
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
DAS ZEHN VASEN SPIEL
Scherben bringen Glück: Zu kunstvoll gestalteten Vasen zusammengefügt, lässt sich aus Scherben viel machen, punkteträchtiges Vasensammeln zum Beispiel. Das Ambiente liefert Ferdinand Hein, ambitionierter Kleinverleger aus Augsburg, die Spielidee der kreative Ammerländer Jean du Poël.
Zehn prachtvolle Vasen hat Poël für sein Spiel zerdeppert, ganz geordnet liegen die Scherben in einer quadratischen Auslage, alles in kräftigen Farben auf stabile Pappkärtchen gemalt. Zwei bis vier Spieler ab sechs Jahren gehen mit großen handlichen Spielfiguren ans Einsammeln der Vasenteile. Dazu ziehen sie ziehen ihre Holzfigur zwei oder drei Felder weit über die Trümmerlandschaft, dabei dürfen sie einmal im rechten Winkel abbiegen. Diese simple Bewegungsregel reicht zur Entfaltung eines hochtaktischen Sammelspiels aus. Übersprungene Vasenteile werden aufgenommen. Anfangs dürfen die Spieler sie auf der Hand behalten, ab einer bestimmten Kartenanzahl, müssen Vasenteile aber ausgelegt werden, wobei damit der Zugriff für Mitspieler ermöglicht wird, sofern nicht mindestens drei Vasenteile ausliegen. Wer geschlagen wird, hat Pech: er wird an eine völlig neue Stelle des Spielfeldes versetzt. Gewonnen hat, wer am Schluss die meisten vollständigen oder fast kompletten Vasen vorzeigen kann.
Das Vasenspiel ist ein kleines taktisches Schmankerl, bei dem die unterschiedliche Zugweite und die Nutzung von Spezialfeldern eine wichtige Rolle spielen. Spätestens nach zwanzig Minuten sind die Vasenteile abgeräumt, so dass genügend Zeit für eine oder mehrere Revanchepartien bleiben. Für Liebhaber taktischer Spiele gilt eine unbedingte Kaufempfehlung. Überzeugend ist, dass das Spiel zu zweit, zu dritt und zu viert die Spielspannung, die es verspricht, auch einhält. Die grafische Umsetzung und das Spielmaterial genügen hohen Ansprüchen, hier kann der kleine Augsburger Verlag durchaus mit den Großen mithalten.
Wieland Herold
Titel: Das Zehn Vasen Spiel
Autor: Jean du Poël
Verlag: Dr. F. Hein Spiele, Gunterstr. 13, 86152 Augsburg, Telf. 0821 - 312627
Spieler: 2 - 4
Alter: ab 6 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 20.- €
Spiel 20/2001 R37/2021
Die Rezension erschien 2001 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder

Zum Spiel und zum Autor:
In Bad Essen hat Jean du Poël von 1985 bis 2002 mehr als 40 Spiele veröffentlicht und alle ursprünglich im eigenen Historien-Spieleverlag herausgegeben. Einige seiner Ideen wurden von anderen Verlagen aufgegriffen, so das Geschicklichkeitsspiel CARABANDE, das er als AVUS 1995 in Göttingen auf dem Autorentreffen vorstellte. Die Bearbeitung von Goldsieber erhielt 1996 den Sonderpreis Geschicklichkeitsspiel.
Auch DAS ZEHN VASEN SPIEL erschien zuerst als AMPHORAE in Poëls Spielegalerie.
2002 erhielt Jean du Poël für seine Leistung den Inno-Spatz der Stadt Göttingen. Wie schon bei Franz Scholles durfte ich damals die Laudatio halten. Ich habe ihn als letzten „Allrounder im Spielegeschäft“ beschrieben. Jean du Poël pflege „sein Nischendasein“ jenseits der großen Verlagsgeschäfte, setze auf die Qualität seiner Spielprodukte, an die er äußerst hohe Maßstäbe anlege.
Umsetzen konnte Poël diesen hohen Anspruch nur dadurch, dass er sich für alles zuständig fühlte. Auf Arbeitsteilung verließ er sich nicht, von der Ideenentwicklung über die gestalterischen Entwürfe bis zur handwerklichen Fertigung aller Spielmaterialien. Seine Siebdruckanlage und seine Holzwerkstatt leisteten ihm dabei vorzügliche Dienste. Jean du Poël war Handwerker im ursprünglichen ganzheitlichen Sinne: Kunsthandwerk verbunden mit Autorentätigkeit, dem Erzählen von Geschichten aus der Vergangenheit in seiner Historien Spielegalerie ließen ihn zu einem originären Künstler werden. „Aus jedem geschichtlichen Ereignis kann man ein Spiel machen“, behauptete er und belegte das mit vielen historischen Ausflügen in die unterschiedlichsten Epochen. Die Antike hat es ihm dabei besonders angetan, so zählt zu seinen bekanntesten Spielen seine Diplomarbeit aus dem Jahre 1984 MARE MEDITERRANEUM, ein faszinierendes Seehandelsspiel mit einem einen Meter langen Spielplan und einer Materialfülle, vor der jeder normale Verlag die Segel gestreckt hätte.
Leider ist dieser begnadete Spielehandwerker 2016 nach langer Krebserkrankung verstorben. Das Foto zeigt ihn 1992 auf dem Autorentreffen in Göttingen.