Freitag, 12. Februar 2021
ATTRIBUT
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
ATTRIBUT – Kultspiel aus dem Netz
In den letzten Jahren ist es immer üblicher geworden, dass erfolgreiche Brettspiele sehr bald online nachspielbar sind. Die imposanteste Sammlung hat inzwischen brettspielwelt.de anzubieten, die von Sid Sacksons Klassikern wie BAZAAR und CAN’T STOP zu Neuheiten wie JÄGER & SAMMLER und EMERALD reichen. Marcel André Casasola Merkle nutzt schon seit längerem dieses Medium für seine Spiele. Deshalb ist auch seine Idee zu ATTRIBUT als überaus erfolgreiches Pilotprojekt zuerst in der Brettspielwelt erschienen, bevor es 2002 als Neuheit bei Lookout Games herausgegeben wurde. Gezielt wird auf der Schachtelpackung mit dem Spruch „Das Kultspiel aus dem Internet“ Werbung gemacht. Ob Internetkult zu einem Kultspiel am Spieltisch taugt, wird zu untersuchen sein.
ATTRIBUT ist ein assoziatives Wortspiel, bei dem schnelle Reaktionen gefordert sind. Die bis zu acht Spieler, drei sollten es mindestens sein, besitzen vier Karten mit Adjektiven und eine rote oder grüne Schafskarte. Reihum legen die Spieler Themenbereiche fest, die je nach Schafskarte zu ihren Adjektiven passen oder nicht. Jeder der eine Pluskarte, ein grünes Schaf, besitzt, sucht ein Wort zu legen, das gut zum Thema passt. Die anderen legen ein Adjektiv, das möglichst gar nichts mit dem vorgegebenen Motiv zu tun hat. Auf Kommando decken alle gleichzeitig ihre Karten auf und jeder versucht möglichst als erster ein fremdes Wort an sich zu ziehen, von dem er glaubt, dass der Besitzer ein grünes Schäfchen vor sich liegen hat. Solche Karten bringen am Ende Plus-, falsche Zuordnungen allerdings Minuspunkte. Die Wertung geschieht in bewährter BOHNANZA-Manier, da die ATTRIBUT-Karten auf ihrer Rückseite einen Schäfchentaler besitzen. Die Spieler, deren Karte nicht gewählt wurde, werden trotzdem in die Wertung mit einbezogen. Der Besitz eines grünen Schafes führt zu einem Minuspunkt, einen Pluspunkt erhalten alle, die ein Adjektiv mit einem roten Schaf durchgebracht haben. Gespielt wird eine feste Rundenzahl, die sich an der Größe der Spielgruppe orientiert. Das kann zu 14 bis 18 Einschätzrunden führen. Sieger ist natürlich der Spieler mit den meisten Schaftalern.
Die Spielidee scheint stimmig. Die Spielerfahrungen sind dann aber doch manchmal frustrierend. Die Spielgruppen, mit denen ich ATTRIBUT ausprobiert habe, sind nach der Regelerläuterung stets mit großem Elan in das Spiel hineingegangen, wobei dann aber oft Unzufriedenheit aufkam, was manchmal zu Spielabbruch führte. Der Geschwindigkeitseffekt des Klatschens von positiven Karten trägt nicht lange. Zu oft geraten die Spieler, die das Thema nicht vorgegeben haben, in die Situation, dass, vor allem wenn sie ein grünes Schaf haben, keine von den Karten passt. Wie soll ich zum Beispiel das Thema „Winter“ mit den ATTRIBUT-Karten „stinkend“, „dreist“, „dehnbar“ und „alt“ positiv beschreiben. Das Beispiel ist nicht konstruiert. Ständig sind die Spieler in dieser Zwangssituation, die bei vorsichtigen Spielrunden meist dazu führt, dass man auf seiner Karte sitzen bleibt und Minuspunkte kassiert. Je größer die Spielrunde ist, je lockerer sie an ATTRIBUT herangeht, umso mehr Spaß kann sie allerdings haben. Wer nicht zu viel Tiefgang erwartet, wer bereit ist, risikobereit um die Ecke zu denken, die geringe Kartenauswahl in die Überlegungen mit einbeziehend, der kann auch lustvolle ATTRIBUT-Runden erleben.
Wieland Herold
Titel: ATTRIBUT
Autor: Marcel-André Casasola-Merkle
Verlag: Lookout Games
Alter: ab 10 Jahren
Spieler: 3 bis 8
Preis: 10 Euro
Spiel 12/2002 R33/2021
Die Rezension erschien 2002 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Marcel-André Casasola Merkle ist in der Stadt des Spielens, in Nürnberg, 1977 geboren. Schon zu Beginn seines Grafikdesign-Studiums an der Fachhochschule dort brachte er seine ersten Spiele heraus. Erfolgreich war er mit kleinen Spielen anfangs bei Adlung, später bei Lookout. Beim letzten Verlag war er 2000 an der Gründung beteiligt. Mit VERRÄTER (Adlung) landete er 1999 auf der Auswahlliste der Jury, zwei Jahre später bekam er für MEUTERER den ersten Platz beim Kartenspielpreis der Fairplay, was ihm auch schon mit VERRÄTER gelungen war. ATTRIBUT war das erste ausgezeichnete Spiel für Lookout, es erreichte 2003 ebenfalls die AWL der Jury, ebenso wie ATTIKA (Hans im Glück) ein Jahr später. Zeitgleich war er für viele Grafiken eigener aber auch fremder Spiele verantwortlich. Viel Beachtung fand seine Comic-Regel zu PIRANHO PEDRO, die er im Rahmen seiner Tätigkeit für das Team Annaberg entwickelt hat.
Von 2005 bis 2007 war Casasola Merkle Vorsitzender der SAZ, der Spieleautorenzunft. Mit dem Animationsfilm „After Midnight“ schloss Casasola Merkle 2006 sein Studium an der Kunsthochschule für Medien in Köln ab. Danach hat er nicht mehr so viele Spiele veröffentlicht, recht bekannt ist noch SANTA CRUZ (2012).
Er ist Mitbegründer und Partner bei Aixsponza, einem Münchner Designstudio. Dort arbeitet er als kreativer und technischer Leiter. Inzwischen entwickelt er auch Computerspiele. Das zusammen mit seiner Frau Agnes Lison erfundene ONE BUTTON TRAVEL gewann 2016 den Deutschen Computerspielpreis in der Kategorie bestes Jugendspiel.
Das Bild von Casasola-Merkle stammt vom Göttinger Autorentreffen 2004.
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