Donnerstag, 11. Februar 2021
BAU AUF! ÜBERDACHEN OHNE EINZUKRACHEN!
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Häuslebau im Sozialismus: BAU AUF!
Mit spielerischer DDR-Nostalgie ergänzt der BuschFunk-Verlag seit einigen Jahren sein Musikprogramm. Ein Renner ist inzwischen das 1995 erschienene ÜBERHOLEN OHNE EINZUHOLEN von Robert Kurek, das eine stattliche Auflage von 175.000 verkauften Exemplaren vorweisen kann. Eine Persiflage auf die DDR-Idylle, in der ohne Schwarzarbeit oder Westkontakt nichts ging. Nostalgie als Kaufimpuls, vom Spielwert her hat das erste Spiel Kureks nicht viel zu bieten.
Anspruchsvoller kommt die neueste Spielentwicklung des Autors daher. Plakativ fordert er zum Aufbau auf, plakativ wäscht – Pardon! schüttelt – die eine Hand die andere. Ohne Kungeln läuft gar nichts, zur Datsche oder zum Eigenheim kommt man nur durch rudimentären Tauschhandel. ÜBERDACHEN OHNE EINZUKRACHEN, so der Untertitel des Spiels, eignet sich am besten für vier Spieler, die die Rollen des Maurers, Elektrikers, Tischlers und Klempners übernehmen. Aus der Rollenzuweisung ergibt sich das Materialangebot für die Kungeleien. Viel Plaste bietet uns der Autor an, Heizungsteile und Wasserhähne, Lampen und Steckdosen, Fliesen und Putz, Türen und Regale, außerdem noch Mauerteile, die unser Haus in die Höhe wachsen lassen. Jeder startet mit einer Grundplatte, die einen Lagerplatz für Baumaterialien und 28 Felder für den Innenausbau bereitstellt. Dort werden die Plasteteilchen verankert, die zur Zimmerausstattung benötigt werden. Dazu ziehen die Spieler Zimmerkarten, deren Materialvorgaben im Laufe des Spiels erfüllt werden sollten. An die Baumaterialien kommt man ganz simpel durch Würfeln. Danach kann zur Erfüllung der Ausstattungswünsche kräftig getauscht werden, sofern die Lagerplätze der Mitspieler Passendes hergeben. So wird eine Kammer fertig oder Flur und Küche, wenn nicht zu häufig eine sechs gewürfelt wird. Dieser Wurf verpflichtet zum Mauerbau. Sobald vier Mauerteile gesetzt sind, folgt bei der nächsten sechs das erste Stockwerk, das richtig verankert wird und das Erdgeschoss total abdeckt. Der Innenausbau geht weiter bis ein Spieler notgedrungen seine zehnte sechs gewürfelt hat und zum Richtfest einlädt. Damit endet das Spiel, wobei nicht allein das Dach über dem Kopf den Spielsieg bringt, dafür gibt’s nämlich nur drei Punkte, für jedes vollständige Zimmer, für die Berücksichtigung aller sechs Zimmertypen und die Erfüllung weiterer Bedingungen gibt es Punkte. Den Ehrentitel „Baulöwe des real-abwesenden Sozialismus“ bekommt der Punktbeste, der meist nach einer knappen Spielstunde feststeht.
Robert Kurek baut wie in seinem ersten Spiel weitgehend auf den Spielmotor Würfel, und das tut diesem Spiel trotz aller Zufälligkeiten gut. Die Tauschatmosphäre erinnert an catanische Auseinandersetzungen, die Tauschmöglichkeiten sind aber durch das auf fünf Plätze beschränkte Lager etwas eingeschränkt. Das Spiel ist reichhaltig ausgestattet bis hin zum „Einheitsflaschenöffner“, der sogar spielerische Aufgaben besitzt. Gut gelöst ist der Stockwerkbau, wobei in meinem Spielekasten leider das Dach fehlt. Die launig geschriebene Regel lässt (fast) keine Fragen offen, sehr hilfreich ist das bebilderte Ergänzungsblatt. BAU AUFf! ist mehr als ein DDR Nostalgie-Spiel, auch Wessis haben Spaß am Häuslebau unter sozialistischen Bedingungen. Der Flaschenöffner zum Öffnen der Bierflaschen beim Richtfest liegt bei.
Wieland Herold
Titel: BAU AUF! ÜBERDACHEN OHNE EINZUKRACHEN!
Autor: Robert Kurek
Verlag: BuschFunk
Alter: ab 8 Jahren
Spieler: 2 bis 4 ; ideal 4
Preis: 39 DM
Wieland Herold
Spiel 22/1999 R32/2021
Die Rezension erschien 1999 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der Berliner Buschfunk Verlag ist im Wendejahr 1989 in Berlin am Prenzlauer Berg gegründet wurden. Er sieht sich als erster unabhängiger Musiverlag der DDR. Neben Eigenproduktionen waren CDs der Puhdys, von Petra Zieger und Wladimir Kaminer mit im Vertrieb. In den 90er Jahren wurde Buschfunk durch die Herausgabe von DDR-Spielen berühmt.
Die Idee zu ÜBERHOLEN OHNE EINZUHOLEN hatte Robert Kurek 1991. Westliche Verlage winkten ab, sodass er sich zur Kleinauflage entschloss, die er 1994 handkonfektioniert anbot. Ein Exemplar viel dem Buschfunk -Chef zufällig in die Hand, der das Ganze nun professionell anging und innerhalb eines Jahres 100 000 Spiele verkaufte. Bislang sind 250 000 Spiele verkauft. Das hier beschriebene BAU AUF erreichte immerhin noch 25 000 verkaufte Exemplare.
Der in Bernau bei Berlin lebende Kurek hat danach noch mit BIERBARDE ein Spiel für 2 – 5 Wirte im Eigenverlag herausgebracht mit Texten und Liedern, um in bierselige Stimmung zu kommen. Der Anlass war die Gründung der ersten Bernauer Braugenossenschaft.
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