Sonntag, 24. Januar 2021
AGENT
SAMMELSURIUM
Pelikan Buchkassetten: AGENT
Die bei Spielesammlern bekanntesten Spiele aus dem Pelikan Verlag sind die Buchkassetten, die zwischen 1974 und 1976 erschienen sind. Die ursprünglich nur für Tinten und Farben bekannte Firma aus Hannover mit dem Wappentier Pelikan, war ab den 30er Jahren die wesentliche Firma in Deutschland für Füllfederhalter. Die Erfolge führten in den 70er Jahren zu einer großen Erweiterung der Produktpalette. Neben Spielen kamen Drucker, Projektoren, sogar Kosmetik ins Sortiment der Firma. TKKG wurde von Pelikan ursprünglich entwickelt. Die Expansion ließ die inzwischen von der GmbH zur AG gewordene Firma straucheln. 1984 wurde sie von der Condorpart AG in der Schweiz übernommen, die die Spieleproduktion nicht fortführte. Inzwischen gehört Pelikan dem malaysischen Unternehmen Goodace, das nunmehr als Pelikan International Corporation Berhad firmiert.
18 Spiele in Buchkassetten sind in den 70er Jahren erschienen. Die Spiele waren kleiner als die der Konkurrenz. Ihr quadratisches Format (19x19 cm) wirkte sich auch auf die Spielfeldgröße aus, das geklappt die vierfache Schachtelgröße ergab, oft aber auch nur aus einem Kunststoffbrett eben der Größe bestand.
Pelikan griff teilweise auf renommierte Autoren zurück wie Alex Randolph und Eric Solomon. Bei firmeneigenen Entwicklungen arbeitete die Redaktion mit Pseudonymen. Das Pferderennspiel FINISH wurde so einem E. Siena zugeschrieben, GLOBETROTTER hat angeblich ein R. F. Pleuna erfunden und DIAMANT ein A. Steyn.
Wie in der E-Serie von F.X. Schmid tritt auch bei Pelikan der Spielekritiker Eugen Oker als Serienbegleiter auf, aber auf eine anregende Weise einstimmend. Einleitende Kurzgeschichten führen zu manchen Spielen, wie der Verlag selbst sagt, meist „frei erfunden, zum Teil wahr“. Eugen Oker „wolle ja nicht bloß Einleitungen schreiben, sondern Vorspiele und Einstimmungen.“ Auch an den Regeln der Pelikanspiele soll Oker beteiligt gewesen sein.
AGENT
Mit dem Spiel AGENT griff Pelikan auf das erste erfolgreiche Spiel des Engländers Eric Solomon zurück. Mit nur 24 Jahren hatte Solomon 1959 im Fach Mathematik promoviert. Er arbeitete zunächst erfolgreich in einem Rechenzentrum, bis er 1965 sein eigenes Unternehmen Engineering Computations gründete.
Sein mathematischer Hintergrund prägte seine Spielentwicklungen ab 1972. Klare und einfache Strukturen, ohne dass sich dadurch langweilige Spiele ergeben würden, waren sein Markenzeichen. Die schönste Belohnung der mühsamen (und zumeist schlecht bezahlten) Arbeit eines Spiele-Autors sah Solomon darin, dass er sicher sein durfte, vielen spielenden Menschen eine Menge Freude bereitet zu haben.
Solomons erstes publiziertes Spiel war SIGMA FILE 1972, das dann in der deutschen Erstausgabe AGENT hieß. Es zählt inzwischen zu den modernen Spiele-Klassikern.
Das Besondere und für die damalige Zeit Ungewöhnliche an Solomons Spiel war, dass die Figurenbewegungen der acht Agenten auf einem abstrakten Spielplan von 5x5 Feldern nicht an bestimmte Spieler gebunden ist, sondern dass jeder jede Figur bewegen darf. In HEIMLICH & CO. hat Wolfgang Kramer dieses Prinzip ebenfalls mit einem Agentenspiel 13 Jahre später bis zum Spiel des Jahres geführt.
Solomons Ansatz der Zuordnung von Agenten ist komplexer als bei Kramer, der einfach nur eine verdeckt zu ziehende Farbkarte nimmt. Bei Solomon werden die Agenten geheim bestochen, dazu hat jeder einen Kapitalplan mit insgesamt 10.000 Dollar, aufgeteilt in vier Einzelwerte von 1000 $, 500$, 400$, 300$, 200$ und 100$, die beliebig auf die acht Agenten verteilt, aber später nicht mehr umgebucht werden können.
Die acht Agenten sind Männer und Frauen, farblich gehören sie als Paar ziemlich stereotyp einer Nationalität an mit der entsprechenden Hauptstadt in den Eckfeldern. So stammen die grünen Figuren aus Washington, die blauen aus London, rote und gelbe kommen aus Moskau und Peking. Wer am Zug ist, bewegt eine beliebige Figur. Zuerst geht es Richtung Tanger, da sich dort ein Koffer mit Geheiminformationen befindet. Wer nicht ziehen möchte, darf bestechen und sein Kapital nutzen. Schließlich kann man Agenten auch auf die Bahamas schicken, indem man sie mit anderen Figuren schlägt, die mindestens vorher mit 500 oder 1000 $ bestochen sein müssen, denn dieser frevlerische Akt ist teuer, er kostet nämlich genau diese Summe.
Bis auf die Bestechungsaktion, kann bei jeder anderen Aktion interveniert werden. Im Falle des Einspruches, werden Teilsummen der Gelder offenbart, die man zur Bestechung benutzt hat. Wer in diesem Bietverfahren die Mehrheit erringt, darf entweder seinen geplanten Zug durchführen oder sorgt dafür, dass er rückgängig gemacht wird. Die sukzessive Bestechung, bei der man auch lange viel Geld zurückhalten kann, um am Ende aufs richtige Pferd zu setzen, war in den 70ern ungewohnte Kost. Keine Würfel, keine Karten, nur psychologische Einschätzung der Mitspieler und der geschickte Umgang mit Geld. Was sich im Spiel ebenfalls ergibt, sind Teamverhandlungen, Partnerschaften auf Zeit.
Das Spiel endet, wenn ein Agent den Koffer in seine Hauptstadt bringt. Derjenige, der das meiste Geld auf diesen Agenten gesetzt hat, gewinnt das Spiel. Die Emotionen am Tisch gehen natürlich hoch, wenn das nicht der Spieler war, der den Agenten in die Hauptstadt gezogen hat.
Irritierend ist, dass es unterschiedliche Regelausgaben bei Pelikan gab. Die stimmungsvolle erste Auflage mit dem Vorwort Eugen Okers, unterscheidet sich zum Teil deutlich von der eher nüchternen mehrsprachigen zweiten Auflage. So darf in der zweiten Fassung in der Bestechungsphase stets nur Geld auf einen Agenten übertragen werden, dass war vorher nicht eingeschränkt. Auch das Schlagen kostete ursprünglich nur 500 $, später 1000$. Wer sich dann noch in der mehrsprachigen Ausgabe die englische Regel ansieht, wird zusätzlich verwirrt zurück gelassen, denn diese entspricht ziemlich genau der Interpretation Eugen Okers. Persönlich tendiere ich zur ersten Fassung, die die Hürde für rivalisierende Kämpfe nicht allzu hoch hängt und vor allem mehr Optionen bei den Bestechungen zulässt.
Solomons Spielidee war seiner Zeit voraus. Viele liebten das Spiel, es gab aber auch genügend Ablehnung. Die Kritik betraf nicht nur die unklaren Regeln, auch der Spielablauf erwies sich oft als langwierig, vor allem wegen der ständigen Unterbrechungen durch Bietergefechte, die langwierig waren. So richtig beeinflussen konnte man den Verlauf nicht, wer zu viel auf einen Kandidaten geboten hatte, der dann auf die Bahamas geschickt wurde, war raus aus dem Spiel und oft als Königsmacher dann Zünglein an der Waage. Trotzdem gewann Solomon später noch Auszeichnungen für Neuauflagen.
National wurde Solomons Idee noch zweimal aufgelegt. In Deutschland erschien 1990 die erfolgreichste Fassung unter dem Titel CASABLANCA. Diese Bearbeitung von Amigo erhielt einen Platz auf der Auswahlliste zum Spiel des Jahres 1991 und erreichte den 5. Platz beim Deutschen Spielepreis. Zuletzt ist das Spiel als JAGD NACH DEM GRAL 2007 beim argentum verlag erschienen.
Titel: AGENT
Verlag: Pelikan
Autor: Eric Solomon
Spielerzahl: 3 - 4
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 90 Minuten
Preis: ca. 60.- DM
Wertung: Gerne morgen wieder
Sammelsurium 4 - S4/2021
Trackbacks
Trackback-URL für diesen Eintrag
Keine Trackbacks
Kommentare
Ansicht der Kommentare:
(Linear | Verschachtelt)
Die Kommentarfunktion wurde vom Besitzer dieses Blogs in diesem Eintrag deaktiviert.