Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Mit der Karawane durch die Wüste: Allein schafft es keiner
Was gehört zu einem guten Familienspiel? Spielatmosphäre, gutes Spielmaterial, eine einfache Regel neben taktischen Möglichkeiten, die gehörige Portion Glück, Kommunikationsmöglichkeiten und Spannung bis zum Ende.
Alle Kriterien erfüllt der Göttinger Spieleautor Reinhold Wittig mit seinem neuesten Spiel NOMADI das der Blatz-Verlag aus Berlin in gewohnt edler Ausstattung herausgebracht hat. 1993 und 1994 produzierte der Verlag Spiele von Reinhold Wittig, die jeweils als „Schönste Spiele des Jahres" ausgezeichnet wurden, in dieser Tradition steht NOMADI.
Mühsam kämpft sich eine große Karawane durch den Wüstensand. Zwei bis fünf Spieler müssen darauf achten, dass keines der Kamele aus der Reihe tanzt, die Tiere immer eng zusammenbleiben und sich allmählich auf Wasserlöcher und schließlich die Oase zubewegen.
Sechs Würfel dienen als Bewegungsmotor, wobei nicht immer nur eigene Kamele vorangebracht werden können, jeder darf nämlich jedes Kamel bewegen. Hier liegen die taktischen Möglichkeiten des Spiels, Absprachen sind möglich, ein gemeinsames Nachdenken über die besten Züge, bis schließlich die ersten drei Kamele die Oase erreicht haben.
NOMADI ist ein wunderschönes taktisches Würfelspiel, mit dem auch Kinder ab zehn Jahren schon gut zurechtkommen. Im Grunde genommen verpasst Wittig mit NOMADI seinem Klassiker WABANTI ein neues Gewand. Im Familienspielbereich gibt es in diesem Jahr kaum bessere Spiele, erneut hat der Göttinger Reinhold Wittig bewiesen, dass er neben Klaus Teuber und Wolfgang Kramer zu den besten deutschen Spieleautoren gehört.
Wieland Herold
Spieletelegramm:
Titel: NOMADI
Autor: Reinhold Wittig
Grafik: Hartmut Gärling
Verlag: Blatz
Spielerzahl: 2 – 5
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 50.- DM
Die Rezension erschien 1995 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 22/ 1995 R 25/2021
Zum Spiel und zum Autor:
Über den Göttinger Geologen, Puppenspieler, Künstler und Spieleerfinder ließen sich Seiten füllen. Ich halte mich an dieser Stelle kurz:
Reinhold Wittig, der 83jährige Erfinder des Spieleautoren Treffens in Göttingen, entwickelt seit 1958 Spiele. 1976 gründete er seinen Kleinverlag Edition Perlhuhn, der mit Skaiplänen und Spielen in der Rolle bekannt wurde.
Zu seinen bekanntesten Spielen gehört die Würfelpyramide DAS SPIEL (1980 mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet), das heute immer noch von Abacus vertrieben wird. Für WIR FÜTTERN DIE KLEINEN NILPFERDE und MÜLLER & SOHN bekam er ebenfalls diese Auszeichnung, für die Grafik war jeweils sein Sohn Matthias verantwortlich. Seine ästhetischen Maßstäbe für Spielmaterial und Optik haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der einfache Pöppelalltag aus den Spieleschachteln verschwand. Den Kosmos-Verlag brachte er durch edle Spiele in der Reihe mit der Feder voran, darunter auch eigene Veröffentlichungen wie MARITIM, das 1987 Chancen auf das Spiel des Jahres hatte.
1990 landete er mit DINO, damals noch von Hexagames auf der Auswahlliste für das Spiel des Jahres.
In den 90er Jahren prägte seine Handschrift die Spiele von Blatz und teilweise auch Haba. KULA KULA und das hier schon vorgestellte DOCTOR FAUST aus diesem Verlag bekamen ebenfalls den Preis für das Schöne Spiel. NOMADI war sein letztes Spiel bei Blatz. Die Blatz-Gruppe übernahm 1997 Schmidt und fungiert seit dem unter diesem Label. NOMADI war kurz zuvor in einer Fassung der Edition Perlhuhn erschienen (siehe Bild unten)
Die ganz großen Erfolge blieben dann zwar im neuen Jahrtausend aus, immerhin landete CORNU 2007 auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury und MOGULI erhielt 2013 eine MinD-Würdigung.
Die Organisation des Autorentreffens hat Wittig 2016 an die SAZ übergeben, in seiner Edition Perlhuhn unterstützt ihn seit letztem Jahr Timo Diegel. Ein Jahr danach ist er mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet worden. Das Foto zeigt Wittig auf dem Autorentreffen in Göttingen 2007.