
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
CHINA MOON Frösche auf Seerosensuche
Über zehn Jahre schmort die Spielidee schon in der Schublade Bruno Faiduttis. Angeregt wurde er durch David Parletts HASE UND IGEL. Ebenso wie Parlett wollte er ein Spiel entwickeln, das einfache Regeln besitzt, thematisch für Kinder ansprechend sein soll, ohne den Glücksfaktor auskommt und im Wesentlichen taktisch geprägt ist. Vor sieben Jahren veröffentlichte Faidutti das Spiel auf der Seite Game Cabinet (http://www.gamecabinet.com/rules/FlowerOfTheLotus.html), so dass es in den internationalen Test gehen konnte. Es hat bis Oktober 2003 gedauert, bis der Autor sein Spiel endlich in einer Schachtel verpackt erleben durfte. Eurogames hat sich Faiduttis Frühwerk angenommen.
Normalerweise werden Autor und Verlag am Anfang einer Spielbeschreibung erwähnt, bei CHINA MOON muss es der Grafiker sein. Vincent Dutrait zieht den Betrachter mit dem Schachtelcover in einen ganz besonderen Bann. Der uns neckisch zublinzelnde Frosch vermittelt Spielvergnügen, aber auch Kopfarbeit, wie die an der Stirn kratzende Pfote deutlich macht. Im Hintergrund spiegeln sich Spielgeschichte und Spiel im Wassertümpel unter dem Brückenbogen wider, alles in das silbrige Licht einer Vollmondnacht getaucht, CHINA MOON eben. Toll!
Ein melancholischer Mandarinerpel treibt in Gedanken an seine Auserwählte versunken durch Seerosenblätter dahin. Die Frösche, die vergnügt um ihn herumspringen, bemerkt er gar nicht, bis sie sich an ihn wenden. „Hübscher Erpel, warum weinst du?“ Da gesteht er seinen Kummer, dass er nicht wisse, mit welchem Geschenk er seiner Traumente seine Liebe gestehen könne. Es gebe nichts Schöneres als ein in einer Vollmondnacht gepflückter Seerosenstrauß, schlagen die Frösche vor und bieten sich gleichzeitig an, in Teams für die Zusammenstellung toller Sträuße zu sorgen.
Wir sind im Spiel. Jeder hat drei kleine Gummifrösche zur Verfügung, die über einen verschlungenen Wasserweg mit vielen Seerosenblättern zur Seeroseninsel gelangen wollen. Auf dem Weg dorthin können sie 16 wunderschöne Seerosen einsammeln, fünf blütenweiße, fünf butterblumengelbe und fünf karminrosa Lotusblumen, auch eine rare blaue, zusätzlich noch eine 17., die nicht erwünschte schwarze Blume. Die Frösche bewegen sich in großen Sprüngen voran, mit dem Sprung auf das nächste Seerosenblatt geben sie sich nicht zufrieden. Es muss stets das übernächste sein, wobei sie von Artgenossen besetzte Felder gar nicht erst mitzählen. Drei Frösche müssen so in einem Spielzug bewegt werden, wobei die Regel vorschreibt, dass es nicht nur die eigenen Frösche sein dürfen, die man bewegt, mindestens ein fremder muss dabei sein. Das macht auch Sinn, denn niemand käme sonst auf die Idee, eine schwarze Blume zu sammeln. Es macht auch deshalb Sinn, weil einige Sonderfelder gezielter genutzt werden können. Um diese zu verstehen, müssen wir uns an den Mandarinenterich erinnern. Er ist sich sicher, dass er am meisten Erfolg bei seiner Angebeteten mit möglichst vielen Blumen einer Farbe haben wird, so vergibt er für eine einzelne Seerose an die Frösche einen Punkt, für zwei einer Farbe aber schon drei Punkte, für drei sechs Punkte, so dass im Idealfall 15 Punkte erreicht werden. Ist dann noch die rare blaue Blume dabei, gibt es noch vier Punkte dazu, deren Erfolg nur durch einen kleinen Punktabzug von zwei Punkten durch die nicht so attraktive schwarze Seerose geschmälert werden kann. Über Sonderfelder werden die Spieler zum Tausch von Seerosen gezwungen, manchmal müssen auch Blumen wieder zurückgelegt werden. Das Spiel endet nach etwa einer halben Stunde Sprungvergnügen, sobald die letzten vier Seerosen auf der Seeroseninsel abgeerntet sind, dabei ist die blaue Blume stets die allerletzte, die gepflückt wird.
Die Geschichte ist märchenhaft-kindlich, das Spiel selbst aber kein Kinderspiel. Die Spielregel empfiehlt es für Kinder ab 12 Jahren, wobei auch Zehnjährige schon gut damit klarkommen. Der Würfel fehlt, dafür bietet die Fortbewegungsregel genügend Raum für die Entwicklung von Spielstrategien. Besonders beim Spiel zu dritt bleibt alles planbar und spannend bis zum Schluss. In der Vollbesetzung mit fünf Spielern ist man aber ganz schön abhängig vom Handeln der Mitspieler, wer da das letzte Spiel gewonnen hat, besitzt schlechte Karten in der aktuellen Runde. Bruno Faidutti, der französische Autor des Spiels, hat auf seiner Homepage Varianten zu CHINA MOON veröffentlicht, die u.a. auch eine sehr gute Zweierversion umfassen.
Eurogames hat die Vorlagen des Autors fast 1: 1 übernommen. Das gilt für die ganze Spielgeschichte, aber auch den Spielplan mit den meisten Sonderfeldern. Dazu gekommen sind nur kleinere Ergänzungen, wie zum Beispiel zwei Trampolinfelder, die einen Doppelzug ermöglichen. Ursprünglich haben sich die drei Frösche ein Feld, zwei und drei Felder weit bewegt, was durchaus Sinn macht und was Faidutti auch in seinen Sonderregeln wieder aufgreift. Ob CHINA MOON nun an den Erfolg des Vorbilds, HASE UND IGEL, anknüpfen kann, darf bezweifelt werden. Dazu fehlt dem Spiel doch etwas Tiefgang. Trotzdem bleibt es ein ordentliches Familienspiel, das in einem stimmigen Ambiente daherkommt. Wer es ausprobieren möchte, ohne gleich knapp 20 Euro zu investieren, kann ohne große regeltechnische Abstriche problemlos auf die Fassung von Game Cabinet zurückgreifen, optisch entgeht Ihnen dabei aber eine ganze Menge.
Wieland Herold
Titel: CHINA MOON
Autor: Bruno Faidutti
Grafik: Autor: Bruno Faidutti
Verlag: Eurogames
Spieler: 3 bis 5
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 18 Euro
Spiel 8/2004 R30/2021
Die Rezension erschien 2004 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Bruno Faidutti, 1961 in Berlin geboren, ist ein französischer Spieledesigner, Historiker und Soziologe, der häufig mit anderen Spieleentwicklern wie Alan R. Moon, Bruno Cathala und Michael Schacht zusammenarbeitet. Seine erste Veröffentlichung BASTON stammt aus dem Jahre 1984. Inzwischen hat er meist in Kooperation rund 120 Spiele erfunden. Sein Bekanntestes ist OHNE FURCH UND ADEL, das er allein entwickelt hat. Das Spiel war 2000 zum „Spiel des Jahres“ nominiert, gewann den Kartenspielpreis À la carte der Fairplay und landete auf dem 6. Platz des deutschen Spielepreises. Bekannt sind außerdem noch Spiele wie BOOMTWON und DIAMANT (beide 2005, Empfehlungsliste der Jury). Aktuellere Spiele von ihm sind ELEPHANT RALLY (2020), GOLD RIVER (2020) und angekündigt DREADFUL CIRCUS (2021).