Dienstag, 2. März 2021
GRUFTMEISTER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
GRUFTMEISTER
Vor noch nicht einmal einem Jahr war der Hanauer Druckereibesitzer Kemal Yun im Brettspielbereich völlig unbekannt, erst seit Mai 2003 macht er auf sich aufmerksam, nur spielbegeisterte Atari- und Mac-Besitzer kannten den 34-jährigen schon lange als versierten Programmierer unter dem Namen Kemal Ezcan, der vor 21 Jahren sein Taschengeld mit Programmen für den Atari 400 aufbesserte. Seitdem sind viele Spiele für Atari und jetzt auch für Mac-Rechner von ihm entwickelt worden. Die Bekanntheit, die er sich in der Computerspielszene erworben hat, wünscht er nun im Brettspielbereich zu erlangen. Seit Anfang 2003 entwickelt er Ideen für Brettspiele. Direkter Auslöser für das erste Spiel war Yuns persönliche Kritik an Fantasy Klassikern der frühen 80er, so am HEXENMEISTER VOM FLAMMENDEN BERG und am DRACHENLABYRINTH. Spiele, die ihm zu glücksabhängig waren. „Das kann ich besser“, meinte er vollmundig und entwickelte das Spiel GRUFTMEISTER. Volker Schwägerl, der 2002 für das Kartenspiel MÖMMEN den Spielverlag DIE WUSELMÄUSE gründete, lernte das Fantasyabenteuer im Frühjahr 2003 kennen und versprach Yun, es als erstes großes Spiel im Rahmen seines Kleinverlages herauszubringen, was er in Rekordzeit bis Mai 2003 auch umsetzte.
GRUFTMEISTER ist ein familientaugliches Dungeon-Spiel, das nicht zu komplex ist und auch nicht ewig dauert. 12 rechteckige Spielplanteile können beliebig zu einem 3x4 Felder großen Gruftplan ausgelegt werden. Jeder der zwei bis vier Spieler erhält zwei Spielfiguren (einfache Holzpöppel), einen großen Gruftmeister und seinen kleinen Gruftknecht, außerdem einen Monsterstein und eine Spielerkarte, die der Besitzstandsanzeige dient und mit drei Herzen und einem Schlüssel als Startkapital ausgestattet ist. Auf den Spielplan werden recht aufwändig noch knapp 120 Plättchen mit Schlössern, Särgen, Kisten und Türen abgelegt. Es geht darum fünf Schätze zu finden, die in den Särgen versteckt sind. Diese müssen in eine Startzone, die für jeden Spieler festgelegt ist, gebracht werden, außerdem müssen am Ende Gruftmeister und –knecht auf diesem Feld stehen.
Yun verzichtet in seinem Spiel GRUFTMEISTER auf Würfelabhängigkeit. Jede Spielfigur darf bis zu fünf Feldern pro Zug ziehen, Aktionen werden zwischendurch abgewickelt, sie beenden den Zug eines Spielers nicht. Die große Spielfigur kann Türen, Kisten, Schlösser und Särge öffnen, Gegenstände aufheben und Monster bekämpfen. Der Gruftknecht hat eine rein tragende Rolle, er darf maximal zwei Gegenstände von seinem Meister übernehmen, um ihm Tragelast abzunehmen bzw. Schätze in Sicherheit zu bringen. Das Spiel besteht weitgehend aus dem Einsammeln von Gegenständen und Schätzen. Wandert ein Gruftmeister auf eines der 28 Kistenfelder, erhält er Ausrüstungsgegenstände, Waffen, Rüstungsteile, Werkzeuge oder Schlüssel. Durch ein knappes Drittel der Türen gelangt man nur mit einem Schlüssel oder einem passenden Werkzeug. Die Waffen werden benötigt, um Monster zu bekämpfen, die die Särge bewachen. Rüstungen schützen zusätzlich vor dem Verlust von Schadenspunkten. Das Duell ist ein Schüttelvorgang, ein Monsterplättchen und vorhandene Waffen und Rüstungen, maximal jeweils zwei, werden in beide Hände genommen, geschüttelt und fallen gelassen. Mit jeweils 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit fügt das Monster dem Angreifer einen Schadenspunkt zu, der durch Rüstungen abgewehrt werden kann. Das Monster stirbt, sobald eine Waffe sichtbar ausliegt. Sollte der seltene Fall eintreten, dass ein Spieler seine drei Lebenspunkte verliert, bleiben seine erworbenen Schätze und Ausrüstungen im Sarg und er beginnt mit neuen Lebenspunkten von seinem Startfeld. Wenn dies zwischendurch aufgesucht wird, dient es auch als Auftankstation für die Herzen.
YUN sieht neben den Sammelaktivitäten und kleinen Gefechten überhaupt nichts an Interaktion zwischen den Spielern vor. Er hat wohl seinen Atari-Spieler vor Augen, der allein durch die Gänge rast und sammelt und sammelt und kämpft und kämpft. Man kann den anderen nichts abjagen, steht sogar ganz friedlich auf gleichen Feldern herum. Eine wirkliche Gefährdung besteht zu keiner Zeit. Das gilt auch für die Knechte, nicht einmal die beharken sich gegenseitig oder dürfen von einem Großmeister auseinandergenommen werden. Ein bisschen Taktik kommt durch die Rucksack-Logistik ins Spiel, da der Gruftmeister nur fünf Gegenstände tragen darf und sein Knecht zwei. Auf der Spielerkarte steht zwar missverständlich „5 Steine“, was sich gut nur auf die Schätze beziehen ließe, die Spielregel macht aber deutlich, dass alle Gegenstände einbezogen sind. Für die Kämpfe ist es sinnvoll möglichst eine Waffe und eine Rüstung zu haben, dann braucht man auch noch Axt oder Stemmeisen und Schlüssel als Türöffner und dann natürlich die Schätze. Für ein gewisses Auslagern am Anfang, um sich gut auszurüsten, und dann vor allem für den Schatztransport ist der Gruftknecht sehr hilfreich.
GRUFTMEISTER genügt den hohen Ansprüchen des Autors keineswegs. Da helfen auch nicht die vielen Spielvarianten, die die Regel anbietet. Yuns Erstling wirkt nicht ganz ausgereift, etwas mehr Entwicklungszeit hätte dem Spiel sicher gut getan, denn durchaus interessante Ansätze sind erkennbar. Das Material ist weitgehend akzeptabel, stabile Spielplanteile und Kärtchen, mit einer auf das notwendige reduzierten Computergrafik, auch die Regel ist in Ordnung. Die Pappcounter kann man für 9 Euro inzwischen auch gegen stabile Holzsteine austauschen, oder gleich GRUFTMEISTER DELUXE erwerben. Der Autor gesteht selbstkritisch, dass sein im Herbst 2003 erschienenes Spiel DAS SCHLOSS erst das Spiel sei, das GRUFTMEISTER ursprünglich werden sollte.
Wieland Herold
Titel: GRUFTMEISTER
Autor: Kemal Yun (www.yungames.de)
Verlag: Spieleverlag Die Wuselmäuse (www.diewuselmaeuse.de)
Spieler: 2 bis 4
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 22 Euro (in der Deluxe-Fassung 29 Euro)
Spiel 12/2003 R43/2021
Die Rezension erschien 2003 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 4 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächsten Monat wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Nach der Zusammenarbeit mit Volker Schwägerl gründete Kemal Yun den Verlag Yun Games und brachte in den Folgejahren bis 2008 gut ein Dutzend Spiele heraus.
Inzwischen heißt er nicht mehr Yun, sondern dank Heirat Zhang. Er agiert unter Yoda’s Spiele Manufaktur immer noch von Hanau aus. Hier bietet er Entwicklungsunterstützung und Produktion von Kleinauflagen an. Seine Kompetenz preist er dort wie folgt an: Er sei „Spieleentwickler mit Leidenschaft, Musik Produzent, Firmengründer und Life Coach. Bereits im Alter von 13 Jahren schreibt er Spiele für Atari Computer, kurz darauf gründet er seine eigene Firma für Computerspiele. Später folgt eine eigene Zeitschrift, Print-Service, Musik Veröffentlichungen, Brettspiele und ein Escape Room Center.“
Erreichbar ist diese neue Seite immer noch unter www.yungames.de.
Das Bild zeigt ihn 2003 in Göttingen.
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