
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Friedemann Frieses Filosophie beruht auf den Worten mit „F“. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Vertraut Frieses Fantasie doch allein auf die Kraft der Fiktion, die uns in seinem neuesten Fantasiegebilde durch FINSTERE FLURE führt in das fürchterliche Labyrinth Fürst Fiesos, in dem Furunkulus, sein Hofmonster, furchtbaren Furor verbreitet.
Echt schräg, was da daherkommt, Frankenstein lässt grüßen. Friese lässt seinen Furunkulus, das fürchterliche Fantom, das durch die FINSTEREN FLURE eilt, als Spiel vor dem Spiel aus einem „Monsterbausatz“ dreidimensional entstehen. Dieses Monster bewacht anfangs den Ausgang der dunklen Gänge. Die Spieler, zwei bis sieben können es sein, führen meist vier, ab fünf Spielern auch nur drei Spielfiguren, die unter Ausnutzung von Deckungsmöglichkeiten und aufopfernden Verhaltens der Mitspieler versuchen müssen, ins Freie zu kommen. Schafft ein Spieler alle bis auf eine seiner Spielfiguren aus der Festung Fiesos heraus, hat er das Spiel gewonnen.
Vorher gilt es aber, sich der Attacken des Monsters zu erwehren. Jede Spielfigur kann sich innerhalb von zwei Runden sieben Felder bewegen. Die Aufteilung für die vier Bewegung der Figuren entspricht der von gegenüberliegenden Würfelseiten: 1:6, 4:3, 3:4 und 5:2. Schnelle Figuren müssen daher einkalkulieren, dass sie im nächsten Zug ganz langsam sind, mittelschnelle, dass sie nie allzu weit sich entfernen können. Für Deckung und Fortbewegung wichtig sind 11 Steinblöcke, die sich in den Fluren verteilen, ebenso wie zwei Blutlachen. Die Steinblöcke dienen als Sichtschutz, können auch verschoben werden. Über die beiden Blutlachen gleiten Spielfiguren elegant hinweg, um auf dem Spielfeld dahinter sicher zu landen. Die Monsterfigur kann das natürlich auch.
Furunkulus handelt und bewegt sich wie ein mechanischer Roboter, einerseits damit berechenbar, aber an seiner Bewegungssteuerung arbeiten alle Mitspieler. Seine Zugweite ergibt sich durch Aufdecken von Bewegungskarten, die das Ungeheuer 5, 7, 8 oder 10 Felder sich bewegen lassen. Bei zwei Karten wird die Trefferquote sogar vorgeben, da stoppt das Monster erst, wenn es einen oder zwei Eindringlinge erwischt hat. Maximal bewegt Furunkulus sich dabei 20 Felder. Das Bewegungsreizschema für das Monster funktioniert so: Furunkulus blickt nie zurück, so dass man sich im Rücken des Monsters sicher fühlen kann. Die Figur blickt geradeaus, nach rechts und links, solange sie keinen Eindringling erblickt, behält sie ihre Zugrichtung bei, sobald aber eine Figur in einer der Blickrichtungen auftaucht, dreht sie sich in diese Richtung und macht einen Schritt auf die Figur zu. Die Überprüfung erfolgt auf jedem Feld, so dass das Monster automatisch in den Sog der Spielfiguren gerät. Sind mehrere Figuren im Blickfeld, entscheidet sich Furunkulus für die näher stehende. Sind die Figuren gleich weit entfernt, zeigt sich das Monster verwirrt und behält seine Zugrichtung bei. Bei seinen Bewegungen schiebt Furunkulus alles vor sich her, was im Wege steht, das gilt auch für Steine. Dahinterstehende und sich versteckt haltende Spielfiguren, werden einfach mitgeschoben und, wenn sie Pech haben, an der Wand platt gedrückt. Steinbrocken können so aus dem Spiel geschoben werden, das Monster selbst nicht, es wandert an der einen Seite des Spielplans hinaus, um auf der anderen Seite wieder ins Spiel einzutreten. Friese hat Ein- und Austritt über Buchstabentüren in den Mauern geregelt. Bis zur letzten Bewegungskarte des Monsters läuft der erste Spielabschnitt, in dem gefangene Figuren immer wieder ins Spiel kommen. Der Ernst des Lebens beginnt danach, wenn Furunkulus die Spielfiguren ernsthaft gefährdet. Während des zweiten und letzten Spielabschnitts werden die Figuren endgültig aus dem Spiel entfernt.
Damit ist der Spielablauf des Grundspiels in seinen Grundzügen beschrieben. Den Spielspaß kann man vielleicht erahnen. FINSTERE FLURE scheint auf den ersten Blick ein planbares, berechenbares Spiel zu sein, da das Monster ja einen programmierbaren Weg läuft. Da die Feinabstimmung des Programms aber immer erst mit der Bewegung der letzten Spielfiguren endet, sind alle vorherigen Planungen meist für die Katz. Frieses Spiel macht vor allem dann Spaß, wenn es aus dem Bauch heraus gespielt wird. Der immer wieder auftretende Überraschungseffekt des Spiels stellt seinen besonderen Spielreiz dar. Deshalb macht es besonders in der ganz großen Runde mit sechs oder sieben Spielern richtig Fez! Zu zweit und zu dritt lässt sich Frieses Spiel durchaus taktisch angehen, ab vier Spieler gelingt das schon nicht mehr. Wer es schafft, mit einer Opferung durchzukommen, gewinnt meist in der neunten oder zehnten Runde. Sobald zwei Figuren in der ersten Phase erwischt wurden, ist man weg vom Fenster und kann Harakiri spielen, um die anderen noch zu ärgern. Eine Partie FINSTERTE FLURE ist bei geübten Spielern meistens schon nach 30 Minuten vorbei, so dass in der Revancherunde ein neues Monster auf die Jagd geschickt werden kann. Meist bleibt es nicht bei nur einer Wiederholung.
Wird das Grundspiel zu langweilig, können die Regeln für das „Fortgeschrittenenspiel“ herangezogen werden, bei denen das Monster durch Steine blickt und an Steinen umgeleitet werden kann. Teleportersteine sorgen dafür, dass die ganze Kalkulation noch schneller über den Haufen geworfen wird, als das im Grundspiel sowieso schon passiert.
Spielmaterial, Graphik und Regel sind von der inzwischen guten friedemannschen Qualität, was vor ein paar Jahren absolut nicht selbstverständlich war. Thematisch passt der Comic-Stil des Illustrators Maura Kalusky ausgezeichnet zu dem Spiel. Er und Friedemann Friese stehen als Klebebeigaben für den Spieleinsatz zur Verfügung. Achten Sie deshalb besonders beim Bekleben der grünen Spielsteine darauf, einen für den Autor zu reservieren.
Eine Computerversion gibt es für Mac- und Windowsrechner auf der Homepage von 2F-Spiele. Pac-Man-like verschlingt das Monster dort gelbe Figuren, wobei man versuchen muss, die grünen zu retten. Wöchentlich laufen zur Zeit Verlosungen von 2F-Spielen und Freischaltungen weiterer Schwierigkeitsstufen in dem Spiel. Diese Fassung hat nur bedingt etwas mit dem Brettspiel zu tun, trotzdem bietet das Programm die Möglichkeit zu einem ersten Hineinschnuppern in die FINSTEREN(n) FLURE.
Wieland Herold
Titel: FINSTERE FLURE
Verlag: 2F-Spiele
Autor: Friedemann Friese
Graphik: Maura Kalusky
Spieler: 2 bis 7
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 30 bis 45 Minuten
Preis: ca. 18 Euro
Spiel 10/2004 R41/2021
Die Rezension erschien 2004 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder

Zum Spiel und zum Autor:
Der 50jährige Friedemann Friese hat schon mehr als die Hälfte seines Lebens mit dem Entwickeln und Herausgeben von Spielen verbracht. 1992 war das noch im Rahmen einer „Spiele-Bau-Stelle“, ab 1994 startete er ab mit 2F-Spiele durch.
Friese hat eine Vorliebe für den Buchstaben F und die Farbe Grün. Das erste bedingt sein Vor- und Nachname, das zweite seine Haarfrisur. Es ist nicht nur sein Markenzeichen, sondern auch das seiner Spiele, die in der Regel mindestens ein F im Titel besitzen müssen und grün designt sind.
Frieses erfolgreichstes Spiel ist FUNKENSCHLAG. Sehr bekannt ist außerdem FAUNA, das 2009 zum Spiel des Jahres nominiert war. Der Deutsche Spielepreis würdigte häufiger seine oft abgedrehten Ideen wie FINSTERE FLURE, das 2004 den achten Platz erreichte.
Friese engagiert sich auch für die Spiele-Autoren-Zunft (SAZ), von 2009 bis 2011 war er deren Vorsitzender.
Das Bild zeigt den Autor im zeitlichen Umfeld des besprochenen Spiels, es stammt vom Autorentreffen in Göttingen aus dem Jahre 2005.