgruppe Spaß und Freude daran hat, sich auf die Alltagsstreitereien auch rhetorisch einzulassen. Selbst wenn letztlich doch die Karten entscheiden, gehört das Klappern davor zum juristischen Handwerk. Wenn dann noch Bestechungskarten richtig eingesetzt werden (damit verlieren die Argumente ihren Wert), mit einem Urlaubsekel Urlaubskarten zunichte gemacht werden, ein Schlichter geschickt eingesetzt wird, mit dem man dann selbst die Minuspunkte verteilen darf, dann wird IN DUBIO PRO REO zu einem besonderen spielerischen Leckerbissen.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: IN DUBIO PRO REO
Autor: Valentin Herman
Grafik:
Verlag: FanFor verlag
Spielerzahl: 4-8
Alter: ab 12 Jahre
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 19.- DM
Die Rezension erschien 1995
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 21/ 1995 R 19/2021

Zum Autor:
Gut zehn Jahre unterhielt Valentin Herman seine Fan-Gemeinde mit seichten, teilweise abgedrehten Karten- und komplexen Wirtschaftsspielen und war von 1990 bis 2002 mit seinem FanFor-Verlag regelmäßiger Gast auf der Spiel in Essen.
Er startete 1990 mit NACHT DER DIEBE, bekannt war auch seine jährliche ABI-Reihe, die er 1994 startete. Mit X-PASCH konnte er 1996 immerhin den 8. Platz des À la carte-Preises der Fairplay erreichen.
Auf dem Bild ist Herman 1995 in Essen zu sehen, als das Spiel erschien.